Tichys Einblick
»Phony Kamala«

Kamala Harris: Ideologin Nr. 1 der Demokraten

Kamala Harris war nicht die eindeutige Favoritin. Andere hätten sich geschmeidiger in das Team Biden eingefügt, doch vermutlich um den Preis des Mauerblümchentums. Derlei kann man Harris nicht nachsagen. Sie weiß immer ganz genau, was sie will – und macht dabei keine Gefangenen.

imago images / UPI Photo

In einem Video-Anruf hat Joe Biden die demokratische Senatorin und einstige Generalstaatsanwältin für Kalifornien Kamala Harris zu seinem Running Mate gemacht. Harris führte dabei zwar das Feld der Kandidatinnen um die Kandidatur an, war aber keineswegs fest gesetzt. Tatsächlich bringt sie praktisch alle Eigenschaften mit, die das Team Biden zu brauchen glaubt. Sie ist jung, (teilweise) schwarz, tough und dynamisch. Darüber hinaus hält sie engen Kontakt zur modischen Wokeness und zur Black-Lives-Matter-Bewegung.

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Allerdings ist sie als Repräsentantin eben dieser Moden ausgerechnet Joe Biden im vergangenen Jahr ziemlich scharf angegangen, so in einem Wortwechsel zum sogenannten »Desegregation bussing«, bei dem farbige Kindergartenkinder – wie Kamala Harris selbst – in Bussen durch die Gegend gefahren wurden, nur damit weiße Kinder in ihren Nachbarschaften nicht unter sich blieben. Die Identitätspolitik setzte so schon damals bei den Kleinsten an, um ein neues Amerika zu formen. Da Biden zwei Senatoren, die gegen diese Art von »social engineering« waren, einst unterstützte, traf ihn der Bannstrahl der Kamala Harris. Dabei erhielt man aber zugleich den Eindruck, dass vielleicht auch das Herumkutschiertwerden nicht allzu angenehm für die kleine Kamala gewesen sein könnte.

In der Debatte vom Sommer 2019 schien Biden noch Kräfte zu haben, um sich gegen solche Vorwürfe zur Wehr zu setzen. Wenn man sich den heutigen Biden ansieht, dann glaubt man diese intellektuellen Kräfte geschwunden – als wären sie den Angriffen seiner innerparteilichen Gegner zum Opfer gefallen. Das offizielle Mating-Photo zeigt, dass er für sein Video-Telephonat mit Harris ein Skript brauchte. CNN versteckte den Spickzettel hinter einem Balken am unteren Bildrand.

Dabei hatte Harris ihrem Gegner Biden in der besagten Debatte durchaus gönnerhaft zugesprochen, dass er sicher kein Rassist sei. Doch einen Moment später zeigte der indirekte Angriff über die beiden Senatoren, dass ein solches Urteil sehr rasch wieder zurückgezogen werden kann, wenn es die Sprecherin für opportun erachtet. Das ist auch ein Instrument der geistigen Kontrolle. In einem Tweet gibt sich Harris optimistisch: Als Präsident werde Biden »ein Amerika aufbauen, das unseren Idealen gerecht wird.«

Harris’ Markenzeichen: Reden mit gespaltener Zunge

Was spricht aus Sicht der Demokraten für Kamala Harris? Sie tritt mit großer Autorität auf, weiß meist ziemlich genau, wovon sie spricht, und lässt sich nicht leicht von dem abbringen, was sie will. Sie spielt virtuos auf der Klaviatur der Identitätspolitik und der Gefühle, die diese hervorruft. »Du musst dich daran erinnern, dass wir alle im selben Boot sitzen«, sagt sie einer weinenden jungen Frau, die offenbar panische Angst vor Waffenbesitzern hat. »Wir sind bereit für diesen Kampf.«

Harris’ Erfolge in diversen Wahlkämpfen zeigen, dass sie sowohl Wähler wie auch Geldgeber In einem mobilisieren kann. 2017 wurde sie so Senatorin für Kalifornien. Als sie in das Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur einstieg, konnte sie binnen 24 Stunden 1,5 Millionen Dollar an Online-Spenden einsammeln. Dazu trugen natürlich auch größere Spender einen beträchtlichen Teil bei. Der Staat Kalifornien, wo Harris zu Hause ist, hat ja keinen Mangel an wohlhabenden Unternehmern, die eher linke Vorstellungen vom gesellschaftlichen Zusammenleben vertreten (man denke nur an die Bay Area). Zwar wollen die Demokraten angeblich die Abhängigkeit von Großspenden inklusive den sogenannten PACs (political action committees) verringern, aber das betrifft eher die öffentlichen Äußerungen von Radikalen wie Elizabeth Warren. Daneben heißt es nur, dass die Wege des großen Geldes andere Wege finden oder verschleiert werden. Darauf deuten auch aktuelle Medienberichte wie diese Zusammenfassung der Washington Post hin.

