Tichys Einblick
Zwischenstand

Spanien kann sich nicht mehr aus Verantwortung stehlen

Die sozialdemokratische Regierung unter Pedro Sánchez zeigt sich entschlossener als ihre konservativen Vorgänger. Sie verpflichtet sich zur Rücknahme von Immigranten, die weiter nach Deutschland durchmarschiert sind.

Spanish coast guard boats carrying migrants arrive at the harbour of Algeciras at the harbour of Algeciras on July 30, 2018. - Spain has overtaken Italy as the preferred destination for migrant arrivals in Europe this year as a crackdown by Libyan authorities has made it more difficult for them to reach Italian shores. Over 22,000 people have arrived by sea so far this year according to Spain's maritime rescue service -- more than during all of last year.

JORGE GUERRERO/AFP/Getty Images

Pedro Sánchez wird viel vorgeworfen in diesen Wochen, vor allem, dass er nur eine Politik der Gesten betreibe. Diesem Vorwurf hat der Sozialdemokrate gestern widersprochen. Mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer beschloss er, dass die in Spanien bei Ankunft registrierten Immigranten, die dann nach einem mehr monatigen Aufenthalt weiter nach Deutschland durchmarschieren, wieder aufnehmen muss. Für den spanischen Staat bedeutet das eine enorme finanzielle Belastung, da bis Juli dieses Jahres bereits 24.000 Menschen irregulär über die Meeresenge von Gibraltar einwanderten und es bisher kein wirkliches Programm für diese Menschen gab.

Ab sofort muss garantiert werden, dass diese Menschen richtig registriert, versorgt und in Spanien integriert oder in die Herkunftsländer zurückgeschicht werden. Nur eine ganz geringe Prozentzahl der irregulären Migranten wurde bisher in Spanien eine Aufenthaltsgenehmigung gewährt. Die meisten wurden nach ein paar Monaten ihrem Schicksal überlassen. Die Hilfen erfolgen derzeit maximal 18 Monate lang und dass auch nur bei Zulassung der Asylanfrage.

Spanien nimmt sich selber in die Pflicht

Das gerade abgeschlossene Abkommen zwischen Deutschland und Spanien sieht vor, dass die Rückführung binnen 48 Stunden erfolgen muss. Spanien wird dafür auch finanzielle Unterstützung von der EU bekommen, weil die Auffanglager an der Küste bisher eher prekär sind und Angela Merkel schon beim letzten Treffen in Berlin versprochen hat, dass sie Spanien an den Küsten nicht alleine lasse: „Das Land kann diesen Ansturm nicht alleine bewältigen“. Die Spanien-begeisterte Kanzlerin wird sich an diesem Wochenende auch mit Sánchez im andalusischen Doñana, dem Sommersitz der spanischen Präsidenten, treffen.

Einwanderung wird hier neben dem Vogelgezwitscher vieler seltener Arten und der Luchszucht in dem in der Nähe von Sevilla angesiedelten Naturpark ein wichtiges Thema sein. Auch wenn von offizieller Seite dazu nichts bekannt wurde, ist zu erwarten, dass sie sich die Situation in der Provinz von Cádiz, wo derzeit die meisten Migranten ankommen, anschauen wird. Für Sánchez, der von der Oppositon wegen seiner laxen Einwanderungspolitik kritisiert wurde, ist der Besuch von Merkel ein enorm wichtiger Schritt zur Stabilisierung seiner durch Misstrauensvotum eingesetzen Regierung.

Die EU will Sogwirkung stoppen

Natürlich sind sich beide Regierungen der Wirkung dieses Beschlusses bewusst: Viele Schwarzafrikaner, die in Marokko auf die Überffahrt nach Spanien warten, werden sich jetzt zwei Mal überlegen, ob sich die gefährliche Reise noch lohnt, wenn sie nicht mehr so einfach nach Frankreich oder Deutschland weiter ziehen können. Damit will Sánchez auch auf humanitäre Weise der nicht mehr kontrollierbaren Flut von irregulären Migranten ein Ende setzen, ohne dabei bei seiner Wählerschaft anzuecken – und auch bei seiner Frau, die sich seit Jahren in der Entwicklungshilfe engagiert.

Anders als Italien hat Spanien Schiffe der Hilfsorganisation Open Arms mehrfach in den vergangenen Monaten an Land gehen lassen. Aber Sánchez hat schnell gelernt, dass diese Menschlichkeit gefährlich ist – auch aufgrund des Drucks der EU: Flüchtlingen, die von Hilfsorganisationen im Meer gerettet werden, werden zwar weiterhin von Spanien aufgenommen, aber sie bekommen nicht mehr, wie es der Fall war bei der Ankunft der „Aquarius“ im Juli, eine Sonder-Aufenthaltsgenehmigung.

Das Gespräch mit Marokko steht immer noch aus

Eine Gefahr für Europa geht immer noch von Marokko aus, das derzeit fast ohne die Präsenz seines Königs regiert wird und das Problem der Schlepper-Banden im eigenen Land nicht auf der Agenda hat. Mohamed VI hat sich nicht nur gerade scheiden lassen, er hat auch Herzprobleme, verbrachte viele Monate in Frankreich. Mit Sánchez hat er sich noch nicht getroffen, obwohl dieser den Besuch ganz oben auf seiner Agenda stehen hat.

Normalerweise gehört es zur Tradition, dass neue Regierungschefs in Spanien zuerst den marokkanischen König treffen. Die zunehmenden Proteste gegen den Monarchen, der gerade seinen Wirtschafts- und Finanzminister entlassen hat, gefährden die Stablität des nordafrikanischen Landes, das bisher ein schwieriger, aber solider Partner der EU war. Marroko wird deswegen wahrscheinlich auch ein Thema sein beim Treffen zwischen Sánchez und Merkel an diesem Wochenende.