Tichys Einblick
KONFEDERACJA IM UMFRAGEHOCH

Von der Leyens polnische „Demokratiefeinde“

Die polnische Oppositionspartei Konfederacja befindet sich im Umfragehoch. Sie selbst bezeichnet sich als konservativ, bürgerlich und wirtschaftsliberal. Aus der Sicht Brüssels gehört sie zu den „Todfeinden der europäischen Demokratie“. Was macht sie erfolgreich?

IMAGO / Eastnews

Nachdem die Europäische Volkspartei (EVP) Ursula von der Leyen zur Spitzenkandidatin für die Europawahl nominiert hatte, stellte die EU-Kommissionschefin eine Liste vermeintlicher „Demokratiefeinde“ zusammen, die sie nun bei jeder Gelegenheit vorträgt. Die spanische VOX, der französische Rassemblement National sowie die deutsche AfD seien allesamt Parteien, die das System der parlamentarischen Demokratie „sabotieren“ wollen, um gesellschaftliche Mehrheiten von der „Notwendigkeit eines Umsturzes“ zu überzeugen.

Auch in Polen machen „rechtsextreme Gruppierungen“ erhebliche Geländegewinne, meint von der Leyen und verweist auf die „besorgniserregenden“ Umfrageerfolge der liberal-konservativen Oppositionspartei Konfederacja (Konföderation). Ihrem Parteilenker und stellvertretenden Sejmmarschall Krzysztof Bosak kann dies nur recht sein: Seitdem die EU-Kommissionspräsidentin bei ihren Wahlkampfauftritten ihn und seine Gefolgsleute immer wieder als unversöhnliche „Todfeinde“ der Demokratie bezeichnet, darf er sich daheim erneut über zweistellige Umfragewerte freuen. „Ursula von der Leyen hat für die Konfederacja die beste parteipolitische Werbung gemacht, die sich Bosak nur erträumen kann“, schreibt das konservative Wochenmagazin „Najwyższy Czas!“ („Höchste Zeit!“).

Unverkennbar ist bei dem neuen Deutungsangebot von der Leyens eine Umwertung bzw. Entdämonisierung der bis Dezember 2023 regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die sich selbst als Bollwerk oder Schutzburg europäisch-christlicher Kultur definiert, in Brüssel allerdings stets als Schandfleck im „demokratischen“ Europa betrachtet wurde. Die EU-Kommission hat den damaligen polnischen Premier Mateusz Morawiecki wiederholt darauf hingewiesen, er „hindere“ andere europäischen Partnerregierungen durch Blockadeversuche an konstruktiver Politik. In Wirklichkeit hatte er die meisten Entscheidungen der Europäischen Union mitgetragen. Und nachdem der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk vor vier Monaten die Konservativen entmachtet hat, scheint die PiS sowieso ihren Schrecken verloren zu haben. Die Partei von Jarosław Kaczyński rangiert jedenfalls nicht mehr ganz oben auf der von der Kommissionschefin entworfenen „Liste der Demokratiefeinde“. Ein neues Feindbild musste also her, wobei der Ruf der EU-kritischen Konfederacja hervorragend in die Argumentationswünsche der Brüsseler Beamten passt.

Zum neuen „Krebsgeschwür Europas“ wurde die Konfederacja bereits kurz nach dem Machtwechsel im Dezember auserkoren. Der Abgeordnete Grzegorz Braun hatte am Rande einer Parlamentssitzung mit einem Feuerlöscher die Lichter auf dem jüdischen Chanukka-Leuchter im Foyer des Sejms gelöscht. Diese Tat hatte weltweit Empörung ausgelöst und der neue Premier Donald Tusk hatte auf Anhieb einen geeigneten Feind gefunden. Die Chefetage der Konfederacja hat sich von Braun rasch distanziert, er wird die Partei früher oder später verlassen. Auch der inzwischen 81-jährige Janusz Korwin-Mikke, der für regelmäßige Skandale und verbale Entgleisungen sorgt, wurde bereits zum Parteiaustritt gezwungen. Seinen Platz im Parlament nahm die zu dieser Zeit hochschwangere Ehefrau von Krzysztof Bosak ein, die zu erklärten Abtreibungsgegnern gehört. Dies entpuppte sich als ein marketingpolitischer Volltreffer. In Zeiten, in denen Tusks linksradikale „Gleichstellungsministerin“ Katarzyna Kotula eine Anleitung zum Einsatz von pharmakologischen Abtreibungen veröffentlicht, sind die lebensbejahenden Sejmreden Karina Bosaks ein wahrlicher Segen. Seitdem verzeichnet die Partei einen deutlichen Mitgliederzuwachs.

