Tichys Einblick
Das erste, damals noch analoge Facebook waren die Wandzeitungen der chinesischen Kulturrevolution

Die Volksverhexer

Bekenntnisse von allen Menschen in Echtzeit; dazu Hetze, Denunziation und Rufmord in Echtzeit und die Verfolgung der in Ungnade Gefallenen: Das war die Kulturrevolution in China, Maos Kampf gegen alle „Kapitalisten“, „Imperialisten“, „Revisionisten“, gegen die „Bürgerliche Gesellschaft“, gegen alle Traditionen, Religionen, Kulturen - und gegen Rechts. Sie wurde zur Keimzelle der 68er und der Grünen im Westen. Es war eine Volksverhexung. Ein Ungeist, der im Westen über die Massenmedien und Facebook weitergeführt wird und sich heute politische Korrektheit nennt.

Denken Sie, lieber Herr Zuckerberg, an die berühmten Wandzeitungen des wohl effektivsten Völker-und Massenmörders aller Zeiten, Mao Tse Tung, dem Helden der Westlinken, der New Left, dem Vorläufer der 68er und der heutigen Grünen, die vor allem in Amerika und Deutschland entstand. Das Phänomen „Wandzeitung“ wurde das Essential der Kulturrevolution, die Mao Ende 1965 anschob. Und die Wandzeitungsunkultur, die ich hier kurz beschreiben möchte, war die Geburtsstunde, die Ur-Erfindung des interaktiven Netzwerkes mit Echtzeitkomponente. Damals noch, neudeutsch ausgedrückt, auf analoger Basis.

Mao hatte seit seinem berüchtigten Langen Marsch von 1934/35 das große China sukzessive seiner eigenen Partei und seiner eigenen Person unterworfen. 1949 war er am Ziel, er hatte China vereinigt. Bis dahin war der Weg des Paranoikers blutig und grausam, wie man es sich nicht vorstellen mag. Um seine Macht zu festigen, führte er nun eine Säuberungswelle nach der anderen durch, erst gegen die Großbauern, dann gegen die Kleinbauern, gegen die bürgerlichen Schichten und alle die ihm einfielen. 1951 kolonialisierte er Tibet. Müßig zu sagen, dass die alte tibetische Kultur im Laufe dieser Kolonialisierung und der dann tobenden Kulturrevolution nahezu total zerstört wurde. In den ersten Jahren seiner Macht waren bereits ein paar Millionen Menschen ums Leben gekommen. Mit der berühmten Säuberungswelle gegen die Intellektuellen und kritischen Bürger des Landes mit dem Namen „Lasst tausend Blumen blühen“ forderte er schließlich 1957 die Intellektuellen auf, straffrei Kritik an ihm und an seiner Partei zu üben, was 400.000 Intellektuelle mit dem Leben bezahlten.

Überhaupt: Säuberungswellen sind Mordwellen. Menschen, die irgendwelchen Funktionären nicht passen, werden ermordet. Dann verfiel Mao auf den Trichter vermittels sozialistischer Produktionsmethoden („Jedem Dorf sein Hochofen“) die Sowjetunion und gar den Westen in Sachen Industrieproduktion überholen zu wollen. Sein sozialistisches Modell „ Der große Sprung nach vorn“ ( 1958 – 1961) setzte Mao ohne Rücksicht auf Verluste an Mensch und Material durch. Das Ergebnis des großen Sprunges nach vorn – ich rede jetzt nicht von Merkels großem Einwanderungssprung nach vorn, aber ich bleibe hart beim Thema Merkel, möchte nur etwas ausholen – war eine derartige wirtschaftliche Not und Mangelversorgung, dass Millionen von Chinesen, die Zahlen schwanken zwischen 20 – 100 Millionen, elendig verreckten, verhungerten.

Die grausame Kulturrevolution

Den Imageschaden, den Mao davon trug, kostete ihn immerhin die Macht in seiner eigenen Partei. Um diese Macht zurück zu erringen, ersann Mao seine grausame Kulturreform. Ende 1965 bis Mitte 66 ließ er Journalisten und Chefredakteure und Intellektuelle öffentliche Selbstkritik in Zeitungen üben. Das Ziel war definiert: Alle bürgerlichen Reste, die fast 3.000jährige chinesische Tradition, sollten aus der Gesellschaft entfernt werden. Nachdem die Zeitungen nicht genügend Menschen erreichten, setzte er durch, dass in allen Schulen, Universitäten und in den Betrieben nur noch dieser Kulturstreit gelehrt wurde. Schließlich erreichte die chinesische Gesellschaft das Phänomen Wandzeitung. Im Mai 1966 ließ Mao die erste Wandzeitung an der Universität in Peking aufhängen, die alle Studenten aufforderte sich ihres Rektors und des Lehrkörpers und aller Autoritäten zu entledigen.

