Tichys Einblick
Drei Eingeständnisse

Medien belehren erfolglos

Chemnitz und die Folgen: Medien lernen nicht, weil Ideologen nicht berichten, sondern belehren wollen. Ein Aufruf zur Umkehr.

Symbolbild

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Das erste Eingeständnis: es geht bei der Betrachtung der Ereignisse der vergangenen Woche nicht mehr um Stil, Anstand und Benehmen, wovon doch in dieser Kolumne gemeinhin die Rede gehen soll. Zu oft auf dieser Site sind schon die Auswüchse von falscher, tendenziöser und selbst gestrickter Berichterstattung dargestellt und auch beklagt worden, nahezu täglich tauchen die Protagonisten dieses eindimensionalen Medienbetriebes hier und andernorts auf, auch in dieser Kolumne schon mehrfach des schlechten Stils und mangelnden Anstands geziehen.

Spätestens seit Chemnitz und den Folgen können wir in diesem Zusammenhang Fragen des Benehmens vergessen, die ja ein wahrer Berufsethos eigentlich auch immer implizieren sollte. Es ist nicht schlechter Stil oder rotziges Ethos, der hat geschehen lassen, dass aus Fakten (ein Mensch stirbt durch ein Messerangriff, Menschen versammeln sich, um dagegen zu protestieren) die wilde Phantasie eines entfesselten Nazimobs gemacht hat, der marodierend und Ausländer hetzend durch die Chemnitzer Innenstadt gezogen ist. Es ist eine wohl systemimmanente pawlowsche Reaktion, die in den meisten Redaktionen einsetzt: Bilder anschauen, Hirn ausschalten, prüfen, wohin der mediale Wind weht und in diesem dem Medientrend hinterhersegeln. Und dann die ganze Klaviatur spielen, als Bericht getarnter Kommentar, Bilder vermischen (erst gestern Abend musste sich Karen Miosga in den Tagesthemen eben dafür entschuldigen, ab Minute 3), die tv-gestählten Berufsempörer als Anheizer „interviewen“ usw. Alles bekannt, alles beklagt, nichts ändert sich!

Und eben das ist der Punkt: diese ewig gleichen Abläufe haben nichts mit schlechtem Stil oder Benehmen zu tun, sie sitzen so tief und sind so verankert in den TV-Studios und Redaktionsstuben, dass gute Ratschläge und ernste Analysen fehl gehen müssen. Es ist der sehr deutsche und offenbar nicht auszutreibende Impetus, das „dumme“ Volk belehren zu müssen, ihm sein Urteil quasi vorzugeben, bevor es auf die fatale Idee kommt, sich ein eigenes zu bilden. Gegen Ideologie und ihre Urstände ist die Ratio auf verlorenem Posten, sind alle Fakten, wonach die Leser und Zuschauer in Scharen davonlaufen Makulatur. Was scheren uns Leser und Zuschauer, wir sind in höherer Mission unterwegs.

Zweites Eingeständnis: eigentlich sollte sich kein Kolumnist davon mürbe machen oder gar die Feder aus der Hand schlagen lassen. Und doch hat die letzte Woche deutliche Spuren hinterlassen. Spuren der Verwirrung, der Verstörung, der Verzweiflung. Und viele, viele, denen es ebenso ging: wo sind denn die Beweise für eine Hetzjagd, was zeigen denn die Bilder, warum deckt sich der Polizeibericht nicht mit dem, was aus den Medien schallt? Was reden, senden und schreiben die denn da? Warum werden wir auf einem derart peinlichen Niveau vorgeführt? Und das Gefühl der Ohnmacht gewann die Oberhand: Leute, lasst es, es hat keinen Sinn, die Ideologen in den Anstalten und Redaktionen werden es nicht begreifen, dass sie in Wahrheit das Geschäft derer betreiben, die sie vorgeben zu demaskieren.

Drittes Eingeständnis: so einfach dürfen wir es uns nicht machen, Fahnenflucht war immer Feigheit und nicht Courage! Also das in diesem Feld ohnehin nicht mehr zählende gute Benehmen vergessen, die Feder wieder in der Hand und denen aufschreiben, was ihr absurdes Ideologie-Ritual für Folgen zeitigt.

Ihr Tauben und Blinden: seht Ihr nicht, dass die Konfrontation zwischen Medien und ihren Konsumenten zu einer demokratie-gefährdenden Zuspitzung führt? Dass Ihr genau damit das Geschäft der Extremen betreibt? Wollt Ihr das?

Sehr Ihr nicht, dass Euch keiner mehr zuhört und zuseht, weil Ihr Euch bereits im denkwürdigen Zustand der kompletten Lächerlichkeit befindet? Und dass diesen Zustand diejenigen, die Ihr eigentlich kontrollieren solltet, schamlos ausnutzen? Wollt Ihr das?

Merkt Ihr nicht, dass Belehrung und Bevormundung mit öffentlich-rechtlichem Anstrich das genaue Gegenteil des offenbar Beabsichtigten erzeugt? Wut, Hass und zunehmende Gewalt gegen Journalisten? Wollt Ihr das?

Kommt zur Besinnung, dieses Land ist gespalten genug!