Tichys Einblick
Bettina Röhl direkt zu dem fragwürdigen Atomabkommen mit dem Iran

Atomdeal mit Iran: Obamas nukleare Appeasement-Politik

Obamas in Lausanne vorbeschlossener Atomdeal macht die Welt nicht sicherer. Im Gegenteil, er birgt die Gefahr das Ziel zu verfehlen und die Situation weiter zu verkomplizieren.

Die Präsidentschaft von Barack Obama neigt sich ihrem Ende. Die außenpolitische Bilanz Obamas ist nicht nur einfach frei von Erfolgen, vielmehr kann sie mit Fug und Recht negativ beurteilt werden. Selbst kleinste Minimalerfolge wie das kleine Tauwetter zwischen Kuba und der USA sind weniger dem Können Obamas geschuldet als vielmehr der Biologie: Fidel Castro liegt nach einem langen Diktatorenleben im Sterben und seine Ideologie verblasst im eigenen Land.




Obama ist Mitinitiator der gescheiterten Jasmin-Revolutionen in den Staaten Nordafrikas und des nahen und mittleren Ostens. Vorlaut, unüberlegt, anheizend und in seiner Selbstüberschätzung, die ihm seine Supporters, die ihn vor sieben Jahren zum neuen Messias ausriefen, regelrecht aufnötigten, hatte Obama auch im Iran viele mutige, junge Regimegegner mit seinem „Yes, we can“ und seinem Change-Gerede angeheizt gegen die herrschende Theokratie anzutreten und sie glauben gemacht, dass die allmächtigen USA sie unterstützen würden. Obama hat sich damals 2009 bekanntlich eine blutige Nase geholt, allerdings blutete nicht seine eigene Nase, sondern es bluteten die Nasen der von ihm im Stich gelassenen Oppositionellen im Iran.

Appeasement-Politik kommt in den Medien des Westens immer gut an, ohne dass groß unterschieden wird, nämlich zwischen einer erfolgversprechender und einer versagenden Appeasement-Politik. Sie sind noch alle da, die heiligen Verehrer ihres heiligen Obama, die die Westmedien 2008 und 2009 ins Obamafieber versetzt hatten. In Bezug auf ihren Präsidenten Obama lecken sie in Gestalt ihrer eigenen Irrtümer immer wieder verschämt ihre Wunden.

Jetzt will Obama seinen bisher grundlos erhaltenen Friedensnobelpreis offenbar nachträglich rechtfertigen. Er macht Druck und will gemeinsam mit seinen Partnern, den vier Vetomächten des UN-Sicherheitsrates (Russland, China, Frankreich, Großbritannien) und Deutschland, am 30. Juni 2015 seinen Atomdeal mit dem Iran vertraglich festmachen. Kurz vor dem Osterwochenende war in Lausanne in der Schweiz schon ein lockerer Vorvertrag zustande gekommen, mit dem Obama sich selber unter Druck setzt seinen Supportern nun auch am 30. Juni einen Atomvertrag mit dem Iran zu liefern. Koste es, was es wolle.

Die Frage stellt sich, ob der Iran ein tauglicher Vertragspartner ist. Dies bestreiten die Gegner des Obama-Deals in Israel, aber auch in den USA selber, wo die republikanische Opposition mehr oder weniger geschlossen gegen Obamas Verhandlungsprodukt ist, das auch von etlichen Demokraten kritisiert wird.

Iranische Anti-Israelpolitik ist eine iranische Anti-Westpolitik

Im Westen ist es Mode geworden, sich gemütlich israelkritisch einzurichten und die aggressive Politik des Iran gegenüber dem jüdischen Staat für etwas sehr Fernes und eigentlich Belangloses zu halten. Dabei wird die iranische Anti-Israelhaltung im Westen fataler-und absurderweise instrumentalisiert, nämlich zum Zwecke der Ablenkung von der Tatsache, dass der Iran eine aggressive subversive und terroristische Politik gegenüber dem gesamten Westen tagtäglich administriert. Die iranische Anti-Israelpolitik ist eine iranische Anti-Westpolitik. Israel ist lediglich der vor der Haustür liegende kleinere Brocken, der zuerst von der Landkarte verschwinden soll.

Die iranische Politik kennt einen Hauptfeind und das sind nicht einmal die Staaten oder die Menschen des Westens, sondern es ist die „Unkultur“ des Westens. Nicht mehr und nicht weniger als das, was den Westen zum Westen macht, ist der vom Iran bekämpfte Feind und insofern liegt auf der Hand, dass der Staat Israel nur eine dem Iran räumlich am nächsten gelegene Außenstelle des Westens ist.
Wer seinem Vertragspartner erklärt, dass er ihn als zu vernichtenden Feind betrachtet, ist auf der nach oben offenen Skala der Vertragsunfähigkeit ziemlich hoch anzusiedeln, aber Obama stellt mit seiner Appeasement-Politik auch nicht den seriösesten Vertragspartner dar.

