Tichys Einblick
Ideologischer Umbau

Polen: Tusk-Regierung entlässt Führung bei öffentlich-rechtlichem Sender TVP

Die neue polnische Regierung besetzte gerade gewaltsam das öffentlich-rechtliche Fernsehen und schaltete den Sender ab. Die neue Opposition wirft ihr massiven Bruch des Rechtsstaats vor. Was ist da los? TE-Autor David Engels sprach mit Augenzeugen und stellte die wichtigsten Informationen der immer noch chaotischen Lage zusammen.

IMAGO
Polen liefert gegenwärtig ein Fallbeispiel, was passiert, wenn ein konservatives Land in die Hände der Woken und Linksliberalen fällt und in kürzester Zeit mit dem EU-Mainstream gleichgeschaltet werden muss – ein Memento mori für Ungarn. Dass die Beteuerungen der gegenwärtigen Regierung, auch für Konservative die bessere Alternative zu sein, bloße Bauernfängerei war, bewies bereits die Zusammensetzung der neuen Regierung, deren sozio-kulturelle Schlüsselpositionen allesamt mit Mitgliedern der linken bis linksradikalen Lewica besetzt wurden, die keinen Hehl um ihre offen anti-christlichen und pro-LGBTQ Ansichten machen (TE berichtete).

Der Kulturkampf hat aber in den letzten Tagen eine neue Intensität erreicht, als die Regierung gleich bei Amtsantritt ankündigte, die öffentlich-rechtlichen Medien, allen voran den Sender TVP, gleichschalten zu wollen.

Ministerpräsident Tusk hat gestern Nacht die Vorstandschefs und Aufsichtsräte nicht nur des Fernsehsenders TVP, sondern auch des Polnischen Radios und der Nachrichtenagentur PAP entlassen und neue Aufsichtsräte ernannt, die neue Vorstände wählen würden. Dies geschah scheinbar fristlos und ohne Einhaltung der geltenden Kündigungsfristen, wie unmittelbar Betroffene berichteten.

Das Verfassungstribunal bestreitet die Kompetenz der Regierung für einen so unvermittelten und weitreichenden Umbau, seine Autorität wird aber von der Regierung aufgrund des schwelenden Rechtstaatsstreits nur bedingt anerkannt. Sympathisanten der bisherigen Führung TVPs, darunter auch Parlamentarier, haben sich in Anbetracht dieser Entwicklung seit Dienstagabend mit Teilen des Personals im Hauptgebäude des Senders verschanzt und mussten nach gegenwärtigem Kenntnisstand gewaltsam vom Sicherheitsdienst entfernt werden, wobei es zu Verletzungen der manu militari entfernten Personen kam, glaubt man den im Netz kursierenden Bildern und Videos.

Auch die Polizei wurde eingeschaltet, zunächst zum Schutz der im Gebäude Verschanzten, dann aber zur Unterstützung der Regierung, wie Augenzeugen der immer noch chaotischen Lage berichteten. Der gesamte Sender wurde dabei auf staatliche Anweisung hin bis auf weiteres abgeschaltet und sendet ausschließlich Standbilder; bis Weihnachten soll der personelle und ideologische Umbau der wichtigsten öffentlich-rechtlichen Medien vollzogen sein: Es droht eine nie dagewesene Kündigungswelle. Die (neue) Opposition sieht hier massive Verstöße gegen den Rechtsstaat; Ex-Premierminister Morawiecki spricht von der Errichtung einer Diktatur:

Es handelt sich hierbei um das erste Mal seit der Erklärung des Ausnahmezustands in der Endphase des Kommunismus, dass das polnische Fernsehen gewaltsam abgeschaltet wurde. Die gegenwärtige Regierung wirft ihrer Vorgängerin vor, während ihrer 8 Jahre an der Macht systematisch Personal ernannt zu haben, das mit der konservativen Weltsicht der PiS sympathisierte, und fordert eine komplette Reform der öffentlich-rechtlichen Sender, um erneut eine „neutrale“ Berichterstattung zu garantieren. PiS war es in den Jahren an der Macht in der Tat nicht gelungen, ein signifikantes eigenständiges konservatives Nachrichtennetzwerk zu gründen, während fast die Gesamtheit der polnischen privaten Medien in der Hand von Trägern sind, die inhaltlich mit der damaligen Opposition sympathisierten.

Sollten durch die Gleichschaltung von TVP und anderen öffentlich-rechtlichen Medien konservative Journalisten auch diesen Bereich verlassen müssen, dürfte es somit faktisch um die inhaltliche Meinungsvielfalt der großen polnischen Medien geschehen sein. Derweil betrachtet die Berliner Zeitung eine autoritäre Vorgehensweise Tusks als einziges Mittel, Polen erneut zum Rechtsstaat zu machen: „Das ist das Dilemma, vor dem der künftige Ministerpräsident Tusk stehen wird, wenn er die Amtsgeschäfte übernimmt: Er kann ein machtloser Herrscher werden oder das Land mit undemokratischen Mitteln wieder demokratisch machen.“ – ein kaum verhüllter Appell, endlich rasch Nägel mit Köpfen zu machen, während der Westen bewußt wegsieht.

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