Tichys Einblick
Migranten, NGOs und der ungeliebte Minister

Report aus Moria: Wütende Dorfbewohner vor Inferno-Kulisse

In Lesbos ist die Lage nach der Brandstiftung im Migrantenlager Moria angespannt. Die Einheimischen fühlen sich von den Migranten bedroht und von der Regierung übervorteilt. Und mittendrin sitzen NGO-Leute mit Rasta-Haaren, die Spendenaufrufe schreiben. Von Rebecca Sommer.

imago images / ZUMA Wire

Seit zwei Monaten befinde ich mich auf der griechischen Insel Lesbos. Es ist das Tor nach Europa für illegale Migration. 

Der eigentliche Grund meines Hierseins ist: Ich kam in Solidarität mit den Insulanern. Und weil ich mein eigenes Land retten will. Denn hier fängt alles an, in Sachen Asyl und Migration und Europa. Für mich wurden die Insulaner von Lesbos zu Hellenischen Helden, als die ganze Insel und die Nachbarinsel Chios Anfang des Jahres aufstand im Protest, jung und alt, links und rechts, Olivenbauer oder Geschäftsinhaber, und den Bau weiterer Riesenaufnahmelager verhinderte, über die wie auch bei uns in Deutschland, von oben entschieden wurde, ohne den “Free, prior and informed consent” der Bevölkerung.

Nun bin ich also hier und von Dorf zu Dorf gereist, um mein Wissen als ehemalige und langjährige Zivilbevölkerungsvertreterin innerhalb des UN-Systems mit den Leuten von Lesbos zu teilen, habe über UN-Ziele und die EU-Agenda aufgeklärt und die Dokumente dazu zur Verfügung gestellt. Zum Beispiel die von der Commission beauftragte EU Resettlement Studie 2010 wonach Griechenland, ein Land mit 11 Millionen Einwohnern, auf bis zu 120 Millionen anwachsen kann mit “Neubürgern”. Deutschland auf 274 Millionen. Die EU-27 insgesamt auf 3,8 Milliarden Menschen. 

Einiges davon ist in die historische Inseldeklaration eingeflossen, die man hier auf Deutsch lesen kann. Diese Erklärung, mit Forderungen und Lösungsvorschlägen und einer Zusammenfassung der Inselgeschichte, seitdem Lesbos von Migration überlastet wird, wurde noch kurz vor dem Großbrand in Moria an die EU, UN und Griechenlands Regierung eingereicht. Da liegt sie jetzt, schwer verdaulich, weil nicht gewollt von den Regierenden. 

Zeit zum Lesen
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Ich wollte eigentlich am nächsten Tag abreisen, als ich Dienstag Nacht von dem „ping ping ping“ meiner Whatsapp-Nachrichten aufgeweckt wurde. Auch Videos, die mir Asylbewerber aus dem Moria-Aufnahmelager schickten, Fotos und Nachrichten auch von NGOs: „Faschisten haben das Camp in Brand gesteckt“. Dann kamen schon die Nachrichten direkt von den Bewohnern im Dorf Moria, welches dicht am Aufnahmelager auf einem Berghügel liegt und von dem aus man auf das Lager herunterschauen kann.

In einem dieser Videos konnte ich selber sehen, was mir inzwischen auch von Campbewohnern und von den Moria-Dörflern bestätigt wurde. Das Feuer wurde absichtlich und koordiniert gelegt und gezündet.

Am Tag davor hatten NGOs eine kurze Foto-Opt-Demonstration vorm Hafen abgehalten: Moriaflüchtlinge müssen von Europa aufgenommen und umgesiedelt werden, war die Forderung. Da war mir sofort klar, da gibt es einen koordinierten Zusammenhang mit der 13.000-Stühle-Aktion vor unserem Reichstaggebäude.

Ich sah in einem Video, mit schwarzem Himmel als Hintergrund, besonders deutlich zu erkennen, dass das Feuer im offiziellen Camp schon lichterloh brannte, als in dem wilden Camp, also in den Olivenhainen drumherum, gleichzeitig viele kleine Feuer gelegt wurden.