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Was spricht gegen Kamala Harris? Die oben erwähnten impliziten Rassismus-Vorwürfe gegen Biden aus den Primaries vom letzten Jahr. Aber vermutlich wird solches heute eher den weißen Kandidaten selbst in Bedrängnis bringen. Daneben hat Harris im April 2019 auch öffentlich bekundet, dass sie Tara Reade glaube. Die Angestellte Bidens hatte sich über sexuelle Belästigungen durch den damaligen Senator beklagt.

Tatsächlich könnte man als Leitmotiv von Harris öffentlicher Karriere diese Art Doppelzüngigkeit erkennen. Die Trump-Kampagne hat das auf dem Schirm. So wurde Harris für die vollen Gefängnisse kritisiert, die sie als Generalstaatsanwältin in Kalifornien hinterlassen hatte. Gefüllt wurden sie unter anderem durch hunderte von Marijuana-Nutzern. Doch als man sie fragte, ob sie selbst einmal die Droge konsumiert habe, lachte Harris nur. Doppelzüngigkeit wird ihr auch in Bezug auf den Waffenbesitz vorgeworfen.

Vor allem bei diesem Thema spielt sie virtuos mit der modischen Wokeness. Doch viele Amerikaner sehen das Recht auf legalen Waffenbesitz nach wie vor als ein heiliges Freiheitsrecht, in der heutigen Lage oft als Notwendigkeit an. Auch mit solchen Auffassungen muss eine Vizepräsidentschaftskandidatin rechnen.

Die Trump-Spenden

Es scheint paradox: Zwischen 2011 und 2013 soll Donald J. Trump insgesamt 6.000 Dollar an Kamala Harris gespendet haben, als sie als Generalstaatsanwältin in Kalifornien antrat. Katrina Pierson, selbst Tochter eines schwarzen Vaters und Tea-Party-Republikanerin, kommentierte Trumps Spendenversuche mit der Bemerkung, dass sich damit hoffentlich die Rassismus-Vorwürfe gegen den Präsidenten ein für alle Mal erledigt hätten, denn Harris sei bekanntlich schwarz. Trump war damals noch nicht aktiv in der Politik. Harris verwendete letztlich keine der Spenden, sondern gab sie an eine NGO weiter, die sich für die Rechte von mesoamerikanischen Immigranten einsetzte – sicher zu Trumps Ärger.

Die im Vergleich mit anderen bescheidene Höflichkeitsspende gehört offenbar zu Trumps Biographie, der eine Zeit lang Demokraten des rechten Parteiflügels unterstützte, bevor er die Seiten wechselte. 2011 hatte er allerdings bereits seine Medienkampagne gegen Barack Obama gestartet, nach der Obama in Kenia geboren sei und also nicht US-Präsident hätte werden dürfen. Angeblich dienten seine Parteispenden nur der Kontaktpflege. 2014 spendete auch die Trump-Tochter Ivanka noch einmal 2.000 Dollar.

Harris hatte sich damals einen Ruf zugelegt, der extravagant zwischen der Propagierung von Minderheitenrechten und harter Strafverfolgung changierte. Sie wollte beides zugleich sein, Mitglied der progressiven Linken und »tough on crime«. Mit diesem Querprogramm könnte sie dem Trump-Wahlkampf durchaus gefährlich werden – wenn sie es denn heute noch verträte. Tatsächlich wird die medial übermächtige BLM- und Anti-Polizei-Agenda hier wohl ihren Tribut einfordern. Die demokratische Parteiführung ist eingeklemmt zwischen dem Bemühen um ein gutes Wahlergebnis und den Forderungen dieser radikalen Basis, die sie zum Teil selbst mit aufgebaut hat.

Dabei widerlegt im Grunde schon Harris’ erfolgreiche Karriere als Staatsanwältin – die kurz vor den Verzerrungen der jüngeren Zeit begann – den Mythos des systemischen Rassismus in den USA. Als Tochter zweier Immigranten, einer Inderin und eines Jamaikaners mit afrikanischen Wurzeln, wurde sie erst Bezirks-, dann Generalstaatsanwältin, Senatorin und hat nun die Chance Vizepräsidentin der USA zu werden. Und dass ihre eigenen Vorfahren Sklaven besessen haben sollen … wen sollte das noch kümmern nach so vielen Jahren?

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In einem Interview mit Fox Sports Radio kurz vor der Bekanntgabe des Paars Biden/Harris fand Trump es unglücklich, dass sich Biden vorab »für eine bestimmte
Gruppe« entschieden hatte. Tatsächlich galt es als ausgemacht, dass Biden eine Frau als Running Mate wählen würde. Auf dem Sportkanal bemerkte Trump, dass sich Männer dadurch »beleidigt« fühlen könnten. Daneben wurden spezielle Politikerinnen mit afroamerikanischen Wurzeln starke Chancen eingeräumt. Auch Kamala Harris vereint beides. Trump betonte in dem Radio-Interview, dass die Amerikaner ihre Stimme nicht aufgrund des Vizepräsidentschaftskandidaten vergeben. Am Ende müsse Biden »auf seinen eigenen beiden Füßen stehen«. Trumps Fazit am 11. August: »In der Theorie« sei die Frage des Running Mate nicht allzu wichtig, aber in Bidens Fall könne sie wichtiger werden als normalerweise, »aus dem offensichtlichem Grund«.

