Tichys Einblick
Bettina Röhl Direkt

Obama und die Hooligans

Das ist die Dorfkirche von Lansing - ein fiktiver Ort für die Erfolgsserie „dahoam is dahoam“ des Bayerischen Fernsehens. Bei richtigem Betrachtungswinkel sieht alles recht gemütlich aus. Heimatlich eben, auch wenn es nur Kulisse ist. Auch die Debatte um Migration hat etwas kulissenhaftes: Da wird eine Harmonie vorgegaukelt, die allerdings nicht gemütlich, sondern betrügerisch ist.

Ebola-Virus, die Ukrainekrise und der Isis-Terror seien die drei schlimmsten Geißeln der Menschheit. Dies erklärte Obama vor wenigen Wochen der Weltöffentlichkeit. In der deutschen Öffentlichkeit gibt es eine noch größere, die Welt bedrohende Gefahr: Hooligans. Die Debatte um eine Demonstration in Köln zeigt: Integration ist ein Spiel, an dem zwei Seiten beteiligt sind. 

Auffällig ist, dass Obama die deutschen Hooligans, die in Köln gegen Isis und Isis-Sympathisanten demonstriert haben, nicht erwähnt. Obama erweckt sogar den Eindruck, dass er die deutschen Hooligans nicht einmal kennt. Da sind doch die deutschen Medien und die politische Nomenklatura und natürlich auch die deutschen Behörden und die unendlich vielen deutschen Experten weiter. In einem anschwellenden Bocksgesang belehren sie die deutsche Öffentlichkeit darüber, dass die Hooligans genauso schlimm seien wie die sogenannten Isis-Terroristen oder die Salafisten oder jede Form von gewalttätigem Islamismus sonst. Am Ende der vergangenen Woche war man sich in Deutschland einig, dass die Hooligans noch schlimmer als Isis-Terroristen und alles Schlimme zusammen sind.

Sogar eines der größten Heiligtümer geriet ins Visier der veröffentlichenden Hoheitsträger, nämlich die im Grundgesetz geschützte Demonstrationsfreiheit. Während seit den Demonstrationen des rot-grünen Mainstreams von Mutlangen bis Gorleben die Rechte der Demonstranten ständig ausgedehnt und die Möglichkeiten der Polizei eingeschränkt wurden, soll jetzt durch eine Verfassungsänderung auf einmal das Demonstrationsrecht beschnitten werden.

Wohl gemerkt es gab Demonstrationen, auf denen Schüsse fielen und zwei Menschen starben, wie im Herbst 87 gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens, Startbahn West. Alles mitten unter uns in Deutschland. Und in München starben 1968 während einer  linksradikalen Protestdemonstration zwei Menschen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch Wurfgeschosse der Demonstranten.

Die herrschende Klasse, die gern ex kathedra irgendwelchen bedeutungslosen Minderheiten mit dem Wort „Verschwörungstheoretiker“ nachstellt, leidet höchst selber unter eben solchen Verschwörungstheorien. Die Hooligans seien nur die Sichtbare Spitze des Eisberges von Rechtsextremisten, Rechtspopulisten, Rechtsradikalen und Neonazis in der Bundesrepublik und daher weltweit auch die eigentlicher Gefahr für die Menschheit. Und deshalb haben die Hooligans die Gefahren des Islamismus oder des Salafismus nur als willkommenen Vorwand missbraucht: für ihren Kölner Aufmarsch, für ihre Demonstration von martialischer, archaischer und brutaler Gewaltbereitschaft und ihr Neo-Nazitum.

Die Wutattacke von Oben

Die massenmedialisierte Formel hieß schnell: mit den „Faschisten“, die schon den Fußball diskreditierten, kann es keine gemeinsame Sache gegen den islamistischen Terror, und sei er noch so schlimm, geben. In der letzten Woche, in der sich der heldenhafte Kampf von Oben gegen den Hooliganismus zu immer neuen Verbotsgesängen hochdrehte, waberte Pulverdampf in der Luft da Oben. Nein, die Wiedereinführung der Todesstrafe hat glücklicherweise noch Niemand in den Mund genommen. Aber Gesetzesänderungen, ein verändertes Verhalten der Polizeibehörden, Demonstrationsverbote und sogar eine Verfassungsänderung wurden zündelnd in die aufgepeitschte Diskussion hinein gereicht.