Dass von den Asylsuchenden selber Feuer immer wieder absichtlich gelegt wurden innerhalb des Camps, habe ich schon mehrfach beobachten können. Auch wie die Feuerwehrmänner verhöhnt und verspottet werden, wenn sie diese dann löschen. Andauernd ist auch irgendwo anders Feuer, als sei es einfach eine Hass-Aktion gegen die Bewohner in Moria. Kleine Kapellen werden geschändet, es wird eingebrochen, gestohlen, bedroht, Tiere werden geschlachtet, Menschen angefallen. Um das Moria-Camp herum ist es hochgefährlich. Keiner wagt sich dort hin von den Insulanern. Die meisten machen einen großen Umweg mit dem Auto, um dem Lager nicht nahezukommen, obwohl das Geld für Benzin bei den meisten eher knapp ist.

Am Morgen hatte ich eigentlich einen letzten Termin in der Hauptstadt Mytilini mit dem geliebten und geehrten Volksvertreter der nordägäischen Inseln, Kostas Moutzouris, der auch von allen direkt gewählt wurde. Aber stattdessen telefonierten wir nur, denn ich wollte trotz massiver Abriegelung vonseiten der Sicherheitsbehörden – überall Militär und Polizei – nach Moria durchkommen. 

Es ist auch sonst ein wildes hin-und her telefonieren und Nachrichten schreiben über whatsapp. Alle sind gerade dabei, sich zu organisieren in einer Art Bürgerwehr. Überall in der Region werden Gruppen von verstreuten Migranten gesichtet und untereinander gemeldet, die sich anscheinend auch bewaffnet haben. Eisenstangen, Macheten, sogar Schwerter habe ich selbst auch im Camp sehen können bei Pakistanis, Talibanis, Jihadisten. Aber auch andere Migranten nutzen Macheten, um die Olivenbäume – die ihnen nicht gehören – zu zerhacken, um die gestohlenen Ziegen und Schafe, auf dem Feuer zu rösten. Man sollte aber wissen: Jeder bekommt Essen im Camp. Niemand muss hier hungern. Auch Geld bekommen die illegalen Migranten.  

Aber in der Stadt Mytilini selbst? Stille. Als sei gar nichts passiert! Ich sah dort nur die üblichen “Flüchtlinge” flanieren, mit feschen Haarschnitten, oft in frisch gebügelten Markenklamotten, sauberen Markenschuhen und neustem I-Phone in der Hand. Je nach Ethnie, Volkszugehörigkeit und je nach Herkunftsland kann man da einen eigenen Stil erkennen.

Ich sehe auch Gruppen von aufgescheuchten NGO-Mitarbeitern. Die ersten tippen schon in den Restaurants sitzend ihre Spendenaufrufe in ihre Mobiltelefone. Eine Gruppe hinter mir diskutiert lautstark, für was genau die Spenden denn sein sollen. ”Ach, schreib einfach, das ist ein Emergency, das reicht”. Ich kann alles gut verstehen, sie sprechen Deutsch. Sie tragen Rastahaare und Ökoklamotten wie Carola Rackete. Jeder hat seinen Gruppenstyle auf dieser Insel. Man erkennt die NGO-Typen ebenso wie man bei den Asylsuchenden erkennen kann, ob einer Hazara oder Iraner ist.

Wer kapituliert, hat verloren
Illegale Migration als Erpressung
Mit einem deutschsprachigen Griechen, Stefanou, den ich gerade erst im Kafeehaus kennengelernt hatte, und dem ich hier nochmal herzlich danken will, fahren wir, ohne Gurt, in seinem Oldtimer-Mercedes bis zur abgesperrten Straße, die direkt zum Dorf Moria und Camp geführt hätte.

Überall fahren Militärwagen, die ich tunlichst nicht fotografiere, da verstehen die Griechen keinen Spaß. Auch große Militärbagger kommen aus der Richtung von Moria. Es hilft kein Betteln: Wir müssen laut der Polizei, die alles abgesperrt hat, einen Riesenbogen machen.  

Auf dem Umweg aber sehen wir die ersten wandernden Migrantengruppen am Straßenrand und Busse, die vollgepackt mit Migranten wegfahren. Auch ein abgezäuntes Gelände mit darin eingeschlossenen Leuten, Polizei und UNHCR-Mitarbeitern. 

Wir sehen dann schon von weitem gewaltigen schwarzen Rauch am Himmel. Da brennt es noch immer.

Als wir kurz vor dem Moria-Camp bei der Polizeiabsperrung ankommen, stehen da die Dorfbewohner von Moria vor einer Inferno-Kulisse, gewaltige pechschwarze Rauchwolken mit knallorangenen Stellen eines Riesenfeuers, es donnert und knallt andauernd, Gasflaschen explodieren, glaube ich, hoffe ich . . . meinen Fluchtimpuls unterdrückend.

