Tichys Einblick
Schleichende Übernahme

Die Republikaner im Schatten Donald Trumps

Ein letztes Mal haben die Republikaner mit Nikki Haley versucht, eine Kandidatin der Vor-Trump-Ära aufzustellen. Doch die neue Realität sieht anders aus: die Einwanderungsfrage, Auslandseinsätze und der Kulturkampf von links beschäftigt die Wähler. Trumps Einfluss auf die Partei wächst. Von Georg Menz

IMAGO / UPI Photo
Im Vorlauf der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Herbst wächst der Einfluss Donald Trumps auf die Partei der Republikaner: zwar schleichend, aber stetig. Mit der Platzierung als neuen republikanischen Sprecher des Repräsentatenhauses Mike Johnson ist Trump einen guten Schirtt weiter avanciert. Auch die anstehende Ablösung des einflußreichen Senators Mitchell McConnell, der im Senat den Vorsitz der Republikaner jahrelang angeführt hat und unlängst recht überraschend seinen Pensionseintritt im Herbst bekanntgegeben hat, dürfte Trump in die Karten spielen.

Innerhalb der Republikanischen Partei finden erhebliche Richtungsstreitereien statt. Die Partei stellt zwar deutlich ihre innere Zerrissenheit zur Schau: gleichwohl gilt aber, dass Herr Trump von seinem Anwesen in Florida aus erheblichen Einfluss auf die Partei ausübt. Gleichzeitig hat er alte und neue ideologische Weggefährten um sich geschart. Ein ganz so unbedarftes Team wie anno 2016 wird also im Falle einer Regierungsübernahme nicht an den Start gehen: unter anderem steht Stephen Miller, der konservativ ausgerichtete Berater in Sachen Einwanderung, bereits Gewehr bei Fuß.

Konkret steht zur Disposition, ob sich die Partei im Präsidentschaftswahljahr hinter den außenpolitischen Kurs der Biden-Regierung stellt oder dezidiert eine oppositionelle und isolationistischere Haltung einzunehmen gedenkt. Hinter den Kulissen geht es um die nach wie vor ungebrochene Tiefenwirkung von Donald Trump und der durch ihn verkörperten Neuausrichtung der US-amerikanischen Außenpolitik auf der einen Seite und, auf der anderen, die mittigeren Parteimitglieder, denen der zunehmend aggressivere Kurs der Biden-Regierung in der Außenpolitik gegenüber China und Rußland keineswegs ungelegen kommt.

Wohin geht die Reise? Außenpolitisch vertritt Trump weiterhin eine neo-isolationistische Grundausrichtung, die in der Republikanischen Partei historisch gesehen eine gewisse Sympathie genießt, von der jedoch ebenso oft, unter Reagan und insbesondere unter Busch jr. stark abgewichen wurde. Als Junktim mit der Innenpolitik gilt die vom konservativen Journalisten Tucker Carlson polemisch zugespitzte Frage: warum verteidigen die USA die Grenzen der Ukraine, nicht aber die eigenen?

Tatsächlich hat sich durch die Revision der konservativeren Grenzkontroll- und Asylpolitik die Situation an der Südgrenze von einer angespannten in eine katastrophale verwandelt. Die Biden-Regierung schaut plan- und tatenlos zu, während seit 2021 mehr als 2,3 Millionen Einwanderer die Grenze überquert haben: die allermeisten davon keineswegs Mexikaner, sondern Einwanderer aus aller Welt, die bei Einreise Asyl beantragen und aufgrund der völligen Überforderung der Behörden Vorladungen zu Anhörungen in bis zu zwei Jahren erhalten.

Die Parole America First ist von Trump und seinen Anhängern, die nach Schätzungen mindestens ein Drittel der potentiellen Wähler der Partei ausmachen, im Parlament allerdings deutlich weniger, als Rückbesinnung auf die anstehenden Aufräum- und Modernisierungsanstrengungen im eigenen Land zu verstehen und keineswegs als Kampfansage. In diesem Sinne ist auch die provokant formulierte Forderung an die europäischen Verbündeten einzuordnen, mehr eigenes Steuergeld in die Landesverteidung zu investieren.

Eine militärische Verlängerung des Konfliktes in der Ukraine steht hingegen nicht im Interesse der USA. So ist auch die strikte Haltung der Trump-Fraktion zu interpretieren, eine etwaige Unterstützung der Ukraine nicht nur deutlich im Umfang zu reduzieren, sondern eben auch an eine Aufstockung des Budget-Postens in Sachen Grenzsicherung zu koppeln. Trump fordert weiterhin, eine solche Unterstützung wenn überhaupt in Form eines Darlehens auszuzahlen. Im Kongress ist diese Position unter anderem durch den Freedom Caucus rund um Bob Good repräsentiert, der sich aus der paläokonservativen Tea Party-Bewegung der 2000er Jahre speist, also keineswegs selbst geschlossen hinter Trump steht. Die Kritik an der Ukraine-Hilfe wird im Senat von den meisten republikanischen Senatoren unterstützt, unter anderem auch von Lindsey Graham aus Süd-Carolina, der eigentlich eine dezidiert rußlandkritische Position vertritt.

