Tichys Einblick
Der Imam, die Lehrerin und zwei böse alte weiße Männer

Religionsfreiheit und Weltanschauungsfreiheit als Waffe gegen die Demokratie – Teil 2

Ein Imam verweigerte der Lehrerin seines Sohnes den Handschlag zur Begrüßung. Es kommt zum Streit. Der Imam und seine Frau zeigten die Lehrerin daraufhin an wegen ihrer Aufforderung, ihr die Hand zu geben, wegen „Beleidigung“ und „Verletzung der Religionswürde“. Und Berlins Ex-Bürgermeister Diepgen und Momper? Die schlagen sich auf die Seite des Imams.

Screenshot: rbb|24

Das System des Westens ist ziemlich kaputt und hält im Wesentlichen nur noch dank seiner ökonomischen Überlegenheit. Das allerdings ist zu wenig. Der Mensch lebt bekanntlich nicht vom Brot allein. Auf Dauer sind es ideelle Identifikationen und ein gesundes verfassungsgebundenes Selbstwertgefühl, die eine Gesellschaft robust machen gegenüber ideologischen oder religiösen Anfechtungen.

Politik und Moral müssen von den zuständigen Staatsorganen geleistet werden. Für Verteidigung und Kriminalitätsbekämpfung sind Militär und Polizei zuständig, aber für die Politik ist die Politik zuständig. Und die Politik ist nicht dafür zuständig, den eigenen Soldaten und der eigenen Polizei und den eigenen Behörden und Beamten notorisch in den Rücken zu fallen und sie die unzumutbare Drecksarbeit machen zu lassen.

Die heutige Gretchenfrage ist also, hältst Du es mit der Religion oder mit dem Grundgesetz? Hältst Du es mit der grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit oder hältst Du es mit der Verfassung (in toto)? Bist Du nur solange für das Grundgesetz, solange Du nicht an der Macht bist und dann doch gegen das Grundgesetz, sobald Du die Macht im Land erreicht hast?

Merkels perverse und hinterhältige Empfehlung, dass wir mal in der Bibel lesen sollten (so geschehen im letzten September angesichts laut gewordener Kritik über muslimische Einwanderer) sagt alles über den beklagenswerten Zustand der Republik.

Ohne sich die Realität des Jahres 2016 mindestens kursorisch vor Augen zu führen und im Auge zu behalten, ist jede tagesaktuelle Diskussion über Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Diskriminierung widersinnig und kontraproduktiv. Dort wo Religion und Verfassung sich gegenseitig überhaupt nicht berühren, ist selbstredend alles perfekt, es kann kein Problem geben. Dort wo Religion dem Grundgesetz widerspricht, gilt das Grundgesetz und sonst gar nichts. Das ist jedenfalls die tradierte verfassungsrechtliche Mehrheitsmeinung.

Alle Grundrechte, und das ist nun wirklich ein uralter Hut, stehen nicht absolut, absolutistisch für sich, sondern in einem größeren Verfassungszusammenhang. Deswegen ist auch nicht jeder Pups eines Religionsmenschen heilig.

Der Westen zerstört sich selbst, wenn er religiösem Druck nicht getreu seiner eigenen Verfassung begegnet. Das Wort „Religionsfreiheit“ ist zu einer bloßen Jokerkarte verkommen. Im Zweifel für die Religion und gegen die Verfassung, das ist die Verfassungswirklichkeit und diese Wirklichkeit erzeugt eine falsche verfassungsnormative Folgewirkung:

Das freiwillige Tagen des Kopftuches, das Frauen tragen, nicht Männer, und dessen religionsrechtliche Bewertung selbst unter orthodoxen Muslimen umstritten ist, unter den Schutzbereich der Religionsfreiheit zu stellen, heißt eben auch den Zwang das Kopftuch zu tragen, einen Zwang, den es zweifelsfrei auch gibt, de facto unter das Verfassungsgebot der Religionsfreiheit zu stellen. Und dann gibt es ja auch noch die dritte, die graue Variante, dass eine Frau sich in allen möglichen Ausprägungen und Varianten freiwillig gezwungen fühlt, ein Kopftuch zu tragen.

Kann das Kopftuch Religion sein? Welche religiöse Symbolik ist Religion? Welche ist religiöses Beiwerk? Welche ist bloßes Brauchtum? Muss eine durchgegenderte Gesellschaft im öffentlichen Raum und erst recht im hoheitlichen Bereich ein Kopftuch ertragen, gut finden, hinnehmen? All diese Fragen, die sich seit Jahrzehnten täglich aufdrängen, beantwortet die Bundesrepublik, beantwortet der Westen nicht. Im Gegenteil, er drückt sich um die Antwort herum.