Dabei ist die Beweislage gegen die Hooligans an den Maßstäben des Rechtsstaates gemessen dürftig. Und gemessen daran, dass die Hooligans angeblich symptomatisch für einen großen Teil der deutsche Bevölkerung stehen,  der latent einen gefährlichen Ausländerhass und eine ebenso gefährliche Islamophobie in sich trüge, ist die  Beweislage gegen die in Köln versammelten Hooligans als katastrophal zu bezeichnen. 20.000 € Gesamtschaden – das Missverhältnis von Geschrei und Fakten ist wirklich erstaunlich. 

Eine Brüllmasse in Köln, ein umgekipptes Polizeiauto, die ausgemachte höchste Gewaltbereitschaft, fliegende Flaschen und Silvesterknaller, ein paar Nazisymbole und eine lange Liste von verletzten Polizisten, die zum ganz überwiegenden Teil im Dienst blieben – das ist die Bilanz des tatsächlichen Geschehens. Jede Castor-Demonstration ist dagegen weit gefährlicher und gewalttätiger: In Gorleben fliegen potentiell tödliche Bolzengeschosse, und unter dem Applaus der rot-grünen Fraktion wird immer wieder versucht, Hubschrauber zum Absturz und Züge zum entgleisen zu bringen. „Schottern“ als grüner Verharmlosungsbegriff für versuchten Mord hat sich in die Sprachwelt eingeschlichen.

Aber jetzt geht es ja um eine Demonstration von Rechts und das ist was ganz was anderes. Dazu paßt, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizere im Gleichklang mit dem Bundesjustizminister Heiko Maas just in dieser Zeit aus Syrien und dem Irak zurückkehrende deutsche Dschihadisten, überwiegend mit Migrationshintergrund, wissend um mögliche Beteiligungen an Terror-und Mord, fürsorglich und demonstrativ als „unsere Söhne und Töchter“ willkommen heißt.

Von einem „Heimholen“ der Hooligans ins „Reich“ des Mainstreams oder besser gesagt, einem Rückholen der Fussballverrückten in die Gesellschaft war jedenfalls nichts zu hören. Und erst recht nichts über den Grund für die Demonstration, nämlich dem allgemein konstatierten Anwachsen des Salafismus in der Bundesrepublik. Denn dieses Anliegen sei ja nur vorgeschoben und existierte, wenn nicht vorgeschoben, trotz allen gegenteiligen Berichten auch nicht wirklich. Salafisten verschwinden eben von der Bildfläche der Öffentlichkeit, wenn von Rechts gegen sie demonstriert wird. So einfach ist das.

Linke Gewalt ist Normal Null

Die extrem gewalttätigen, durchgestylten Demonstrationen und sich häufenden Anschläge linksextremistischer Provenienz mit schwarz vermummten Blöcken, extremen Körperverletzungen, extremen Sachschäden und sehr vielen schwer verletzten Polizisten – das ist natürlich etwas ganz anderes. Jedenfalls für die Buddys des Milieus, den Verharmlosern linker und grüner Gewalt, die in den Medien, in der Politik, in der Gesellschaft und den Parteien ihr Gewerbe betreiben.

Da brennen kleine Großfeuer, ein Schwund an Polizeifahrzeugen ist Standard und Innenstädte werden terrorisiert, aber das ist eben Normal Null – geduldet, gerechtfertigt, üblich. Die linksradikale Gewalt hat ja schließlich auch immer ein gesellschaftliches Anliegen, einen moralischen Kern der höheren Dimension, das schwingt immer mit, auch wenn das den Polizisten mit eingeschlagener Schädeldecke nicht einleuchten will – dann sind sie eben auch rechtsextrem. Linker Terror ist eben gesellschaftsfähig. Da fällt auf, dass die Schneise der Verwüstung durch den schwarzen Block in Frankfurt eben nicht zu Forderungen nach einem Demonstrationsverbot führten – sondern zur Maßregelung des verantwortlichen Polizeibeamten, der die Schläger einkesseln ließ und dabei vergaß, Dixi-Klos zur Verfügung zu stellen. Aber der Kampf von Attac gegen Globalisierung, was immer das ist, rechtfertigt eben alle Mittel.

Die von oben abgeschossenen, quasi regierungsamtlichen Schüsse aus allen Rohren gegen die Hooligans von Köln haben in der letzten Woche ein paar Tage lang richtig „Bumm“ gemacht.

Die neue „Qualität der Gewalt“ der Hooligans nimmt sich wie eine Randale im Mädchenpensionat aus, im Vergleich zu dem, was die Bundesrepublik an linken Gewalttaten und Aufmärschen systematisch in unregelmäßigen Abständen erlebt.

