Tichys Einblick
Hoheitlicher Hass auf Ausländerhasser ist ein falsches Verständnis von Machtmonopol

Flüchtlinge: Teil 2 – Eine gespenstische deutsche Situation

Die öffentliche obrigkeitliche Verdammung von Rechtsradikalen, tatsächlichen und vermeintlichen, und anderen Bürgern löst das Flüchtlings- und Wirtschaftszuwanderungs-Problem nicht. Das kann nur eine Migrationspolitik, die den Zustand des Weiterwurstelns überwindet.

Die Kanzlerin hat, wie SPD, Grüne und Linkspartei und andere mahnen und warnen, zu lange zur Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik geschwiegen. Jetzt hat sie sich ein ziemlich gestelztes Statement abgerungen und in dasselbe Horn wie alle anderen gestoßen.

Klar, gegen jede Art von Straftat muss der Staat vorgehen, das verlangt das Legalitätsprinzip. Der Staat muss gegen Straftaten, die von Deutschen gegen Ausländer oder Flüchtlinge oder Wirtschaftszuwanderer verübt werden, vorgehen, und er muss gegen Straftaten, die von Migranten gegen Migranten, Deutsche oder sonst wen verübt werden, einschreiten, das ist eine Selbstverständlichkeit. Um es zu wiederholen, mit solcher Selbstverständlichkeit Kritik an der Aufnahme von Flüchtlingen und Wirtschaftzuwanderern überhaupt als undiskutierbar hinzustellen und unterbinden zu wollen, wäre – wenn es hoheitlich geschieht – ein klarer Verfassungsbruch.

Soviel kühlen Kopf muss man von den Mitgliedern der Bundesregierung und der Landesregierungen verlangen, dass die gewählten Häupter zwischen sachlicher oder unsachlicher Kritik an der Aufnahme von Flüchtlingen und Wirtschaftzuwanderern sowie von Straftaten gegen sie unterscheiden können: Kritik an der katastrophalen, kopflosen und ziellosen Migrationspolitik ist allemal wichtig und richtig und notwendig.

Wenigstens Gabriel sieht auch die Menschen

Wie Sigmar Gabriel so schön sagt, gibt es neben der Flüchtlingspolitik das politische Leben, das bisher schon kompliziert genug war, und es gibt auch Bedürftige innerhalb der einheimischen Bevölkerung, wie Gabriel feststellte. Will sagen: Es geht ums Geld, um die Sozialsysteme und es geht auch ganz praktisch um die Verpflichtung des Staates, zum Beispiel zur Beschulung von Kindern, deren Unterricht oder Sportunterricht gewährleistet zu sein hat. Es geht um die öffentliche Sicherheit und es geht um all das, was die Bundes-und Landesregierungen und die kommunalen Verwaltungen seit jeher tagtäglich, mal schlecht und mal recht, bewältigen.

Wirtschaftszuwanderung ist ein völlig anderes Thema als Asyl. Und ein Mensch, der vor Krieg flüchtet, ist etwas völlig anderes, als ein Mensch, der als Individuum vor Stasi- Verfolgung flüchtete oder vor Verfolgung in seinem Heimatland heute flüchtet.
Die moralische Komponente des Asyls auf alle Migranten zu übertragen, hieße das Asyl unangemessen zu entwerten.

Um nochmal Sigmar Gabriel zu Rate zu ziehen. Er warnt davor, seine kleinen Leute unter den SPD-Wählern zu vergraulen, die sich von der katastrophalen Migrationspolitik persönlich benachteiligt fühlen. Kein Wunder, er will ja auch aus dem 25 %-Tief seiner Partei raus, was ihm weder bei den Wählern noch bei den Nichtwählern gelingen wird. Jedenfalls nicht 2017.

Was ist ein Mitläufer, Frau Merkel?

Die Migrationspolitik muss befreit werden von der überbordenden Last der Wichtigtuer-Diskurse, die die Gesellschaft im Würgegriff haben. Unter dem Dach des Aufstandes der Anständigen übernehmen immer mehr selbsternannte Warlords die Aufgaben der Meinungs-Säuberungen. Das Strafmonopol des Staates wird selbstherrlich aufgeweicht und die Fingerzeiger kriechen aus ihren Löchern. Und das Schlimme ist, dass sich die Politik nicht entblödet, diese Fingerzeiger selber zu rufen und zu aktivieren. Die mindestens bis vor kurzem von der Union gehassten Antifa-Gruppen sind längst zu deren fünfter Kolonne im Kampf gegen Rechts geworden, das stinkt gewaltig.

Die deutsche Innensicht auf Europa zeitigt sehr fragliche Ergebnisse
Flüchtlinge: Teil 1 - Ist die EU rechtsradikal und fremdenfeindlich?

