Tichys Einblick
Der Schrecken der PR-Industrie ist zurück:

Satire satt: Spitting Image geht wieder auf Sendung

Glückliches Britannien! Das böseste aller Satireprogramme der 1980er und 90er kommt ins britische Fernsehen zurück. Einer der Macher sagt, dass es „keinen Spaß mache“, nur auf Rechte zu zielen. Man nehme sich sie alle vor.

imago images / ZUMA Wire

Puppentheater, so könnte man meinen, kann doch niemandem wirklich weh tun? Weit gefehlt, wer in den 1980ern und 90ern Sonntags abends dieses böseste aller Satireprogramme einschaltete, brauchte schon einen großzügigen Sinn für Meinungs- und Pressefreiheit. Keiner Figur des öffentlichen Lebens waren die beiden Erfinder, Roger Law und Peter Fluck, bereit, Pardon zu gewähren, immer wurde voll “mit dem Vorschlaghammer” draufgehauen. Eine der beliebtesten Ziele, Premierministerin Maggie Thatcher, wurde als gemeine Matrone portraitiert, die ihr Kabinett wie die Vorsteherin eines viktorianischen Kinderheims führte, und deren Puppe mit jedem Jahr ihrer Regierungszeit überarbeitet und noch verzerrter und unansehnlicher dargestellt wurde. Ähnlich schlecht kamen alle Mitglieder der königlichen Familie davon, von Königin Elisabeth bis Prinz Andrew (als “Randy Andy”, der Prinz der nie Nein sagen könne, hingestellt) wurden sie kübelweise mit Häme überschüttet.

Ein Urenkel Winston Churchills hatte einen Auftritt als zugedröhnter Junkie, der junge Tony Blair als grossmäuliger Bengel. Nach einem iranischen Wiederaufnahmeverfahren erhielt der Veruteilte als Wiedergutmachung seine abgeschnittenen Finger zurück, Beisitzer vor Gericht war eine Ziege.

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Wenig besser erging es Ronald Reagan, dessen Puppe die Band “Genesis” ein filmisches Denkmal im Video zum Hit “Land of Confusion” setzte. Darin drückt der Präsident statt der Klingel für die Nachtschwester den Knopf für den Kernwaffeneinsatz und löst einen Nuklearkrieg aus. Hunderte weitere Puppen komplettierten das Arsenal der Serie, darunter Ghaddafi, diverse Generalsekretäre der UdSSR, Sänger, Sportler, Dichter, Fernsehstars und Politiker aus dem In- und Ausland.

Fluck und Law selbst beteuerten einmal, mit ihren Gemeinheiten lediglich ein Gegengewicht zu der ungeheuren Image-Verbesserungsmaschinerie herstellen zu wollen, die täglich dabei heisslaufen würde, die Prominenten der Welt im besten Licht erscheinen zu lassen.

Und nun die Wiederauferstehung des Programms nach 24 Jahren. Wenn Spitting Image auch nur eine Spur der Angriffslust geblieben ist, die die Sendung in den 80ern und 90ern vom Buckingham Palace bis zum Weissen Haus sicher zur meistgehassten weltweit gemacht hat, dann müssen Promis und solche, die sich dafür halten, bang auf ihren Auftritt als Latex-Puppen warten.

Wo jeder Promi so dargestellt wird, wie er wirklich ist?

Pünktlich zu einer “Welle der Unzufriedenheit” (Roger Law über das comeback) weltweit komme die Serie wieder ins britische Fernsehen, und “gerade rechtzeitig, weil seine Pension zur Neige gehe”. Law erklärte weiter, dass es „keinen Spaß mache“, nur auf Rechte zu zielen, und sagte: „Es gebe auch viel Munition, mit der man auf die andere Seite schiessen könne. Man nehme sich sie alle vor.“
Die Serie, die zu ihren Hochzeiten von den Jurys bei BAFTA und den Emmys ausgezeichnet wurde, wird im Streaming-Dienst “BritBox“ von ITV und der BBC angeboten.

Roger Law bei “Newsweek”: Alles, was das Team in den neuen “Spitting Image-Folgen” getan habe … geschehe, wie Boris Johnson das ausdrücken würde, “Pro bono publico”, also im öffentlichen Interesse. Man werde sich die Kontrolle von Leuten wie Boris, Cummings, Trump, Kim Kardashian und Kanye West zurückerobern. Es werde Zungenschläge von Wetterfee Greta Thunberg geben, man werde von Tyson Fury umgehauen und von Beyoncé und Herrn Jürgen Klopp geblendet und erstaunt.