Innenpolitisch steht die Trump-Fraktion für eine klar konservative Position in den innenpolitischen Kulturkämpfen in Sachen Geschlechtsidentität, „Rassenbeziehungen“, Homosexualität, und diesbezüglichen Lehrplänen in den Schulen. Mit der Forderung nach einer nachhaltigen Investition in die teils recht marode Infrastruktur, insbesondere im Hinterland, ist indes für Trump und seine Unterstützer 2024 nicht mehr ganz so viel Terrain zu gewinnen wie noch 2016. Zum einen sind die oft eher schlecht als recht instand gehaltenen Brücken, Straßen, Flughäfen und Autobahnen formaljuristisch zunächst die Verantwortung der kommunalen Behörden und der Bundesstaaten. Zum anderen hat Bidens Inflation Reduction Act von 2022 unter anderem auch eine Modernisierung der Infrastruktur anvisiert, zumindest in den Bereichen öffentlicher Nahverkehr und Ladestationen für Elektro-Autos. In dieser Frage lässt sich also weit weniger Stimmzuwachs anvisieren: ganz im Gegenteil zur Einwanderungsproblematik, die geradezu unter den Nägeln brennt.

Gegen die isolationistische Ausrichtung der Trump-Unterstützer stehen all diejenigen, die von Trump gerne als „nur der Bezeichnung nach Republikaner“ („Republican in Name Only“ oder RINO) verspottet werden. Im Senat unterstützten zuletzt immerhin 22 Senatoren die vollumfängliche Finanzspritze für die Ukraine. Der Abgeordnete Brian Fitzpatrick, führt dabei Argumente wie die Zuverlässigkeit und Beständigkeit der US-amerikanischen Außenpolitik ins Feld; sowie die angebliche Notwendigkeit, gegenüber den Russen deutlich Zähne zu zeigen. Auch Mitchell McConnell, unterstützt diese Position und macht aus seiner Ablehnung Trumps keinen einen Hehl. Andere, wie der Senator Todd Young, verweisen auf die positiven binnenkonjunkturellen Effekte, die entsprechende Auftragvergabe an die amerikanische Rüstungsindustrie zur Folge hätten.

Der Rumpf der Republikaner, der an den Positionen der Partei vor Trumps Amtszeit festhalten möchte, sieht sich indes mit der Herausforderung konfrontiert, dass unter den eigenen Wählern der milliardenteure Ukraine-Konflikt deutlich an Unterstützung verloren hat. Generell ist eine Re-adjustierung auf die Vor-Trump-Ära, für die stellvertretend die Kandidatin Nimirata Nikki Haley steht, wohl nur bedingt breitentauglich. Mit dem Versprechen niedrigerer Steuern, gleichzeitig aber immer weiterer kostspieliger Militäreinsätze, einer liberalen Einwanderungspolitik und konservativeren Regelungen bei Reizthemen wie der Abtreibungsfrage lassen sich nicht nur die eingefleischten Trump-Anhänger schlichtweg nicht mehr einfangen: auch in der Mitte und ein wenig links davon kann man kaum mehr einen Wähler hinter dem Ofen hervorzulocken.

Trumps Strategie war, die vergessenen und abgehängten Wähler aus den Binnenstaaten und nicht zuletzt unter der weißen Arbeiterschicht an die Urnen zu bringen, und zwar mit einer Mischung aus Patrotismus, Isolationismus, Repositionierung zur Mitte in Sachen Einwanderung und einer Prise Reaganscher Steuerentlastungen. Das alles kam zunehmend auch unter nicht-weißen Wählern gut an, zumindest aber bei den Latinos, während sich die traditionell der Demokratischen Partei nahestehenden Schwarzen nur mühsam als Trump-Unterstützer rekrutieren lassen. Eine Wiederbelebung der Partei der Bush jr.-Ära hingegen, die dem etablierteren und mittigeren Flügel der Partei vorschwebt, scheint schlicht an der Realität der politischen Mehrheitsverhältnisse und dem Wahlverhalten vorbeizuzielen. Trump ist aber, jenseits seiner Unterstützer und Sympathisanten, eine schillernde und polarisierende Figur, die glasklar außerhalb des eigenen Kernsegments geradezu den Demokraten Wähler in die Arme treibt und das trotz eines miserablen eigenen Kandidaten, der allerdings noch immer, dann aber im Hauruckverfahren ausgetauscht werden könnte.

