Tichys Einblick
Von 7,7 auf 17,5

Parlamentswahl Finnland: „Die Finnen“ fast gleichauf mit den Sozialdemokraten

Grün verlor mit dem Thema Klimawandel. Ganz anders „Die Finnen“: Mit Kritik an der Einwanderungspolitik der Regierung machten sie einen großen Sprung nach oben.

Party Secretary Riikka Slunga-Poutsalo and Chairman of The Finns Party Jussi Halla-aho attend The Finns Party parliamentary election party in Helsinki, Finland on April 14, 2019. - Finland's leftist Social Democratic Party is in the lead with 19.0 percent of the vote, after 37 percent of votes have been counted in the countrys general election.

VESA MOILANEN/AFP/Getty Images

Das Ergebnis mit den Parteinamen und Fraktionskürzeln im Parlament der EU: SDP (Sozialdemokraten, S&D) 17,7 Prozent  – Perussuomalaiset (Die Finnen, EKR) 17,5 % – Kokoomus (finnische CDU, EVP) 17,0 % – Keskusta (Zentrumspartei, ALDE) 13,8 % – Vihreät (Grüne, Grüne/EFA) 11,5 % – Vasemmistoliitto (aus den Kommunisten hervorgegangene Linksbündnis, GUE/NGL) 8,2 % – RKP (Schwedische Minderheitspartei, ALDE) 4,5 % – KD (Christdemokraten, EVP) 3,9 % – Sininen tulevaisuus (von „Die Finnen“ abgespalten, ACRE) 1,0 %.

Ende vergangenen Jahres stand „Die Finnen“-Partei, die im Parlament der EU in Salvinis Fraktion dabei sein will, in Umfragen bei 7,7 Prozent. Bei der Parlamentswahl am Sonntag hat sie 17,5 Prozent erreicht, also fast zehn Prozentpunkte mehr im Vergleich zu den Umfrageergebnissen vor wenigen Monaten. Und das, obwohl sich die Partei erst vor zwei Jahren aufgespalten hat. Wie war dies möglich?

Nach den Parlamentswahlen im Jahr 2015 formten „Die Finnen“ (Perussuomalaiset) mit der Zentrumspartei (ALDE) und der Kokoomus-Partei (CDU-nah, EVP) eine Regierung. Nur wenige Monate später folgte in der EU die Migrationskrise, während der auch in Finnland zehntausende Migranten Asylanträge stellten. Die Perussuomalaiset konnten sich nicht gegen ihre Regierungspartner durchsetzen und so blieben die Grenzen offen. Auch die wirtschaftliche Situation Finnlands war nicht die beste, sodass die Regierung unbeliebte Einsparungen vornahm.

2017 kam es zu einer turnusmäßigen Neuwahl des Parteivorstands der Perussuomalaiset. Überraschend gewann Jussi Halla-aho den Vorsitz, er wurde dem rechten Flügel der Partei und der parteiinternen Opposition zugerechnet. Eher kühl und unemotional von seiner Art, war er ein leichtes Ziel für politische Gegner und sah auch selbst eine weitere Beteiligung der Perussuomalaiset an der Regierung kritisch. Die Regierung drohte zu stürzen. Im letzten Moment spaltete sich mit den „Blauen“ (sininen tulevaisuus) eine Gruppierung um den ehemaligen Vorsitzenden Timo Soini ab und verblieb in der Regierung, die Regierung war also gerettet. Für viele war die Aktion Soinis in seinem Ministeramt begründet und dem Interesse, dieses zu behalten. In Umfragen stürzten die neue Partei nahezu sofort ab.

In den vergangenen Monaten wurde Finnland von einer Serie von Sexualverbrechen getroffen. U.a. in der nordfinnischen Stadt Oulu waren vor allem junge Mädchen Opfer, die Täter in der Regel Asylbewerber und Immigranten. Zuerst beschwiegen, wurden die Taten schlussendlich auch in den Massenmedien veröffentlicht. Dieses Thema beschäftigt schon seit Monaten Finnland. Die migrationskritischen Perussuomalaiset zeigten am klarsten Lösungen für dieses Problem auf.

Der Höhenflug der Grünen in Umfragen endete, als Links und Grün sich in unrealistischer Weise auf Maßnahmen im Rahmen der Klimaveränderungen konzentrierten. Auch hier profitierten vor allem die Perussuomalaiset, die am klarsten ein Kontrastprogramm zu den aufgestellten Thesen kommunizierten. Klarer Verlierer der Wahl sind allerdings die „Blauen“, die trotz vorheriger Regierungsbeteiligung mit keinem einzigen Vertreter mehr im Parlament vertreten sein werden.

Da keine Partei einen klaren Wählerauftrag hat und die Lager unklar sind, werden die Koalitionsverhandlungen schwer.


Sebastian Richter hat Medizin in Berlin, Paris und Helsinki studiert. Er ist als Arzt international tätig.