Von da an wurden alle Menschen im Land dazu aufgefordert, Wandzeitungen, eigentlich eher Wandbotschaften, mit Denunziationen von Autoritäten und allen, die „reaktionär“ oder „revisionistisch“ „kapitalistisch“ „imperialistisch“ oder „rechts“ wären, zu schreiben, handschriftlich zu unterschreiben und gut sichtbar an eine Wand zu hängen. Diese Wandzettel waren nicht nur dafür da, den Menschen die Botschaften des großen Führers Mao auf kostengünstigem Weg — schlechtes Papier, schlechte Druckerschwärze, mieser Tapetenkleister – zu vermitteln, sondern sie dienten dem Zweck öffentlich sichtbar zu kontrollieren, wer die Zeitung liest, wer sie ignoriert, wer sich in Echtzeit an den Denunziationen, die auch in Echtzeit wahrgenommen und verfolgt wurden, beteiligte. Und sie dienten dem Zweck gruppendynamische Prozesse auszulösen, durch welche sich die Menschen gezwungen fühlten, die Zeitungen – sprich die Botschaften – zu lesen.

Es wurde überlebensnotwendig, die Wandzeitungen zu lesen, weil die Menschen nur dadurch erfuhren, wie die neueste Losung der örtlichen „Roten Garden“ oder später der brutalen „Revolutionären Rebellen“ lautete. Diese neueste Losung zu kennen, war deshalb so wichtig, weil das Gebot der Stunde lautete, dass jeder diese neueste Losung, (mit dem Risiko, dass sie am nächsten Tag schon als „reaktionär“ oder „revisionistisch“ gebrandmarkt werden konnte), selber inbrünstig und mit eigenen Worten formuliert verbreiten sollte, sprich selber Wandzeitungen schreiben und aufhängen sollte. Einige Wandbotschaften wurden auch im Radio verbreitet oder als Broschüren verkauft und lösten dann noch mehr Wandbotschaften aus als am jeweiligen Vortag, die dann noch eifriger gelesen wurden.

Der Wandzeitungswahn führte dazu, dass an allen Universitäten, Schulen, aber auch in jedem Geschäft und in den Büros Wandbotschaften hingen. Wegen der Fülle der Botschaften hingen überall Wäscheleinen mit diesen Botschaften in den Büros. Eine Firma, eine Institution, die sich sichtbar daran nicht beteiligte, wäre sofort denunziert und verfolgt worden, ebenso wurde auch jeder einzelne Bürger, der nicht mitgeschrieben, mitdenunziert hätte oder sich nur halbherzig beteiligte, verfolgt und an den Gruppenpranger gestellt.

11 Millionen im Land herumreisende Vollstrecker

Es lastete von Beginn an ein mörderischer Druck auf jedem einzelnen, andere zu denunzieren und die Denunziationen eigenhändig und mit Unterschrift auf die Wandzeitung zu kritzeln. Jeder war aufgefordert, viele Menschen als Systemfeinde oder Feinde Maos zu identifizieren und zu denunzieren. Wer nicht denunzierte, wer sich dem Geschehen entziehen wollte, wurde selbst denunziert. Wer zufällig am Pranger stand, wurde von der Meute solange attackiert, bis er seinen Posten/ seine Arbeit/ sein Studium etc. aufgab, zusammenbrach, öffentlich zugab, eine katastrophal schlechter Mensch zu sein (Kotau) und schließlich entweder von der Meute ermordet oder in unwirtliche Gebiete abtransportiert wurde: Hungergulag und Verbannung auf Chinesisch.

Jeden Tag gerieten neue Menschen an den Pranger, weil man nun auch schriftlich nachlesen und beweisen konnte, was einer ein paar Tage zuvor selber mit Unterschrift geschrieben hatte. Wenn sich also die Losung des Tages plötzlich drehte und von einem Tag auf den anderen alles als verwerflich galt, was eine oder zwei Wochen zuvor propagiert worden war, fiel die Meute über alle her, die kurz zuvor selber die jetzt falsche Losung propagiert hatten. Ein Teufelskreis begann, an dessen Ende zig Millionen Menschen in Ungnade fielen, in unwirtliche Gebiete auf dem Land verbannt oder ermordet wurden.