Strafanzeige wegen „Beleidigung“ und „Verletzung der Religionswürde“

Und nun zu dem Berliner Fall mit dem Imam und der Lehrerin und der Berichterstattung: Eine Lehrerin einer deutsch-englisch unterrichtenden Privatschule in Berlin-Pankow zitiert die Eltern, einen Imam und seine offenbar streng gläubige Ehefrau in die Schule, weil einer der beiden Söhne in Prügeleien auf dem Schulhof, wie es in den Medien heißt, verwickelt gewesen sei. Die Eltern erscheinen zu dem Gespräch, an dem auch der Junge teilnimmt. Der Imam lehnt die zum Gruß ausgestreckte Hand der Lehrerin ab. Seine Frau lehnt es ab die Hand eines ebenfalls anwesenden Lehrers zu ergreifen. Die Lehrerin soll daraufhin den Imam aufgefordert haben, ihr die Hand zu geben.

Von hier an ist nur die Version des Imams und seiner Frau öffentlich bekannt, die sich allerdings als Wahrheit in den öffentlichen Diskurs eingebrannt hat, da sich Schule und Lehrerin an der öffentlichen Diskussion nicht beteiligen. Die Lehrerin habe ihn, einen aus der Osttürkei stammenden Imam, der im Iran und im Irak im Islam ausgebildet wurde und jetzt als Imam an der vom rbb als umstritten bezeichneten Cafer Sadek Moschee in Berlin Wedding tätig ist, sogar mehrfach aufgefordert, Respekt zu zeigen und Sitten und Gebräuche, wie sie hierzulande und in der Schule üblich seien, zu befolgen und ihm entsprechend die Hand zu geben.

Verallgemeinerungsverbot statt Grundgesetz
Religionsfreiheit und Weltanschauungsfreiheit als Waffe gegen die Demokratie
Einer fremden Frau wird nicht die Hand gegeben, das sei ihm religionsmäßig verboten, so der Imam auf türkisch im Interview mit dem rbb. Er habe stattdessen seine Hand auf seine Brust gelegt, der Lehrerin freundlich in die Augen schauend zugelächelt und so den höchst möglichen Respekt gezeigt. Das Gespräch über das Verhalten des Sohnes fand nicht mehr statt und danach haben die Eltern ihre beiden Söhne von der Schule genommen, wegen fehlenden Respekts und diskriminierenden Verhaltens der Schule. Außerdem haben der Imam und seine Frau, die ebenfalls an einer Moschee „Kinder“, wie der rbb zu berichten weiß, im Islam unterrichtet, (Mädchen und Jungen?) eine Strafanzeige wegen „Beleidigung, und Verletzung der Religionswürde“ gegen die Lehrerin losgelassen. Nicht der Imam diskriminierte die Lehrerin, deren ausgestreckte Hand er nicht ergreift, sondern umgekehrt, es sei die Lehrerin, die ihn und seine Frau als Muslime diskriminierte, indem sie den Handschlag als Bezeugung elterlichen Respekts gegenüber der Schule verlangt hätte.

Vorliegende Gesprächsangebote seitens der Schule quittiert der Imam, der sich nicht auf Deutsch einlässt, weil er es nicht beherrscht oder nicht sprechen will, so: „Wir wissen, dass das, was wir tun richtig ist und dieses Selbstvertrauen führt uns auf den richtigen Weg.“

Es geht also um die Rechtsstellung der Frau innerhalb der Religion und innerhalb der Gesellschaft. Es geht um den Kollisionsfall von Verfassung und Religion diese Rechtsstellung betreffend. Das ist jedenfalls der in er Öffentlichkeit heraus gegriffene Teil. Tatsächlich geht es auch um die Frage: Gibt es eine rechtswirksames Religionsgebot, dass eine muslimische Frau einem Lehrer den Gruß verweigern muss?

Die deutsche Gesellschaft hat nun langsam wirklich einen Anspruch darauf, genau zu erfahren, wie die hier vom Imam vorgetragenen muslimischen Regeln lauten, wo sie stehen und welche Bedeutung sie haben. Einmal unterstellt das Regelwerk sei tatsächlich so, wie es der Imam referiert, dann muss sich die deutsche Gesellschaft positionieren und kann es nicht feige ignorieren und weiterhin jede Frau oder jedem Mann, der damit, so wie jetzt die Lehrerin, konfrontiert wird, im Regen stehen lassen.

Wenn man weiß, dass Muslime deutschen Nicht-Musliminnen respektive Nicht-Muslimen aus religiösen Gründen nicht die Hand geben dürfen, dann stellt man sich darauf ein. Nur einfach so rumwurschteln geht nicht und natürlich bleibt die Frage zu klären, welche der westlichen Kultur fremde Sitten, Gebräuche und Eigenheiten dem Schutzbereich der Religionsfreiheit der Verfassung überhaupt unterliegen oder, anders ausgedrückt, des Schutzes der Verfassung legitimer Weise überhaupt bedürfen.