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Tatsächlich wird bereits jetzt spekuliert, Biden könnte noch vor der Wahl aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten von seiner Kandidatur zurücktreten, so dass Kamala Harris (oder eine andere Person?) zur Präsidentschaftskandidatin würde. Doch das wirkt unwahrscheinlich angesichts des hohen Imageverlusts für eine Partei, die mit einem solchen Schritt einhergehen müsste. Es wäre das Eingeständnis, dass man einen nicht voll einsatzfähigen Mann zum Präsidentschaftskandidaten gemacht hat. Man könnte böse von einer Marionette für die mächtigen Puppenspieler im Hintergrund sprechen. Spieler, die in der Partei zudem meist links von Biden verortet sind, denn das gilt für die meisten der Kandidaten, die neben Biden in den Primaries reüssieren konnten, für Elizabeth Warren, Bernie Sanders und auch Kamala Harris.

Natürlich spiegelt die Entscheidung für einen Running Mate immer ein innerparteiliches Machtgefüge wider. In den meisten Fällen spielt darin der Präsidentschaftskandidat selbst die Hauptrolle. In Bidens Fall dürfte es anders sein. Personen aus dem Hintergrund – seine eigenen Konkurrenten um die Kandidatur – dürften das führende Wort geführt haben, das dem Kandidaten selbst nicht mehr zur Verfügung steht. Ihre Ansprüche dürften die verschiedenen Politiker auch durch finanzielle Beiträge zu Bidens Kampagne angemeldet haben. So überließ die sonst wenig einnehmende Erzlinke Warren dem Team Biden nach dessen Sieg bei den Primaries 7,7 Millionen Dollar aus der eigenen Kriegskasse und ließ auch ihre Mailinglisten für den einstigen Konkurrenten spielen. Harris ist laut Politico die zweite in dieser Rangliste und trug mehr als fünf Millionen Dollar bei.

Good-bye, bipartisanship

Wofür die allzeit wendige Juristin Harris aktuell steht, lässt sich nicht in allen Details wissen. Doch die Mobilisierung gegen den legalen Besitz von Schusswaffen wird wohl prominent sein bei ihren Wahlkampfauftritten. Daneben wird sie sich vor allem um Polarisierung an sich bemühen, also kräftig gegen Trump austeilen. Laut dem »Ideology Score« der Website Govtrack, in dem die politische Ausrichtung der Kongressmitglieder bewertet wird, ist Harris noch vor Bernie Sanders die radikalste Senatorin der US-Demokraten. Die Ideologin Nr. 1 der Demokraten. Nur ein Senator übertrifft sie in der Ablehnung von überparteilichen Gesetzesvorschlägen.

Die Radikalität von Harris kam auch in den Debatten der demokratischen Partei zum Ausdruck, als sie lachend erklärte, dass man sehr wohl Waffen konfiszieren könne, was Biden damals noch nicht für möglich hielt.

Ein weiterer Punkt der Trump-Kampagne gegen das Paar Biden/Harris wird die Unterstützung der beiden für eine nationale Krankenversicherung sein, die das Land immer noch stark spaltet. Die Verwirklichung dieses Vorhabens würde, so Trump, die private Versicherungspläne von 180 Millionen US-Bürger kassieren.

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Für die Trump-Kampagne ist die Nominierung von Kamala Harris der langersehnte Startschuss. Endlich weiß man im Weißen Haus, gegen welchen Gegner man antritt und welche Positionen die Demokraten in der heißen Wahlkampfphase einnehmen werden. Mit Biden war das nicht auszumachen. Harris bringt Sicherheit an dieser Front. So erstaunt es nicht, dass Trump in den vergangenen Stunden eine Reihe von Tweets absetzte, in denen er sich und seine Partei gegen Biden/Harris positionierte. Ein Telephonat mit den Sheriffs des Landes gehört dazu. Oder auch dieser Tweet: »Die Vorort-Hausfrauen werden für mich stimmen.« Sie verlangten Sicherheit und seien begeistert, dass Trump die Programme stoppte, die »Menschen mit niedrigen Einkommen in ihre Nachbarschaften« brächten.

Gespannt darf man sein, welches Attribut sich für Kamala Harris in Trumps Reden und Tweets durchsetzen wird. Vorerst scheint seine Wahl auf die Wendung »phony Kamala« gefallen zu sein, was soviel wie »verlogen, falsch, unecht« bedeutet. Trumps Wahlkampfteam glaubt, dass Harris die harte Linie, die sie einst als Staatsanwältin gefahren hatte, bald dem derzeit aktuellen Anti-Cop-Ressentiment opfern wird. Die Frage ist: Braucht es überhaupt noch eine solche Kehrtwende, damit Harris den Wünschen ihrer vermeintlichen Basis folgt? Schon im letzten Jahr war sie stolz darauf, dass sie alle Polizisten in Kalifornien zum Tragen einer Body-Cam verpflichtet hatte. Und, so nützlich dieses Instrument in manchen Fällen sein mag, es ist sicher auch ein Ausdruck von Misstrauen in die eigenen Sicherheitskräfte.

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