Wer dem haushohen Sieger des Atomdeals in statu nascendi, dem Iran, ausdrücklich das Recht lässt, besser aktiv zubilligt, seine aggressive Anti-Westpolitik fortzusetzen und den Kritikern seines nuklearen Irandeals in Israel und den USA selber lauthals verkündet, dass auch nach Abschluss seines Deals alle, also auch die atomare Option des Westens gegenüber dem Iran, als ultima ratio offen blieben, disqualifiziert sich als Vertragspartner selbst. Was ist das für eine Art und Weise dem Iran einerseits zu sagen, bitte bitte bitte unterschreib uns, dass Du Deine Atombombenpläne nicht mehr so doll verfolgst, und ihm gleichzeitig außerhalb des Vertrages damit zu drohen, im Falle einer Nichterfüllung des atomaren Nulldeals gegebenenfalls mit allen den USA zur Verfügung stehenden Mitteln auf den Iran losgehen zu können oder zu wollen?

Mit dieser sanften und vom Thema ablenkenden Formulierung, dass den USA und dem Westen im Allgemeinen auch nach Abschluss seines nuklearen Deals mit dem Iran, falls der unartig bleiben oder werden sollte, schließlich alle Optionen offen blieben, offenbart Obama höchstpersönlich, dass es sich bei seinem nuklearen Irandeal im Prinzip um eine Petitesse handelt, mit der die Appeasementwut des Westens besänftigt und seine Bewunderer beruhigt und zufriedengestellt werden sollen.

Der Dauerbuhmann der Westpolitik, Benjamin Netanjahu, hatte bis zuletzt gegen das nun mit dem Vorvertag von Lausanne besiegelte Zustandekommen des Atomdeals gewarnt. Unisono pflichten ihm auch seine politischen Widersacher in Israel lückenlos zu, was Obama zu der Erklärung veranlasste, dass die USA zwar nicht die Macht hätten vom Iran zu verlangen das bestrittene Existenzrecht Israels anzuerkennen, dass dieselben USA aber Israel gegen den Iran verteidigen würden, wenn dieser eine rote Linie in seinem Kampf gegen Israel überschreiten würde. Nur so kann man Obamas Einlassungen sinnvoll interpretieren.

Damit ist man auch schon bei Obamas berühmten roten Linien. Ein schwacher US-Präsident ist ein gefährlicher US-Präsident. Das hat schon US-Präsident a.D. Jimmy Carter bewiesen, in dessen Präsidentschaft der Beginn und der Aufstieg des politischen Islam iranischer Provenienz 1979 begann. Obama setzte Assad eine rote Linie, die er nicht verteidigen konnte, als der Verteidigungsfall tatsächlich eingetreten war, wenn er sie denn überhaupt noch verteidigen wollte. Wenn der Iran ab sofort oder nach Abschluss des Atomdeals erst die kleinen und dann die größeren roten Linien überschreiten wird, was nach allen zur Verfügung stehenden Eckdaten die wahrscheinlichste Entwicklung sein wird, ist sanktionsloses Gezeter des Westens oder Totschweigen des eigenen Versagens vorprogrammiert.




Der Iran hat den Atompoker auf ganzer Linie gewonnen

Der Iran führt die politische Klasse des Westens vor und zwar gekonnt und routiniert. Das muss man anerkennen. Die Aufhebung der Sanktionen, die wegen des iranischen Atomprogramms mühselig vom Westen erlassen wurden, ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit. Die Drohung des Westens, dass die Sanktionen jederzeit wieder neu beschlossen werden könnten, ist die Drohung eines orientierungslosen Papiertigers. Das weiß der Iran. Der Iran weiß auch, dass allein schon die Existenz eines eigenen Atomwaffenprogramms, das als solches bestritten wurde, ein politischer Machtfaktor ohnegleichen war und dass eine eigene Atombombe diesen Machtfaktor ins Unermessliche steigern würde. Anzunehmen, dass der Iran eine eigene Atombombe tatsächlich zum Einsatz bringen wollte und dass darin die Gefahr einer iranischen Atombombe läge, heißt die Führung des Iran maßlos zu unterschätzen und das militärische Geschehen zu verkennen.

Ein atomar bewaffneter Iran würde den Westen viel schneller und eleganter bekämpfen, als er es mit dem Abwurf von Atombomben könnte. In Teheran sitzen keine Selbstmörder an den Schalthebeln. Die Machthaber im Iran möchten ungern von einem atomaren Gegenschlag getroffen werden wollen. Fest steht, dass in Teheran zurzeit die überlegenen Machtpolitiker am Werk sind. Der Atomdeal ist zwar noch nicht im Detail zu Ende verhandelt, aber eine Selbstpräjudizierung des Westens hat es in Lausanne dennoch gegeben. Jede andere Annahme scheint derzeit abwegig. Zwar steckt der Teufel im Detail und Israel fordert nach Lausanne und den Obamaschen Erklärungen das Existenzrecht Israel aus dem Deal heraus zu lassen, jetzt einen Katalog von neuen Bedingungen, aber Obama will offenbar, Detail hin oder her, einen nuklearen Deal mit dem Iran, den er als Erfolg seiner Präsidentschaft ausschlachten möchte.