Ob ein Religionsgebot Nicht-Muslimen nicht die Hand zu geben mit dem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat kollidiert und als Diskriminierung von Agnostikern und Nicht-Muslimen zu betrachten ist, muss also grundsätzlich und zwar schnellstmöglich ohne schuldhaftes Zögern der Bundesregierung und der beiden Parlamentskammern entschieden und nicht irgendwie unter den Teppich gekehrt werden.

Ex-Bürgermeister Diepgen und Momper stellen sich auf die Seite des Imams

Das, was sich allerdings das Duo in Gestalt der beiden Berliner Ex-Bürgermeister Eberhard Diepgen und Walter Momper in ihrer Altherrenkolumne in der BZ zu diesem Fall abgerungen haben, ist jedenfalls unter jedem Niveau und ein erschreckendes Beispiel für eine gefährliche Ignoranz der Nomenklatura, der Elite.

Beide gaben dem Iman mit dem verweigerten Handschlag verklausuliert voll umfänglich recht. Die Lehrerin sollte sich nicht so anstellen und der Imam könnte seine Strafanzeige zurückziehen oder die Staatsanwaltschaft respektive das Gericht könnten die Sache schleunigst einstellen.

Die Lehrerin, der die beiden Ex-Bürgermeister im höchsten Maße opportunistisch und auch symptomatisch für das System in den Rücken fallen, ist, erkennbar auch für den Imam, ihm nicht als Privatperson gegenübergetreten, sondern als Lehrerin der Schule, die seine Kinder besuchen. Lehrer sind quasi Hoheitsträger, auch an der betreffenden Privatschule, siehe zum Beispiel ihre Zeugnishoheit. Deswegen hat die Lehrerin sich ja auch auf den Respekt berufen, den die Schule verdient, aber auch für ihr Funktionieren benötigt. Dabei geht es um den Respekt der Kindern und der  Eltern und der Gesellschaft insgesamt. Diepgen und Momper sehen nicht so aus, als hätten sie den Fall bei der Schule oder der Lehrerin recherchiert, die sich öffentlich nicht geäußert hat. Das Interview mit dem Imam und dessen Frau werden sie wohl gekannt haben. Und das reicht nicht aus, sich in dieser Form gegen die Lehrerin, die Schule und damit auch gegen die Gesellschaft zu positionieren.

Die Bagatellisierung einer Sache, die ausweislich der Äußerungen des Imams für ihn keine Bagatelle sind, musste ganz einseitig nach hinten los gehen angesichts eben dieser Tatsache, dass der Imam eine religiöse Grundsatzfrage aus der Sache gemacht hat.

Davon abgesehen: Die Gesellschaft muss nicht jede zugewanderte Marotte unter Verzicht auf eigene Traditionen, Sitten und Gebräuche hoffnungslos überhöhen. Und es gibt so unendlich viele scheinbare Nebensächlichkeiten. Gerade wirbt Merkel in ihrem Blog „Die Kanzlerin direkt“ für die Freiheit der Sau, sich vom Menschen aufessen zu lassen. Sie wirbt ernstlich für Toleranz, die die Einwanderer der hiesigen Gesellschaft und deren Essgewohnheiten entgegenbringen sollten. Das zeigt, wie verdreht die Gehirne sind und auch wie verdreht die Kanzlerin bereits denkt.

De facto geht es tagein tagaus um die Toleranz und damit ist üblicherweise jene Toleranz der deutschen Gesellschaft und der deutschen Bürger gegenüber jeder fixen Idee, jedes Brauches, jeder Sitte, jeder Allüre eines jeden Einwanderers oder jeder Einwanderergruppe gemeint. Integration setzt den nachhaltigen Willen der Einwanderer voraus, die deutsche Gesellschaft, wie sie steht und liegt, zu akzeptieren und zu wollen. Nicht einfach Sozialleistungen und staatliche Sicherheit von irgendeinem, zufällig Deutschland genannten Staat, der sie nichts angeht, der sie nicht interessiert, verlangen und den sie gegebenenfalls alsbald ablehnen, was sehr häufig passiert, ist Einwandererpflicht in eigener Sache, sondern das Hier ankommen und mitspielen wollen, ist der Punkt. Und das bedeutet eben auch die Bereitschaft zu einem großen Anpassungsprozess an die deutsche Gesellschaft.

Die durch falsche Toleranz vorprogrammierten und 24 Stunden lang auf allen Kanälen begünstigten Bildungen von Parallelgesellschaften mit Anspruchsdenken, ist die Konsequenz linker antideutscher Politik, allerdings einer Politik ohne Sinn und Verstand und Moral und ohne Zukunft.