Mitte 1966 mobilisierte Mao die Rote Garden und später Revolutionären Rebellen, Horden junger Männer und in geringerem Umfang auch Frauen, die zu Vollstreckern wurden. Diese roten Garden terrorisierten die Chinesen, die noch immer bürgerliche Reste in sich hatten in ihren Regionen und zogen schließlich – freie Bahnfahrten wurden ihnen von Mao ausdrücklich genehmigt – aus dem gesamten Land in die Städte und besonders nach Peking und Shanghai, wo schließlich 11 Millionen junge Fanatiker mit Lizenz zur Willkür zu Fuß durch Straßen und Häuser marodierten, in Zeltlagern campierten und das Land terrorisierten: voll fanatisiert mit nichts als dem roten Buch, der sogenannten Mao-Bibel, in der Hand. Tradition war verhasst. Bücher wurden verboten und verbrannt, Kulturdenkmäler eingerissen, im kolonialisierten Tibet wurden über 3.000 Klöster im Zuge der Kulturrevolution zerstört. Die roten Garden stürmten die Wohnungen, verwüsteten, quälten und mordeten.

Diese roten Garden wurden zum Rückgrat von Maos Kulturrevolution, die auch nichts anderes als eine Mordrevolution war. Oder soll man sagen eine Selbstmordrevolution des Volkes? Die Zahl der Toten und der Gequälten ist groß aber nicht wirklich bekannt. Viele zig Millionen Menschen mussten später rehabilitiert werden. Die Denunzianten wurden allerdings nicht dingfest gemacht und belangt. Universitäten, Schulen, Theater und alle Bildungseinrichtungen blieben zehn Jahre lang von 1966- 1976 geschlossen. Leistung, Intelligenz und die Realität waren verpönt. Moral und Wahrheit waren tabu. Die Geschichte des Landes wurde nicht mehr erzählt, die Geschichte selbst wurde in revolutionsnützliche „Tatsachen“ umfunktioniert.

Die Kulturrevolution als Keimzelle der politischen Korrektheit

Das kulturrevolutionäre Denken in Rufmordkategorien erinnert verdammt an die Bundesrepublik 2015. Das mag für denjenigen, der nicht im Thema ist, hart klingen, es trifft indes einen Kern.

Auch der Kampf gegen Rechts, den das Mordregime Mao Tse Tungs führte, erinnert an das aktuelle Geschehen in diesem Land. Ebenso wie der Spruch, dass man die Realität nicht erzählt, weil das nur einem diffusen rechten Feind nützte. Ähnlich, wie man damals in China auf eine diffuse Art irgendwelche seit Jahrzehnten nicht mehr vorhandene „Kapitalisten“ oder ebenso nicht mehr vorhandene „Rechte“ jagte.

Die Kulturrevolution Chinas, die das Vorbild der Linksextremisten der 68er-Bewegung war, die sich scherzhaft, was man so Scherz nennt, „Rote Garden“ oder „Haschrebellen“ nannten, hat den veröffentlichten Raum im Westen nachhaltig bis heute sehr negativ beeinflusst und trotz ungeahnter Medienmöglichkeiten verkrüppeln lassen. Die Kulturrevolution ist der Ursprung der westlinken grünen Bewegung, die das Ganze irgendwie popkommunistisch mit Luxus und Drogen und Rock’n Roll verbrämte. Und die Kulturrevolution ist der Ursprung der politischen Korrektheit, die das Denunziantentum, das geistige Heckenschützentum und das Gedankenpolizistentum anzieht, wie die Motten das Licht.

Auch die in Mode gekommene Masche, dass irgendwer, gelegentlich auch staatliche Stellen oder Medien, irgendwelche Wörter mit irgendwelchen Begründungen zu Indikatoren von „revisionistischer“ oder „rechter“ oder sonstiger Gesinnung erklären und dann einfache Geister ihre Hetzjagden auf unbescholtene Bürger unternehmen, ist heutzutage ein beliebtes, Gesellschaftsspiel. Dazu gehört es auch, Wortbedeutungen und kleine Gedankenkonstrukte assoziativ zu sogenannten Beweisen einer bösen Gesinnung tunlichst rechter Provenienz zusammenzukleistern und dabei en passent oft die Realität in ihr Gegenteil zu verkehren.