Das wahrhaft Gespenstische ist die Tatsache, dass mit dem jetzt schon wieder implodierten Blitzkrieg gegen die Hooligans, der Massenmord und der Völkermord der ISIS von den Bildschirmen und aus den Zeitungen verschwunden ist. Dabei hat Angela Merkel noch vor wenigen Wochen über den Terror und den religiös und völkisch motivierten Wahn gesprochen, der unter der Fahne von Isis im mittleren Osten tobt. Und immerhin reisen zum Mittun auch deutsche Dschihadisten in Scharen. Aber ein paar Hooligans, und das Thema Massenmord im Namen des Islam ist nahezu komplett aus der deutschen Öffentlichkeit verschwunden. Klar, öffentliche Enthauptungen und das sogenannte massenhafte Abschlachten von Menschen, Massenvergewaltigungen und Versklavungen von Frauen – das kannte man im Westen so nicht und die als Terroristenmiliz bezeichnete Isis war auch irgendwie ein Nervenschocker. Und klar wollten die Medien das Ganze auch nicht verschenken, die Bilder sind zu gut geeignet, sinkende Auflagen und schwächende TV-Quoten zu stabilisieren. Aber die öffentliche Thematisierung war immer relativ begrenzt nach dem allgemein gültigen Motto: das Berichten von „Einzelfällen“ spielte nur den Rechten in die Hände und schürte Ausländerfeindlichkeit und Islamophobie. So zumindest die Begründung für eine permanent asymmetrische Berichterstattung in Deutschland zum Themenkomplex Islamismus. Berichterstattung, so die Regel, über den Islamismus schade dem Islam, verletzte die Muslime usw. – und die bedürfen der öffentlichen Schonung.

Merkels Micky-Mouse-Rede

Thomas de Maizere beging einen Tabubruch. In seiner Rede am 22.Oktober sprach er anlässlich der CDU-Konferenz zum Thema „Zugewandert-angekommen?!“  wohlinszeniert von Migrantenkriminalität.

Ein Thema, das man nicht ausgrenzen oder unterdrücken dürfte, um dann so zu konkretisieren: es gibt organisierte Kriminalität von der italienischen bis zur russischen Mafia. Nur die islamistische Kriminalität oder die Kriminalität von Muslimen in Deutschland ließ er gezielt aus, obwohl seine Rede der Zuwanderung und den Zuwanderern und im Speziellen den muslimischen Migranten gewidmet war. Seine Rede war eine Ermahnung der sogenannten „aufnehmenden“ Gesellschaft, der „Mehrheitsgesellschaft“, die Besserung zu zeitigen hätte, um die Integration zu einem Erfolg zu machen.

Merkel verglich in ihrer Micky Mouse-Rede auf der nämlichen Veranstaltung der CDU, die DDR-Bürger und auch ihre eigene Person im Jahr 1989, mit den heutigen Migranten und trällerte das Liedchen „ein tolles Integrationsland“ in das überwiegend migrantische CDU-Publikum.

Glaubwürdig waren die CDU-Granden nicht wirklich. Aber wohin ein unbegrenzter Opportunismus jemanden bringt, das wurde immerhin deutlich. Die CDU will ihren Anteil am wachsenden Wählerstamm vor allem mit türkischem Hintergrund steigern und an dieser Stelle den Wettbewerb mit den anderen Parteien gewinnen. Dazu ist ihr jedes Mittel recht.

Warum „Ausländerfeindlichkeit“ und „Islamophobie“  Quatschbegriffe sind

Alles spricht dafür, die Migranten zu integrieren. Es ist das beste Recht jeder Partei, sich um migrantische Wähler zu bemühen. Aber wie de Maizere wiederholt betonte, gelingt Integration nur auf der Basis der klar erkannten und benannten Realität. Und Integration ist eben auch niemals eine Einbahnstraße.

Die Hooligan-Debatte und die Charmeoffensive der CDU wie auch die Integrationspolitik insgesamt, offenbaren einen gemeinsamen Konstruktionsfehler. Der von de Maizere angemahnte Realitätsbezug, die Tatsachen, die Wirklichkeit werden ausgeblendet. Jede Verhältnismäßigkeit und damit auch jede Fairness bleiben auf der Strecke. Der weit überwiegende Teil der hier lebenden Menschen akzeptiert Migration, pflegt eine „Kultur des Willkommens“ – und das gilt für alle Generationen. Dazu paßt, dass der überwiegende Teil der Migranten sein Ding hier machen will und davon überzeugt ist, dass das hier besser geht als in den jeweiligen Herkunftsländern. Antideutsche Tendenzen gibt es bei den Deutschen selber und es gibt sie auch bei den Migranten. Die Fehlerquote, um es einmal ziemlich abstrakt auszudrücken, ist in Bezug auf die Integration auf der Seite der Migranten genauso hoch wie auf der Seite der Deutschen, zu denen inzwischen auch sehr viele Deutsche mit Migrationshintergrund gehören. Insoweit ist Deutschland ein wunderbares Land, das Offenheit täglich beweist.