Die Konföderation ist keine homogene Partei, sondern vereint in ihren Reihen Wirtschaftsliberale, Eurokritiker und Monarchisten. Es werden einige Schnittmengen mit der PiS erkennbar, zumal was das konservative Familienbild sowie die starke Rolle der katholischen Kirche angeht. In Wirtschaftsfragen indes positioniert sie die Partei von Krzysztof Bosak und Sławomir Mentzen liberal, kritisierte Kaczyński wiederholt für zu hohe Sozialausgaben. Damit machte sie sich vornehmlich bei jungen Unternehmern, Managern und Studenten beliebt. Wie lassen sich die jüngsten Umfrageerfolge der Konfederacja außerdem noch begründen?

In Polen wird eine als alternativlos ausgegebene EU-freundliche Politik betrieben, die das Verlangen nach Alternativparteien anwachsen lässt. Die symbolpolitischen „Bittprozessionen“ der EU-Kommission, die das befürchtete Übel abwehren sollen, scheinen die Konfederacja sowie ihre Wähler nur noch mehr zu beflügeln. Denn aus der Sicht Brüssels wird jeder, der sich erdreistet, die törichten Klima- und Umweltschutzgesetze der EU auszubremsen oder deren großmannssüchtige Migrations- oder Eurozonenpolitik zu hinterfragen, prompt zu einem „Putin-Freund“ degradiert. Dass die rot-grünen Zombies zu immer „markigeren“ Tönen und noch größerem semantischen Chaos fähig sind, zeigen die letzten Ereignisse in der belgischen Hauptstadt, als die Polizei sich anschickte, eine Konferenz der konservativen Elite Europas aufzulösen und den Eingang des Tagungsortes zu verbarrikadieren.

Die Konfederacja prangert diese Fehlentwicklungen in der Europäischen Union zutreffend an, insbesondere das bisher nicht gekannte Ausmaß institutioneller Korruption, das die selbsternannten „Päpste Europas“ zum Wuchern gebracht haben. Unter jenen „Päpsten“ finden sich auch linke EU-Abgeordnete, die seit Jahrzehnten die Gasgeschäfte mit Russland befürwortet und vorangetrieben haben. Dies spielt aber augenscheinlich keine Rolle mehr: Jetzt gehören sie zu dem erlauchten Kreis der „Putin-Feinde“, der konservative Politiker in Polen willkürlich in Zusammenhang mit dem Kremlchef bringen darf.

Es ist schon erstaunlich: Ausgerechnet die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die zwischen 2013 und 2019 als Bundesverteidigungsministerin diverse Rüstungsprojekte vor die Wand fuhr, wirbt nun für eine Europa-Armee, die einen Grad der Integration und des Föderalismus voraussetzt, über den die Europäische Union nicht verfügt. Auch diese Frage wird allenfalls symbolpolitisch simuliert, nicht aber realpolitisch angegangen. In dem Fall ist das angestrebte Projekt schlechtweg nicht realisierbar, doch in vielerlei anderen Bereichen erweist sich passive Symbolpolitik und bequemes Zuschauerverhalten als fatal.

Im Kampf um die nötige Unterstützung kommen Jarosław Kaczyński die Knüppel aus dem eigenen Lager natürlich eher ungelegen, aber dessen einstiger Koalitionspartner Suwerenna Polska (Souveränes Polen) stieß schon immer in dasselbe Horn wie die Konföderation. Der frühere Justizminister Zbigniew Ziobro hat dem damaligen Regierungschef Mateusz Morawiecki mehrmals angekreidet, dass dieser zu halbherzig gegen die EU vorgegangen wäre und allzu viele ihrer Bedingungen erfüllt hätte. Dabei sei sie zu keinem Zeitpunkt von ihren Umsturzplänen in Warschau abgerückt. Er hatte recht, wenngleich viele der als „Politikexperten“ getarnten PiS-nahen Philosophen, die tagtäglich als wirkungslose Haltungszeiger in den sozialen Medien fungierten, diese Warnungen ignorierten.

Vielleicht wäre es weise, die eigenen Argumente auch einmal erkundend zu hinterfragen und zumindest versuchsweise alle verfügbaren Deutungsschlüssel heranzuziehen? Gelegentlich reicht es schon aus, auf einige widerstreitende Interessenslagen hinzuweisen. Solange wir aber einen selbstgefällig-herablassenden Zug in den Aussagen vieler PiS-Politiker über die Konfederacja beobachten, darf sich die EU-Kommission weiterhin daran erfreuen, dass sie ihre „europäische Kulturleistung“ fortführen darf. Es muss auch nicht die Sache der Polen sein, was sie selbst als „europäisch“ begreifen wollen. Im Zweifelsfall sagt es uns Frau von der Leyen. Sie würde gewiss glücklich sein, wenn in einer multikulturellen Migrationsgesellschaft östlich der Oder eine rein polnische Kultur gar nicht mehr fassbar wäre. Eine andere Lösung träfe auf ihre schroffe Ablehnung. Wie ist es eigentlich um ihre eigene Kultur bestellt?

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