Katrin Göring-Eckart, die leise tretende Christin der Grünen, nennt Böller werfende und randalierende Heidenauer, die sich gegen die Aysleinrichtung in ihrem Ort sträuben, unter Beifall „Terroristen“. Das allerdings ist eine unchristliche Fehlleistung angesichts mordender, brandschatzender und enthauptender Gruppierungen, die heute zurecht Terroristen genannt werden müssen. Die Maßlosigkeit und die moralische Haltlosigkeit immer noch eins oben drauf zu setzen, um sich selbst zu profilieren, ist nicht akzeptabel. Bedauerlicherweise machen manche Scharfmacher den Eindruck, als hätten sie jeden Realitätsbezug verloren.

Die späte Kanzlerin, die auch insoweit auf dem Aussitzerticket fuhr, fühlte sich jetzt befleißigt, zu Straftaten in Heidenau ihr Statement abzugeben und sie hat gleich den Mitläufer, das „Mitlaufen“ zitiert und angeprangert, das man üblicherweise – und da hat das Ganze eine völlig andere Dimension – bei den Nazis oder den Stalinisten oder den Maoisten verortet. Die Mitläufer, die Merkel hier zitiert, sind allerdings eigentlich immer Mitläufer mit dem System. Das „Mitlaufen“ verortet man normalerweise nicht bei ein paar „Familien mit Kindern“, die mit ein paar Dutzend Krawallmachern gegen Flüchtlinge oder Flüchtlingseinrichtungen mitdemonstrieren.

Diese Menschen, die im klassischen Wortsinne gar keine Mitläufer sein können, da sie gegen die gesamte Republik stehen und von der obersten Bundesregierung persönlich vorgeführt werden, setzt Merkel also unbedacht mit den Mitläufern von menschenverachtenden Regimen gleich. Mitläufer, Täter, die mitlaufen, haben still und heimlich – deshalb der Begriff Mitläufer- Systemvorteile, weil sie mit dem System mitlaufen. Aber ein paar „Familien mit Kindern“, die sich den Gegenwind der Macht der Gesellschaft und von 80 Millionen Bundesbürgern einhandeln, zu verurteilen, weil sie „mitlaufen“ würden, verharmlost und relativiert das gefährliche Mitlauferphänomen in gefährlicher Weise.

Wieder Maß und Mitte finden

Merkel muss ihre Wörter sorgfältiger wählen und nicht populistisch einem Migrationspopulismus hinterher laufen und diesen auch noch anheizen.
Das Flüchtlings- und Zuwanderungsproblem ist den oberen 10.000 über den Kopf gewachsen. Es gibt viel zu viel Armut auf dieser Welt, um die sich die Fluchtindustrie einen feuchten Kehricht kümmert und diese Tatsache entlarvt die falschen Fuffziger, die mit ihrer überbordenden Moral hausieren gehen und für ihre Karriere zu schärfsten Scharfmachereien greifen. Und es gibt den massenhaften Hungertod auf dieser Welt.

Die fortschreitende Dynamik des durch und durch kaputten Mechanismus muss offenkundig werden, um sie zu stoppen: Je ratloser solche Göring-Eckart, aber auch Sigmar Gabriel und Kanzlerin Merkel in der Flüchtlingspolitik werden, desto getriebener scheinen sie zu Feindbildern und Sündenböcken Zuflucht zu suchen. Wie armselig ist das denn, dass sie bei dieser Suche auf ein paar Bürger in Heidenau oder ein anderes Mal in Freital oder irgendwo sonst zurückgreifen und von ganz oben auf ganz unten schießen müssen?

Die Flüchtlings- und Wirtschaftszuwanderungsfrage ist den oberen Zehntausend über den Kopf gewachsen, sie lassen die Kiste einfach laufen und versuchen für sich selber schnell noch das Beste abzustauben. 2015 werden es am Ende wahrscheinlich mehr als 1 Million Flüchtlinge sein, die nach Deutschland kommen. Ab 2016 ff dürften es jährlich noch mehr werden. Und die Weltwirtschaft könnte sich eintrüben, was die Problemlösung nicht vereinfachen würde.

Die öffentliche Verdammung von Rechtsradikalen, tatsächlichen und vermeintlichen, und anderen Bürgern ist nicht die Lösung des Problems. Würde man alle ausgemachten bösen Bürger wegsperren, bestünde das Flüchtlingsproblem 1 zu 1 fort.

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Selbst der Mörder verliert seine Menschenwürde in Deutschland nicht. Das ist eine Errungenschaft des Grundgesetzes. Und jeder dingfest gemachte Täter wird nach deutschem Recht nicht nur als Straffall, sondern zugleich auch als Resozialisierungsfall behandelt. Menschen als aussätzig zu behandeln und ihrer Würde zu berauben, ist Verfassungsbruch erster Güte.

