Tichys Einblick
Außer in Deutschland

Weltweit boomt die Kernenergie

Beim Klimagipfel in Dubai haben sich 22 Staaten für einen massiven Ausbau der Kernenergie ausgesprochen. Deutschland nicht. Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet damit, dass die Atomstromerzeugung weltweit bis 2025 einen historischen Höchststand erreichen wird. Von Wolfgang Kempkens

Kraftwerksblock 1 des im Bau befindlichen Kernkraftwerks Akkuyu in der türkischen Stadt Buyukeceli, 26.04.2023

IMAGO / SNA

Beim Klimagipfel in Dubai Ende vergangenen Jahres hat sich eine Allianz von 22 Staaten, darunter China, Kanada, Frankreich und Großbritannien, für einen massiven Ausbau der Kernenergie ausgesprochen. Auch wenn Deutschland nicht dabei war: Auch hierzulande wird der Ruf nach einer Wiederbelebung der Kernenergie wieder hörbar. Dass Union und FDP nicht lauter rufen, liegt daran, dass sie sich damit in die Gesellschaft der AfD begeben würden, die die Rückkehr zum Atomstrom fordert.

Dabei ist diese Allianz in guter Gesellschaft. Weltweit boomt die Kernenergie. Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris rechnet damit, dass die Atomstromerzeugung bis 2025 einen historischen Höchststand erreichen wird. Bisher war 2021 das Rekordjahr. Das sei wichtig, meint IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol, denn „der Energiesektor verursacht derzeit mehr CO2-Emissionen als jeder andere in der Weltwirtschaft. Daher ist es ermutigend, dass das schnelle Wachstum der erneuerbaren Energien und ein stetiger Ausbau der Kernenergie gemeinsam dabei sind, den gesamten Anstieg der weltweiten Stromnachfrage in den nächsten drei Jahren zu decken.“ Vermutlich sogar deutlich mehr als nur den Anstieg. Bis 2050 erwartet die IEA, dass sich die installierte Leistung im Kernenergiesektor auf 916 Gigawatt (GW) mehr als verdoppelt. Die Allianz von Dubai geht mit gut 1100 GW noch darüber hinaus.

Abschlusserklärungen
Arabische Energiekonferenz in Doha versus Klimagipfel in Dubai
Laut der Studie „Electricity 2024“ der IEA, die Prognosen für Stromnachfrage, -angebot und CO2-Emissionen bis 2026 liefert, wird der weltweite Stromverbrauch in den Jahren 2024 bis 2026 um jährlich rund 3,4 Prozent ansteigen. Etwa 85 Prozent des Anstiegs wird von außerhalb der traditionellen Industriestaaten verzeichnet, vor allem in China, Indien und Ländern in Südostasien. Allerdings dürfte die rekordverdächtige Stromerzeugung aus emissionsarmen Quellen – darunter erneuerbare Energien wie Solar-, Wind- und Wasserkraft sowie Kernkraft – die Bedeutung fossiler Brennstoffe bei der Stromversorgung von Haushalten und Unternehmen verringern. Es wird erwartet, dass emissionsarme Quellen – zu denen die IEA auch die Kernenergie zählt, ebenso wie die Europäische Union – bis 2026 fast die Hälfte der weltweiten Stromerzeugung ausmachen werden, gegenüber einem Anteil von knapp 40 Prozent im Jahr 2023.

Der Zuwachs an Atomstrom liege daran, dass die Produktion in Frankreich steigt, mehrere Kraftwerke in Japan wieder in Betrieb genommen werden und neue Reaktoren in vielen Märkten, darunter in China, Indien, Südkorea und Europa, den kommerziellen Betrieb aufnehmen. So soll Block 1 von dem türkischen Kernkraftwerk Akkuyu an der Mittelmeerküste noch in diesem Jahr den ersten Strom liefern. Gebaut wird es vom russischen Unternehmen Atomstroiexport. Es sollen vier Blöcke vom Typ WWER 1200 werden, die eine Leistung von jeweils 1200 Megawatt haben. Mag sein, dass auch Frankreich seinen jüngsten Block in Flamanville, der viele Jahre Verspätung hat, noch 2024 in Betrieb nehmen kann.

Die IEA geht davon aus, dass die weltweite Kernenergieerzeugung im Jahr 2026 im Vergleich zu 2023 um fast zehn Prozent höher ausfallen wird. Die Agentur erwartet, dass zwischen 2024 und 2026 weltweit weitere 29 GW an neuer Kernenergiekapazität ans Netz gehen. Asien bleibt der Haupttreiber des Wachstums, wobei der Anteil der Region an der weltweiten Kernenergieerzeugung im Jahr 2026 voraussichtlich 30 Prozent erreichen wird.

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