„Fluten“

Aktuelles Beispiel: In einer deutschen Zeitung namens Tagesspiegel werden zwei Publizisten (Schriftsteller) für rechtskontaminiert erklärt, weil sie das Wort „Flutung“ oder „fluten“ gebraucht hatten, als Beschreibung der Millionen bereits in Deutschland angekommenen Einwanderer und noch zu erwartenden Einwanderer.

Der durchschaubare, aber immer wieder angewandte Doppeltrick: Den objektiven Tatbestand der Flutung des Landes mit Einwanderern, gemeint ist wohl das absichtsvolle Anwerben, Hereinholen und Versorgen dieser Menschen auf höchstem Niveau in Deutschland, gemeint ist wohl auch das Ingangsetzen der Flüchtlingsströme in der Türkei, im Libanon und anderen Grenzstaaten Syriens wie ungeschehen wegzusabbeln, sprich wie nicht existent zu behandeln.

Und dies in gewohnter Kombi irgendwelche Leute, die im Kontext das Wort „Flutung“ gebraucht haben, mit dümmlicher Oberlehrerei als rechtskontaminiert zu brandmarken, weil das Wort fluten schon in den letzten tausend Jahren von irgendwelchen Leuten benutzt worden sei und irgendwelche tatsächlichen oder angeblichen rechtskontaminierten Leute dieses Wort ebenfalls schon mal benutzt hätten. Ob die Beispiele, so wie sie im Tagesspiegel herausgefieselt wurden, stimmen, ist ungewiss und lohnt nicht der Nachforschung.

Wahrscheinlich sind Wörter wie Flüchtlingsflut der Flüchtlingsströme oder fluten schon x Mal von Leuten aller Provenienzen benutzt worden. Der zum Scheitern verurteilte Begründungsversuch, in diesem Falle eines Tagesspiegelhelden, weshalb das Wort Flutung aus sich heraus überhaupt in den Kategorien links oder rechts relevant sein soll, sind entlarvend. Und was, wenn der Volksverhexer aus dem Tagesspiegel sich permanent auf rechtskontaminierten Internetseiten herumtreibt, während deren Inhalte den von ihm attackierten Journalisten und Schriftstellern womöglich gar nicht bekannt waren? Mir sind sie nicht bekannt. Festzuhalten ist, dass das Wort „fluten“ von den genannten Publizisten per se erst einmal gewiss nur ein Bild und ein Teaser sein sollte, um sich in der Medienflut Gehör zu verschaffen.

„Aber…“

Ein anderes kurzes Beispiel: Irgendein anderer Kleingeist blödelt das Wort „Aber-Nazi“ vor sich hin und alle Volksverhexer springen drauf. Wer das Wort „Aber“ benutzt, Sie haben richtig gehört, wäre verdächtig ein Nazi zu sein. Der Schwachsinn ist selbsterklärend, aber er hat volksverhexende, kulturrevolutionäre Wandzeitungsqualiät a la Mao Tse Tung.

Eine seltsame Anwältin aus eines sonst unbescholtenen Großkanzlei in München verleumdet als Rechtsradikal, wer das Wort „Geschreibsel“ verwendet. Es hat sich eine Volksverhexer-Kaste von Facebook über die Leitmedien bis hin in die Merkelregierung gebildet, die das Volk paralysieren, um es mundtot und damit zugleich auch desinformiert zu machen. Wenn niemand sich traut den Mund aufzumachen, weil er nicht weiß, ob er eine böse Vokabel gebraucht, weil er nicht weiß, welche Vokabeln gerade neu auf irgendeinem Privatindex stehen, ist das große Schweigen vorprogrammiert und damit auch eine allgemeine intellektuelle Verkümmerung, die auch die Aufnahme von Informationen erschwert.

Die Selektionwut der geistigen Heckenschützen und ihre Gedankenkonstrukte sind gefährlich, aber dies ist deutscher Medienalltag. Und es ist auch deutscher Facebook-Aalltag. Mao Tse Tung wäre stolz auf die modernen Wandzeitungen mit ihren geistigen Heckenschützen und Volksverhexern von heute.

Lesen Sie Morgen: Warum Merkel Marc Zuckerberg besuchte.