Das vergleichsweise schlechte Abschneiden Haleys bei den Vorwahlen dürfte denn auch zu neuer strategischer Ausrichtung innerhalb und jenseits des amerikanischen Kongresses geführt habe. Gewiss: in einigen der Bundesstaaten, in denen auch nicht als Republikanber registrierte Wähler gleichwohl an dieser Vorwahl teilnehmen dürfen, schnitt die ehemalige Botschafterin bei den Vereinten Nationen vergleichsweise etwas besser ab. Spannend wird also die Frage, ob Trump bis zum Herbst seine vergleichsweise schwache Positionierung bei weiblichen Wählerinnen und natürlich auch unter nicht-weißen Wählern ausbauen kann. Zumindestens was letztere anbelangt, so mehren sich die Umfragen, die Trump Stimmenzuwächse unter den Latinos prognostizieren. Dies wäre strategisch extrem hilfreich, vielleicht sogar auschlaggebend im Südwesten und natürlich in den großen Flächenstaaten wie Kalifornien, Texas, und Florida.

Die Gemengenlage erschwert halbwegs genaue Prognosen zwar ungemein, gleichwohl scheint der wachsende Einfluss des Trump-Flügels auf eine dauerhafte Neuausrichtung der Republikaner hinauszuführen. Trump bleibt indes sui generis: weder ist er die von vielen amerikanischen ersehnte Reinkarnation Ronald Reagans, noch kann er mit dem mittigen republikanischen ehemaligen Vizepräsidenten Nelson Rockefeller verglichen werden. Trump hat zwar einiges von der von Links als „Populismus“ diskreditierten Anti-Elite-Rhetorik inzwischen ausrangiert, doch die Neuausrichtung in Sachen Handel, Einwanderung, und insbesondere Außenpolitik dürfte dessen unbeschadet vorangehen und zwar möglicherweise selbst im Falle einer Wahlniederlage im November.

Damit dürfte sich wie zuletzt 2017 die Frage stellen, wie genau der US-amerikanische Konservatismus im 21. Jahrhundert sich definieren wird und welche Signal- und Strahlkraft davon auf Deutschland ausgehen wird.

In der US-amerikanischen Außenpolitik ist bislang wohl bewusst nie klar definiert worden, wo genau der Trumpsche Neo-Isolationismus des America First seine Grenzen fände. Möglicherweise liegt aber genau in der ideologiefreien und undogmatischen Ausrichtung einer solchen Außenpolitik eine große Chance. Nicht zuletzt könnte eine Trumpsche Lösung des Ukraine-Konfliktes, also eine Reduzierung der Finanzspritzen nebst Abwandlung derselben in Darlehensform, eine klare Botschaft an Kiew senden, dass nämlich eine diplomatische Beendigung des Krieges dringend nötig ist. Das ungeschickte Bidensche anfängliche außenpolitische Lavarieren, gefolgt von harter Eskalation nach der russischen Invasion, eine Politik, welche die Russen perspektivisch in die Arme der Chinesen treibt, kann an sich für die Republikaner keine dauerhaft vertretbare Position darstellen.

Hinzu käme eine deutlich härtere Gangart gegenüber China in Sachen Handel und deutlicher Druck auf die europäischen Verbündeten, die Rüstungsausgaben zu erhöhen. All dies dürfte die miserable Performance der deutschen Ampel-Regierung, die mit ihrer seltsamen politischen Akrobatik mit Kriegstreiberei meint, ihr linksliberales Klientel noch ansprechen zu können, wohl weiter in den Vordergrund rücken. Für Biden ist die deutsche Grüne Partei, die derzeit die Sozialdemokraten wie am Ring durch die Manege führt, immerhin noch eine Ansammlung nützlicher Idioten. Für Trump hingegen wäre die Ampel-Koalition und insbesondere die Grünen schlicht lästig und kein ernstzunehmender Partner. Und innenpolitisch könnten von einer nach Trumpscher Manier ausgerichteter Republikanischen Partei auch Reformimpulse für die bislang konturen- und planlos agierende CDU in der Post-Merkel-Ära ausgehen. Ein Rechtsruck scheint auch in Deutschland überfällig, um wieder an Profil zu gewinnen und die linksliberale Beliebigkeit zu überwinden. Ein Blick nach Amerika bleibt also wie immer lohnend.


Georg Menz ist Dragas Chair für Internationale Studien an der Old Dominion University in Norfolk, Virginia, USA.