Tichys Einblick
Österreich streicht Impfzwang

Aber zwingen lass’n möcht’n mir uns net

Die Begründung zur überraschenden Ankündigung der Abschaffung des gesetzlichen Zwangs lautet: Seit die „Impf“-Pflicht Gesetz wurde, sank die damals schon abnehmende „Impf“-Bereitschaft noch weiter.


Österreichischer Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne)

IMAGO / SEPA.Media

Zwischen Erstaunen und Empörung changierte das Moderatorenpaar von ORF 2 gestern abends. Die allabendlichen Grafiken zu steigenden Infektionen – also: positiven Tests – waren vorbereitet – und nun das. Wozu strengen wir regierungstreuen Journalisten uns so an? Der grüne Gesundheitsminister und der schwarze Clubobmann im Nationalrat verkünden das Ende der gesetzlichen Impfpflicht im Juli.

Kurz zur Erinnerung: Der gesetzliche Zwang zur Behandlung mit mRNA-Injektionen wurde Ende 2021 vom damaligen grünen Gesundheitsminister Mückstein und Übergangskanzler Schallenberg überraschend verkündet und galt auf dem Papier ab Februar 2022. Sie wurde von allen Parteien bis auf die FPÖ unterstützt. Ab dem 15. März drohte allen bei Nichtbefolgung eine Geldstrafe von bis zu 3.600 Euro.

Bereits Anfang März deutete sich wieder ein Abrücken vom Impfpflicht genannten Gesetzeszwang ab: Die Regierung von ÖVP und Grünen erklärte das eigene Vorhaben angesichts der Omikron-Variante für nicht verhältnismäßig.

Die aktuelle Begründung zur Abschaffung des gesetzlichen Zwangs lautet: Seit die „Impf“-Pflicht Gesetz wurde, sank die damals schon abnehmende „Impf“-Bereitschaft noch weiter. Die Debatte habe tiefe Gräben unter Familien, Vereinen und in Betrieben aufgerissen, sagte Gesundheitsminister Rauch. Aber erst recht in einer Zeit vieler Sorgen wegen massiver Teuerung und Ukraine-Krieg brauche die Gesellschaft Zusammenhalt. Rauch: Bei neuen Corona-Wellen müssten die Bürger von der Sinnhaftigkeit einer „Auffrischungsimpfung“ überzeugt werden: „Wir bekommen das nur hin, wenn die Bereitschaft auf Freiwilligkeit fußt.“

Eine bemerkenswerte Begründung. Aber die innenpolitische Analyse von Hans Bürger (ORF) hat noch eine andere: Österreich stehen vier Landtagswahlen und die des Bundespräsidenten bevor; in diesen Wahlkämpfen wollen die Herrschenden der FPÖ das Thema „Impfpflicht“ zur Wähler-Mobilisierung „nicht gönnen“.

Wie auch immer: Ich kenne viele in Österreich, die über diese Entscheidung sehr froh sind. Ob der mRNA-Zwang damit ganz vom Tisch ist? Wenn sich viele von Wahlen längst nichts mehr erwarten, dieser Kollateralnutzen ist erwähnenswert, denn in Österreich wird bis 2027 permanent gewählt.

Hans Bürger sagte in seiner Analyse im ORF: Überall wo Zwang draufsteht, da ist auch Abwehr drin. Na hoffentlich, kann ich da nur sagen.

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