Der amtierende US-Präsident hat jetzt in seiner unendlichen Bescheidenheit darauf hingewiesen, dass mit dem Iran eigentlich nichts auszuhandeln wäre, weil der Iran seine grundsätzliche Politik, die auch Obama nicht gefällt, ohnehin auf absehbare Zeit nicht zu ändern bereit wäre, dass aber die Region, wenn schon nicht friedlicher, so doch stabiler würde, weil wenigstens der atomare Druck aus dem Kessel genommen würde. Wodurch? Durch seinen Atomdeal, dem er den Iran gerade abgerungen hätte. Stellt sich die Frage: verhindert oder verzögert der Nukleardeal ganz tatsächlich gesehen eine iranische Atombombe oder beschleunigt er deren Bau gar?




Was steht denn nun drin, in dem großen Deal und welches sind tatsächlich die Kontrollen und gegebenenfalls Sanktionen des Vertrages? Wenn der Iran ein paar Zentrifugen zur Urananreicherung, also zum dopen des für Atomkraftwerke geeigneten Urans auf Bombenfähigkeit, stilllegt und bereits vorhandenes angereichertes Uran zum Beispiel verkauft (hoffentlich nicht an Nordkorea) und der Iran ein paar Inspekteure in vertraglich definierte Atomanlagen mehr oder tief hineinschauen lässt und dies alles gegen Aufhebung aller Sanktionen, die gegen die Atomprogramme des Iran gerichtet waren, dann erschließt sich nicht, dass die entsprechenden vertraglichen Regeln ein Fortschritt in Richtung atomare Sicherheit sind:

Die Möglichkeiten des Iran nach dem Atomdeal eigene linientreue Nukleartechniker im Westen schulen und arbeiten zu lassen, auf dem weißen oder schwarzen Markt angereichertes Uran zu kaufen, modernste Zündertechnik zu erwerben und sich auch modernste Transportmittel zuzulegen, steigen. In dem Maße, in dem der Iran sein Öl wieder in Dollars umwandeln kann, steigen auch Ansehen, Macht und die finanziellen Möglichkeiten. Ganz davon abgesehen, dass der Westen dem Charme des Überschreitens der kleinen roten Linien, die es unter Umständen in sich haben, schon im Voraus erliegt.

Die Frage, ob es eine Alternative zu dem Abkommen gibt, die Obama verneint, stellt sich nicht. Die bessere Alternative wäre es weiter zu verhandeln und den Druck weiter zu erhöhen. Der Westen hat keine ernsthafte Gegenleistung des Iran eingefahren. Der Vertrag hat für den Westen keinen Mehrwert, von der Selbstbeweihräucherung westlicher Politiker abgesehen. Einen Vertrag ohne Mehrwert, der im Prinzip nichts ändert, schließt man üblicherweise auch nicht ab. Insbesondere dann nicht, wenn man sich durch den Vertrag selber in Richtung weiterer Zugeständnisse vorverpflichtet.

Der Iran braucht weder eine Atombombe noch Atomkraftwerke

Der Iran braucht weder eine Atombombe noch Atomkraftwerke. Für die nähere und vielleicht auch fernere Zukunft gibt es das iranische Öl und für die Gegenwart und erst recht für die Zukunft gibt es die iranische Sonnenenergie, die ein Riesenverkaufsschlager werden kann.

Mit seinem friedlichen und, wie manche meinen, unfriedlichen Atomprogramm hat der Iran den Westen ganz erfolgreich unter Druck gesetzt und, wie es jetzt scheint, einen ersten gigantischen, politischen Erfolg eingefahren, der den Menschen im Iran auch gebührend verkauft wird. Verdenken kann man es der iranischen Führung nicht: Wer den Westen hasst, holt aus dem Westen raus, was der Westen freiwillig hergibt.
Dass der Atomdeal, so Obamas verkündete Hoffnung, etwas dazu beitragen könnte, den Iran von innen heraus zu moderieren, die prowestlichen Kräfte zu stärken und eine goldene Zukunft nach dem Vorbild im Westen nicht mehr so ganz ernstgenommener westlicher Ideale bewirken könnte, ist realitätsfrei. Wenn es im Iran Demokratiebewegungen, Verfassungsbewegungen gibt, die das Land verändern, dann nicht wegen des Atomabkommens, sondern trotz des Atomabkommens, das den Iran im eigenen Land, aber auch im Westen enorm aufwertet. Es ist ein Selbstgänger, das jede Herabsetzung jedes Risikos atomarer Auseinandersetzungen an jedem Ort der Welt ein Segen für die Menschheit ist, wenn es sich denn um eine Herabsetzung des Risikos tatsächlich handelt.

Wandel durch Annäherung, ein jetzt viel beschworener Spruch, kann es dann geben, wenn die Kontrahenten jeder ein gutes Stück des Weges auf den anderen zugehen. Wenn einer recht einseitig auf den anderen zugeht, dann ist der Begriff der Annäherung denaturiert.