Tichys Einblick
Visegradstaaten kritisieren Italien

Die Migrationspolitik der EU ist ideenlos und fahrlässig

Die neue Koalitionsregierung in Italien erfüllt die Wünsche der EU und macht Salvinis Maßnahmen gegen Massenmigration rückgängig. Dafür erntet sie den Missmut der früheren Verbündeten in Ungarn und den Visegradstaaten.

Dursun Aydemir/Anadolu Agency via Getty Images

Ungarn und die Visegradstaaten, vereint durch den Willen zur Zurückweisung der Massenmigration, weinen der alten italienischen Regierung um Matteo Salvini einige Tränen nach.

Und es sind wahrlich keine Krokodilstränen, wenn Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán und dessen Außenminister Peter Szijjarto unisono und aufrichtig meinen, „es sei sehr bedauerlich“, dass die neue italienische gelbrote Regierung, und das auch noch unter der Leitung Giuseppe Contes, die ehemals effektive Sicherheitspolitik Salvinis der „geschlossenen Häfen“ lockern, wenn nicht gar aufgeben wolle. Das sei einfach fahrlässig und nicht zum Wohle Europas.

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Nachdem abermals 82 Migranten, wieder fast ausschließlich Männer, vom NGO-Schiff Ocean Viking an Land durften, wurde viel Kritik laut. Nicht nur aus Ungarn, sondern von vielen Sizilianern und auch Bürgermeistern. Lampedusa stehe vor dem Kollaps, man wisse gar nicht wohin mit den von den NGO-Schiffen gebrachten Migranten, sowie mit denen, die in Booten aus Tunesien und Algerien im Schatten der NGO-Schiffe an den Küsten an Land gingen.

Momentan zeigt sich nur eindeutig, dass die EU unter der künftigen Leitung von Ursula von der Leyen Dinge zu beschließen versucht, noch ehe sie überhaupt öffentlich diskutiert und vom EU-Parlament abgesegnet wurden. So als entschieden nur noch Deutschland und Frankreich sowie Luxemburg  (Juncker mischt ja noch mit), was für Europa gut sei – und dazu gehört wohl auch eine Massenmigration, die faktisch unkontrolliert ist. Nein, diese EU und speziell Deutschland laden offenherzig ein, ohne die gesellschaftspolitischen Strukturen dafür zu schaffen.

Ausbaden darf es einmal mehr Italien. In dem Fall die neu installierte Regierung, in der vor allem die italienischen Sozialisten der PD Salvinis Gesetze kippen und halb Afrika aufnehmen möchten, wie es derzeit scheint. Und Conte? Der Premier in der Halle der Macht möchte der EU gefallen.

Auffallend zurückhaltend bleibt ausgerechnet Horst Seehofer. Lieber lädt der Bayer 25 Prozent der ankommenden Migranten nach Deutschland ein, als wie noch vor zwei Jahren, bessere Kontrollen am Brenner zu fordern, wenn den nicht gar zu schließen. Seehofer sei nun vollends umgefallen, werfen Salvini und seine Liga ihm vor.

Die Ungarn, von Merkels Deutschland enttäuscht bis angefressen ob deren Deutung der September-Tage anno 2015, bleiben hart. Szijjarto, der Außenminister, spricht Klartext: „Nachdem sie Massen illegaler Migranten aufgenommen haben, wollen sie diese auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verteilen“, attackiert Szijjarto und versichert der EU, dass Ungarn seine Grenzen auch weiterhin verteidigen werde.

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(Außen-)Politik kann mitunter hart sein, im Austeilen wie im Einstecken. Man muss sich klarmachen: Während Außenminister Heiko Maas sich der rechten Szene annimmt und das Gebrüll eines deutschen Musikers lobt, der seine Konzertbesucher aufpeitscht, regeln seine Kollegen die Massenmigration. Maas träumt derweil immer noch von einem bunten Deutschland, während das wirkliche durch die täglichen Gewalttaten männlicher Migranten längst trist und grau wirkt.

Jedenfalls wollte Italiens neuer Außenminister Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung, der früher nie und nimmer mit der PD regieren wollte, Ungarns Schelte nicht auf sich sitzen lassen: „Es ist recht einfach, den Souveränisten zu geben, mit den Grenzen der anderen …“. Unrecht hat er zwar nicht, nur, wer hält denn Di Maio und Conte davon ab, die Gesetze weiterhin eins zu eins umzusetzen? Etwa die Angst vor einem Krach innerhalb des Kabinetts, wo sich die PD als Menschen- und Weltenretter sieht, ohne Vernunft? Oder ist es der Druck der EU?

Schwer zu sagen. Es scheint einen (un)durchsichtigen Pakt zu geben, was diese Migration aus Afrika betrifft, vorwiegend von Männern, häufig Analphabeten ohne jegliche Qualifikation. Diese Massen von Migranten sollen also verteilt werden, und wenn eine Nation dazu nicht willig ist, sollen horrende Strafzahlungen her, hört man aus der EU. Also, Heiko Maas‘ Vorschlag hatte eher den Ton der Freiwilligkeit, damals auf den Konferenzen von Helsinki und Paris (als Salvini einmal bewusst wegblieb). Laut Maas und Macron hätten sich schon 15 Nationen freiwillig gemeldet. Wahrscheinlich hatten beide Deutschlands Städte und Gemeinden, die sich als sichere Häfen darstellen, mitgezählt.

Flüchtlingshilfe, das betonen auch Konservative wie Salvini immer wieder, sei eine humanitäre Aufgabe, wenn wahre Bedürftige profitieren würden – doch diese kommen mit den NGO-Schiffen seltenst an. Die Todeszahlen der Ertrunkenen im Mittelmeer gingen unter Salvini um 90 Prozent zurück. Doch das wird ignoriert. Kosten wurden eingespart (in Italien berechnet man 42,- Euro pro Tag und Flüchtling). Das kam der Allgemeinheit zu Gute. Polizei, Ambulanzen, die Schulen und Altenheime profitierten.

Die Verstimmung zwischen Ungarn und Italien zeigt: Die EU vereint nicht die Nationen, sondern führt durch weiteres Moralisieren zur Spaltung. Ähnlich wie das auch die Bundesregierung mit der deutschen Gesellschaft tut.

Noch einmal: Wenn also Nationen wie Ungarn und andere sich aus guten Gründen weiterhin weigern, Migranten aufzunehmen, um sich nicht Probleme wie in Deutschland zuzumuten, dann sollen sie von der EU sanktioniert werden. Das mutet unfair und undemokratisch an. Aber immerhin kann man die Argumentation verstehen.

Nicht beantwortet haben die EU-Politiker, die Brüsseler Kommissare und Beamten allerdings, was eigentlich geschehen soll, wenn die zugewiesenen Migranten nicht in den Ländern bleiben, in die sie vermittelt wurden. Wenn sie sich wieder auf den Weg nach Österreich, Deutschland (Lieblingsziel) oder Schweden aufmachen? Wie will man solche Reisende eigentlich aufhalten oder gar  zurückführen?

Die EU hat keine umsetzbaren Ideen und wirkt, mit Verlaub, in der Migrationsfrage gefährlich naiv.

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