Britsh Telecom kündigt die Show so an: „In Zeiten von Twitter, Instagram, YouTubers, Influencern und Love Island werden Prominente, die es gewohnt seien, Geld zu verdienen, indem sie Selfies mit einer neuen Marke von Feuchtigkeitscreme oder Schokoriegeln veröffentlichten, einen Schock erleben. Eine Generation von verwöhnten Primadonnen werde überrascht sein, wenn einige weniger als schmeichelhafte Puppen ihr Ego nun unter Beschuss nehmen würden.

Über 100 Puppen seien von Künstlergruppen – in sozialem Abstand – zum Start entworfen worden, darunter: Adele, Angela Merkel, Baby Yoda, Barack Obama, Beyoncé, Billie Eilish, Boris Johnson, Boris Baby, der Hund der Johnsons in Nummer 10 Downingstreet, Brad Pitt, Camilla, Herzogin von Cornwall, Chrissy Teigen, Covid-19, Cristiano Ronaldo, Dominic Cummings, Dominic Raab, Donald Trump, Dwayne Johnson, Ed Sheeran, Elon Musk, Elton John, Emmanuel Macron, Greta Thunberg, Grimes, Gwyneth Paltrow, Harry Styles, Idris Elba, Ivanka Trump, Jacinda Ardern, James Corden, Jeff Bezos, Joe Biden, Jürgen Klopp, Kanye West, Keir Starmer, Kim Kardashian, Lewis Hamilton, Mark Zuckerberg, Matt Hancock, Meghan Duchess of Sussex, Melania Trump, Michael Gove, Michelle Obama, Narendra Modi, Oprah Winfrey, Piers Morgan, Papst Franziskus, Prinzen Andrew, Charles, Harry und William, Priti Patel, die Queen, Richard Branson, Rishi Sunak, RuPaul, Taylor Swift, Tiger Woods, Tyson Fury, Vladimir Putin and Xi Jinping.

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Bei der Radio Times spricht Roger Law davon, dass er mit, wie er es nennt “Quatsch”, also Versuchen, die Show zu diskreditieren und zu beinflussen, rechne. Aber mit “Brit Box” habe man wesentlich mehr Freiheiten und könne vieles machen, was man sich mit ITV im öffentlichen Programm nicht habe erlauben können. Die Show mag anders sein, aber das kulturelle Klima, in dem Spitting Image zurückkehrt, ist auch anders. In den 80ern gab es keine Hashtags, Social Media, Black Lives Matter oder Cancel Culture. Roger Law nimmt sich, wie zu erwarten, wenig Zeit für Twitter-Stürme oder Trolle: „All dieser Unsinn in den sozialen Medien? Ich meine, die sollten sich mal nicht so ernst nehmen. Aktuell haben wir wohl größere Sorgen.“

Yahoo berichtet von ersten Beschwerden: Nachdem ein Bild von Greta Thunbergs Marionette veröffentlicht worden sei, habe es viele Kritiker gegeben, die moniert hätten, dass es unfair sei, sich über die 17-jährige Klimaaktivistin lustig zu machen, die an Autismus leide. Als Reaktion darauf habe der Leiter der Streaming-Video-on-Abteilung bei ITV, Reemah Sakaan, gesagt, dass der schwedische Teenager ein legitimes Ziel des Spotts sei und im Programm erscheinen würde, um die steigenden Temperaturen auf der Erde zu thematisieren. „Es sei nur ein ganz einfacher Witz und habe nichts mit ihr als Person zu tun“, habe Sakaan gegenüber der Britischen Journalisten-Gesellschaft „Broadcasting Press Guild“ betont.

Für sein Interview in der Times zur Wiederauflage der Puppenshow zitiert Roger Law zwei Fragen aus einem Gespräch mit chinesischen Studenten, denen er „Spitting Image“ einmal geschildert habe, die für sich sprechen: 1. „Warum hassen Sie jeden ?“ und 2. „Wer bezahlt sie, damit sie das machen ?“

Letztlich wird der Erfolg des neuen „Spitting Image“ davon abhängen, ob man nur ansatzweise an die Erfolge der 80er Jahre anknüpfen kann (15 Mio Zuschauer). An Themen und Personen, die als Ziele für Spott und Häme dienen können, mangelt es wahrlich nicht.

Wie newsweek berichtet, habe Greta Thunberg ihre Spitting-Image-Puppe bereits „geliked“.

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