Ich steige aus dem Wagen und sehe eine wütende Auseinandersetzung zwischen Dorfbewohnern und der Polizei, Takis ganz vorne, den ich am ersten Tag schon als freiwilligen Feuerwehrmann aus Moria kennengelernt habe. Ich erfahre, dass die Dorfbewohner der Grund für die abziehenden Militärbagger waren. Diese Leute treten mutig der Willkür ihres Staates entgegen, nicht so zahm wie bei uns in Deutschland.

Die Dorfbewohner hatten dem Militär den Zugang verwehrt, weil sie im fast verbrannten Camp keine Baumaßnahmen zulassen wollen. Sie wollen, dass der Spuk endlich ein Ende hat. Nichts soll da mehr gemacht werden, auch keine Aufräumaktion, denn sie wissen von Griechenlands Verträgen mit einem Bauunternehmen, um für knapp unter einer Million Euro das Camp zu vergrößern, also genauer, um den Boden zu ebnen und einen Zaun drumherum zu ziehen. Viel Geld für sowas. Auf einer Landfläche, die der Regierung gar nicht gehört, es ist Privatbesitz und gehört den vielen Olivenhainbauern, die nicht gefragt wurden!

Ich erfahre nun, dass viele Migranten in das Camp zurückgekehrt waren, dort sogar Zelte noch stehen, neue aufgebaut worden sind, also nicht alles abgebrannt war im wilden, illegal erbauten Teil des Camps. Die Migranten hätten aber erneut Feuer gelegt, so Zeugen, die als Feuerwehrmänner arbeiten, und ein Polizist. Also ein absoluter Irrsinn. 

Griechenland tut vermutlich gut daran, die Migranten nicht aufs Festland zu holen und die ganze Aktion auch noch zu belohnen. Sonst werden bald in ganz Griechenland und nicht nur dort die Aufnahmelager brennen. Die Abholung und Unterbringung auf dem Festland von 400 Kindern (und ich denke mal auch deren Familien) hat ja die EU-Kommissarin Ylva Johansson schon finanziert. Sie ist auch diejenige, unter deren Schirm der neue EU-Pakt für Migration und Flüchtlinge koordiniert wird – unter der EU-Präsidentschaft von Deutschland. Der Regierungschef Griechenlands betonte, dass nur die 400 Kinder von der Insel aufs Festland gebracht wurden, aber keine Erwachsenen. Der erpresserische Akt der Flüchtlinge solle nicht belohnt werden und somit falsche Signale setzen.

Peter Hahne der Kirche ins Stammbuch
Wer für Migration plädiert, sollte auch deren Kosten tragen
Dann fahren Autos von NGOs vor, arabische Migranten steigen ein, streiten sich mit den Moria-Dorfleuten, sagen “Fuck you”. Ich stehe dabei und kann es alles bezeugen. Die NGOs sind nervös, wollen schnell weg, denn sie werden angeschrien: ”Go away, leave, go!” Und weg sind die Wagen.

Zwei weiße Autos fahren durch, nun ist es Nacht und dunkel, das Feuer brennt und der schwarze Rauch macht den Himmel schwarz statt dunkelblau. Die Leute schlagen auf das eine der zwei Autos ein, welche mit quietschenden Rädern fahren, um den wütenden Dorfbewohnern zu entkommen. Darin sitzt der griechische Minister für Migration, Notis Mitarakis.

Auf den ist man hier nicht gut zu sprechen. Der Bürgermeister von Mytilini, Stratis Kytelis, lehnt die Vorschläge der Regierung ab bezüglich der Ansiedlung von Einwanderern sowohl im verbrannten Hauptlager Moria, welches erneuert und vergrößert werden soll, als auch im Gebiet von Lemonos und im Gebiet von Klits Larsos. “Diese Vorschläge auf Regierungsebene werden von der Gemeinde Mytilene und allen lokalen Regierungsstellen als ungenau und unbegründet angesehen. Sie bergen das Risiko, das Corona Virus im Großraum der Gemeinde Mytilene zu verbreiten, das Sicherheitsgefühl der Bürger zu stören und das Gefühl der Ungerechtigkeit zu verstärken. Wir respektieren die Entscheidungen des Gemeinderats und wiederholen unsere feste Forderung nach der endgültigen Schließung von KYT Moria und der sofortigen Entlastung der Insel, die derzeit wichtiger denn je ist“, heißt es in der Erklärung der die Gemeinde Mytilini.

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