Wer als Analphabet oder quasi-Analphabet im Alter von 16-26 Jahren (oder noch älter) hierher kommt, hat dieser Gesellschaft nichts anzubieten. Er kommt mit leeren Händen. Und er hat naturrechtlich eine Verpflichtung, das Seine zu seinem Unterhalt und zu seiner Integration beizutragen. Das ist eine immanente Pflicht des Asylanspruches oder, wo kein Asylanspruch ist, des bloßen Hierseins. Toleranz ist eine schöne und auch eine sehr gesellschaftsnützliche Geste, aber Toleranz einfordern setzt auch eigene Toleranz voraus. Nachdem die Gesellschaft einige Jahrzehnte auf einer relativen Einbahnstraße der Toleranz unterwegs ist, muss in Sachen Toleranz auf Fordern gegenüber den Einwanderern umgestellt werden.

Dass es intolerante Bürger in Deutschland gibt, ist Realität. Das es Kriminalität gegenüber Ausländern gibt, ist Realität. Dass es intolerante Einwanderer gegenüber Deutschen gibt, ist Realität – und Realität ist auch, dass es Kriminalität von Einwanderern gegenüber Deutschen und anderen Einwanderern gibt.

Wem die Integration am Herzen liegt, der muss, auch wenn es seit langem unpopulär geworden ist, den Einwanderern nicht nur einmal auf Hauptschulniveau in einfachen Sprachkursen, noch vor Erlernen der Sprache, wichtigtuerisch und selbstdarstellerisch erzählen, dass es in Deutschland Regeln gibt, die bitteschön einzuhalten wären, sondern der muss die Einhaltung der Regelwerke immer grundsätzlich und ausnahmslos von Einwanderern wie von Deutschen einfordern.
Wieso wird über Schweinefleisch überhaupt diskutiert? Wer kein Schweinekotelett essen will, isst keins. Wieso muss über einen Handschlag eines Mannes gegenüber einer Frau respektive dessen Verweigerung überhaupt diskutiert werden?

Handschlag und Schweinefleisch und Kopftuch, Hot Pants, Bikinis, Schwimmunterricht für Mädchen und unendlich viele „Kleinigkeiten“ mehr, werden in Deutschland regelmäßig zu Lasten der deutschen Gesellschaft belabert und diskutiert oder aggressiv ausgetragen und da kommen ein Momper und ein Diepgen aus dem Altersheim und sagen zu der Lehrerin: Take it easy, altes Haus! Die deutsche Lehrerin hätte sich eben taktlos und instinktlos und eskalierend verhalten, als sie den verweigerten Handschlag als Diskussionsgrundlage von Toleranz und Anerkennung von Spielregeln, um die es in der Schule nun gerade ging, einforderte.

Kaum zu glauben, aber Realität. Seit Jahrzehnten steht fest, dass die Integration gescheitert ist

Auf aktuellem Stand ausgedrückt heißt die Feststellung: Die Integration war vor Beginn der Masseneinwanderungswelle aus 2014 und 2015 (und 2016) bereits gescheitert und die Integration der Einwanderer ist mehrheitlich auf Fehlschlag für die nächsten Jahrzehnte programmiert. Die Einwanderung allerdings, von zwischenzeitlich modern gewordener Fluchtursachenbekämpfung ist kaum noch die Rede, wird auf absehbare Zeit nicht abnehmen, sondern exponentiell zunehmen. Die Zahl der wanderungswilligen Menschen, die aus welchem Grunde auch immer unterwegs sind, soll weltweit derzeit 60-70 Millionen Menschen umfassen. Diese Zahl kann jederzeit explosionsartig steigen und damit steigt die Zahl der potenziell Einwanderungswilligen.

Die deutsche Gesellschaft wird immer migrantischer und damit wird sich auch die Einwanderungspolitik ändern. Alles spricht dafür, die Weichenstellungen, die jetzt entweder faktisch passieren oder bewusst falsch vorgenommen werden, in die richtige Richtung zu lenken. Und die richtige Richtung kann nur Integration heißen und kann nur im Verfassungsstaat Bundesrepublik liegen. Nicht die vielen unterschiedlichen und oft antagonistischen Vorstellungen der vielen Einwanderergruppen können den Takt vorgeben.

Die Verfassung des profanen Staates ist die Grundlage von Gesetz und öffentlicher Ordnung. Wer daran zu Gunsten einer Weltanschauung oder einer Religion rüttelt, beschädigt die Werteordnung in ihrem Kern. Eine Verfassung ist soviel wert, wieviel sich die Bürger ihr mit Herz und Verstand verpflichtet fühlen.