Die oberen 10.000 sonnen sich in ihrer Fürsorge für Flüchtlinge, die sie verbal als rechtlich und moralisch privilegiert behandeln. Sie wärmen sich gleichzeitig an ihrer heldenhaften Bekämpfung eines als allgegenwärtig hingestellten Rechtsradikalismus. Gleichzeitig hört man exemplarisch auch bei Gabriel den Hinweis, dass der weit überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung über die Maßen hilfsbereit und auf Willkommenskultur eingestellt wäre. Die politische Auseinandersetzung mit dem Flüchtlingsthema entspricht keiner demokratischen Debattenkultur mehr, die die Voraussetzung für Demokratie ist. Wenn das Grundgesetz durch eine gefühlte Verfassung ersetzt wird und auf den Augenblick hin, frei nach Gusto zurecht geschustert, handelt es sich de facto um eine regelrechte, mindestens partielle Abschaffung der Verfassung.

Menschen, die sich in einen Hass gegen Ausländer hineinsteigern, ihrerseits medienwirksam mit hoheitlichem Hass zu verfolgen, das ist ein krasser Fall von Mißverständnis des staatlichen Gewaltmonopols. Der Staat und seine Vertreter und auch die Medien haben Menschen nicht ihrerseits zu hassen. Sie können sich mit vorhandenem Hass angemessen auseinandersetzen. Und sie müssen sich mit konkreten Gewalttätern auseinandersetzen und mit dem Terrorismus auf dieser Welt. Die Verfassung verlangt jedoch zu recht Augenmaß.

Wie weit das „Wir-die-besseren-Deutschen-Gefühl“ geht, hat die SPD gerade in erschütternder Weise vorgeführt. Sie hat ihren Vorsitzenden Sigmar Gabriel heftig dafür kritisiert, dass dieser vor ein paar Monaten an einem Gespräch teilgenommen hatte, an dem auch Pegida-Befürworter beteiligt waren. Motto: Das sind schlechte Menschen, mit denen wird nicht geredet.

„Deutschland verrecke“

Demokratie und Meinungsfreiheit beinhalten auch das Recht auf Irrtum und eben auch das Recht der Bürger mit abweichender Meinung, auch mit abweichenden Meinungen, die unsympathisch sind und die alles andere als schön sind, in den politischen Dialog wieder rein zu holen und einzubinden, wie es mit sogenannten Linksterroristen seit Jahrzehnten ununterbrochen geschieht.

Die Standardparolen der Antifa und der Autonomen und der Junggrünen usw. die sagen „Deutschland verrecke“, Deutschland ist Scheiße, Nie wieder Deutschland, Drecksdeutsche – bei genauem Hinsehen volksverhetzende Aktivitäten unterster Kategorie – und die das Ende des deutschen Genoms propagieren, gehören, wie schon gesagt, zum Repertoire einer fünften Kolonne, die neuerdings Teil des System und damit Teil der deutschen Öffentlichkeit ist. Und zu dieser fünften Kolonne gehören dann eben auch die Methoden der Linksradikalen und der Antifa zum Beispiel auf Demonstrationen Molotowcocktails zu werfen, Autos in Brand zu setzen, Steine- und andere Gegenstände zu werfen und viele Schwerletzte, auch schwerverletzte Polizisten, zu erzeugen. Eine Methodik, die ihre Wurzeln bei den Ur-Grünen hatte, die zum Teil mit echten Terrorismus, mit Mord und Toten, ihre Karrieren begründeten. In diesem Zusammenhang erhaltene die hehren Worte wie „Terroristen“ (Göring-Eckart) oder „Pack“ (Gabriel) oder „Mitläufer“ (Merkel) für eine gleichzeitig als Krümelminderheit bezeichnete Schar von Flüchtlingsgegnern einen ganz anderen, weniger schönen Sinn.

Ob es sich bei den mit Gewalt bewehrten Deutschland-verrecke-Parolen, die weit intensiver und systematischer gelebt werden und verbreitet sind, als sie der deutschen Öffentlichkeit von den Medien vorgestellt werden, um die richtige Willkommenskultur für hier neu ankommende Menschen handelt, ist eine Frage, die mit Nein beantwortet werden muss.

Auch die routinierte Nachrichtengebung jeden negativen Bericht über Ausländer oder Menschen mit ausländischen Wurzeln nach Möglichkeit zu unterlassen, weil der Bericht nur Wasser auf die Mühlen der Rechten wäre, in umgekehrter Richtung aber jeden negativen Bericht über Fehlverhalten von Menschen mit deutschen Wurzeln aufzubauschen, von Linksradikalen oder sonst systemkonformen oder nützlichen Tätern abgesehen, muss im Kontext gesehen und kritisiert werden. Jedenfalls ist die hier nur beispielhaft heraus gegriffene Bezeichnung von Menschen als „Terroristen“ oder „Pack“, die ihr „Wutbürgertum“ grenzüberschreitend mit Böllern bewehren, unverhältnismäßig, zumal sich der hoheitliche populistische Hass nicht auf dingfest gemachte Gewalttäter bezieht, sondern auf jede artikulierte abweichende Meinung, auf jeden Protest gegen die Flüchtlings- und Wirtschaftszuwanderungs-Politik.