Dagegen hat der permanente Kampf gegen fiktive Ausländerfeindlichkeit oder Islamophobie Asymmetrien geschaffen und zu einem erheblichen allseitigen Realitätsverlust geführt. Der deutschen Bevölkerung wird permanent in generalverdächtigender Manier in eine Bringeschuld nach der anderen oktroyiert, und den Migranten wird eine permanente Notwehrsituation und „Opferlage“ aufgezwungen, die sie zur permanenten Anklage und zu einem permanenten Verlangen berechtigte.

Die Migranten insgesamt haben keine eigene, demokratisch legitimierte Interessenvertretung. Die muslimischen Migranten haben dagegen etliche, allerdings auch nicht demokratisch legitimierte, muslimische Verbände und Interessenvertreter. Daneben gibt es auch, ebenfalls nicht demokratisch legitimierte, ethnische Interessenvertreter und Verbände, vor allem der türkischen Migranten. Und all diese Interessenvertreter haben sich eingerichtet in die deutsche Gesellschaft. Ihr Geschäftsmodell ist es, zu bemäkeln, zu maßregeln und teilweise auch regelrecht zu diskreditieren, wenn nicht die einheimische Bevölkerung sogar zu kriminalisieren und vorallendingen permanent anzuklagen. De Maizere sagte nun, dass eine übertriebene falsche Ausländerfreundlichkeit den Tatbestand der Ausländerfeindlichkeit erfüllt. Allein, er kann mit seiner eigenen Erkenntnis nichts anfangen. Er sagt, Migranten fördern und fordern. Es gibt aber in Wahrheit nur fördern. Die Forderungen werden recht einseitig an die deutsche Bevölkerung gerichtet.

Um es zu wiederholen: es gibt Ablehnung in Teilen der Bevölkerung gegenüber den Migranten. Und  Teile der Bevölkerung lehnen den Islam und die Muslime ab. Aber die Vokabeln „Ausländerfeindlichkeit“ oder „Islamophobie“  sind Kampfparolen ohne spezifischen Inhalt. Niemand sagt Germanophobie oder Christenphobie, obwohl es für diese Begriffe identische Anwendungsbereiche gäbe.

Welcher Islam gehört zu Deutschland, Frau Merkel?

Obama fliegt mit seiner arabischen Allianz Luftangriffe gegen Isis. Die Türkei spielt dabei eine mindestens eigenartige Rolle. Es sterben zigzehntausende Menschen in Syrien, im Irak und in den angrenzenden Regionen. Und in Deutschland schaut man in Wahrheit weg, geilt sich an Hooligandebatten auf und macht absurde Integrationskonvente in der CDU. Welcher Islam gehört zu Deutschland?

Üblicherweise hören wir sonst immer, den einen Islam gäbe es überhaupt nicht. Tatsächlich gibt es nur ganz unterschiedliche, sich oft bekämpfende Spielarten des Islam. Und was ist der Migrant? Was sind Migranten? Die Migranten gibt es auch nicht. Migranten kommen aus sehr unterschiedlichen Strukturen und Kulturen – und Migranten bekämpfen sich gelegentlich sogar hierzulande, wie die Kurden und die Türken ziemlich gewalttätig vorführen. Was sollte also die undifferenzierte Glorifizierungsveranstaltung der CDU, die hier stellvertretend steht für die vielen vergleichbaren Veranstaltungen allerorten.

Soll die deutsche Polizei die einzige Behörde sein, die gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Salafisten, wie zuletzt in Hamburg und Celle, verhindert, während oben drüber vom tollen Integrationsland gefaselt wird? Obama hat recht. Die deutschen Hooligans sind im Gesamtgeschehen eine Petitesse. Die Kölner Hooligan-Demonstration dazu zu missbrauchen, Fehler der Integrationspolitik zu perpetuieren, ist schändlich.

Denn grundsätzlich gilt: Reaktionen der hier lebenden Menschen auf Integrationsfehler oder auch auf Fehler, die Migranten machen, sind in höchstem Maße legitim, wie de Maizere zu Recht ausführte. Integration ist ein Spiel, an dem zwei Seiten beteiligt sind.