Tichys Einblick
EU wünscht Beteiligung der Sozialisten

Italien: Salvini und die Lega verhindern

Die Partei-Sekretäre und Verhandlungsleiter sind Getriebene der EU-Lobbyisten. Jeder weiß, dass eine Regierung mit der roten PD, die von den Wählern massiv abgestraft wurde, nur eine geringe Halbwertszeit hätte.

Italys Prime Minister Giuseppe Conte (C), Italys Interior Minister and Deputy Prime Minister Matteo Salvini (R) and Italys Economic Development and Labour Minister and Deputy Prime Minister Luigi Di Maio (L)

Andreas Solaro/AFP/Getty Images

Der italienische Präsident Sergio Mattarella wird am heutigen Dienstag zu Gesprächen und Konsultationen wohl wieder auf den Hügel in den Quirinalspalast bitten, nachdem vergangene Woche nur dunkler Rauch vermeldet wurde. Die Entscheidung zur Regierungsbildung wurde vertagt, zu wichtig sei die Situation, alle, so Mattarella in gut altväterlicher Art, sollten nochmals untereinander verhandeln, wer gegebenenfalls mit wem eine Regierungsmehrheit bilden könnte.

Vergangene Woche wurde auch klar, die Konservativ-Liberalen, mit Forza Italia (Berlusconi) sowie den Fratelli d‘ Italia (Giorgia Meloni) und die rechte Lega, plädierten jeder einzeln für Neuwahlen. Giorgia Meloni, Chefin der Fratelli d’Italia zeigte sich gewiß, über Neuwahlen eine Regierungsmehrheit mit der Lega zu erreichen. Eine Beteiligung der sozialistischen oder sozialdemokratischen PD, von Renzi und Zingaretti, würden die Bürger nicht verstehen können. Es würde weiteren Stillstand und Rücknahme von Gesetzen bedeuten. Eine Farce für Italien.

Das aber sehen die führenden EU-Nationen Deutschland und Frankreich nicht so, sie wünschen sich ausdrücklich eine kooperativere italienische Regierung.

Das weiß auch der andere Vizepremier und Fünfsterne-Chef Luigi Di Maio, dem seit Tagen über die sozialen Medien ein geradezu eisiger Wind ins Gesicht bläst – auch von seinen eigenen Wählern und Mitgliedern. Erst haben sie die PD und Renzi bekämpft und „massakriert“, um nun mit dieser roten Partei des Nepotismus wieder zu verhandeln? Nur um eigene Pfründe zu sichern? Die Bürger sind sehr wach und keineswegs oberflächlich oder gar „ferngesteuert“, wie es die Linken stets behaupten, um konservative Schichten zu diskreditieren.

Politische Beobachter analysieren die Geschehnisse und immer wieder wird berichtet und lanciert, dass es wohl das Datum des 16. Juli gewesen sei, das auch später bei Matteo Salvini den Gedanken reifen ließ, Neuwahlen anzustreben. Salvini kündigte die Regierung auf und Giuseppe Conte reichte seinen Rücktritt im August ein, aber bereits davor berichteten Sekretäre, dass die Fünfsterne wohl im Hintergrund bereits mit den Roten der PD sprachen oder flirteten, allein, um in der neuen EU-Kommission besser zu gefallen.

Es ist in der Tat auch nicht verwunderlich, dass ausgerechnet Romano Prodi, der ehemalige Premier und führende italienische Befürworter eines „antisouveränen Europas“, sich höchstpersönlich für ein Abkommen zwischen der Fünfsterne-Bewegung und seinen Sozialdemokraten stark machte. Das alles um den Vormarsch der Lega mit Salvini einzudämmen, den die Meinungsforscher Ende Juli mit fast 40% vorne gesehen haben. Prodi, der in der Wahrnehmung vieler italienischer Wähler mit über 80 immer noch im Einsatz der EU netzwerkt und Ränke schmiedet.

Wir blicken nochmals auf die Tage der Europawahl zurück:

Bereits am 16. Juli zerbrach das Vertrauen bei Salvini, als gegen alle Abmachungen, Ursula von der Leyen mit 383 Stimmen, bei 327 Gegenstimmen und 22 Enthaltungen, zur neuen Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt wurde. Von der Leyens Wahl war eine Art Schachmatt von Berlin und Paris, am Ende einer Partie, die von Merkel und Macron fein orchestriert wurde (man denke nur an Macrons Schlappe gegen Marine Le Pen). Es ging allein darum, den Block der „Souveränisten“ in Europa zu spalten.

Die Lega stimmte ja ganz offensichtlich gegen die deutsche Kandidatin, die nach zahlreichen Monaten seiner Spitzenkandidatur kurzerhand CSU-Mann Manfred Weber aus dem Rennen nahm und auf die Bank schickte, um sich ähnlich wie Jack in the Box plötzlich als neue Spitzenkandidatin zu präsentieren. Nicht nur für Salvini stimmten ganz unerwarteterweise die Fünfsterne-Parlamentarier für Ursula von der Leyen, und gaben bereits davor bekannt, das Zünglein an der Waage sein zu wollen. Wenigstens hier konnten sie ein wenig aus Salvinis Schatten treten.

Wenig später kommt plötzlich aus dem Nichts die Russland-Affäre hoch, und ausgerechnet der dubiosen Plattform Buzzfeed schenken die Cinque Stelle Vertrauen? Hinterfragen Salvini und dessen Kontakte und ob in seinem Auftrag über Öllieferungen und Kommissionen verhandelt worden sei in Moskau, im Hotel Metropol? Als wäre Matteo Salvini ein blutigjunger Politanfänger? Spätestens da merkte die Lega, dass im Hintergrund andere Interessen liefen.

Giovanni Tria, der parteilose Wirtschaftsminister, kooperierte mit Brüssel, während er vorgab, hinter Salvinis Steuerreform zu stehen, sagen Politbeobachter, Im Wissen, dass die Gelben mit „No“ gegen die TAV, die Schnellzug-Trasse Turin-Lyon votieren werden, spielte sein Pseudo-Ja zur Flat Tax keine Rolle. Das Nein zur TAV war zu viel für die Lega. Ein No bedeute, Investitionsstopp, höhere Kosten als ein Weiterbau und keine zusätzliche Arbeitsplätze. Pure Stagnation.

Kaum hatte Salvini die Regierungsgeschäfte mit den Fünfsternen aufgekündigt, trat Romano Prodi für seine PD auf den Plan und forderte für seine Partei eine Koalition „Orsola“ für die neue Regierung, die sich tatsächlich aus den politischen Kräften zusammensetzen würde, die zur Wahl von der Leyens beigetragen haben. Damit nicht genug, in einem jüngst veröffentlichten Leitartikel im Il Messaggero gibt Prodi offen zu, dass EU-Kanzlerämter „die Hoffnung zum Ausdruck gebracht haben, dass ein neues Bündnis geschaffen werden kann, das auch einen konstruktiven Dialog mit der Europäischen Union eröffnen kann.“

Nichts anderes möchte Brüssel als eine pro-EU-Exekutive in Rom, die sich stets den Diktaten und Vorgaben aus Deutschland und Frankreich beugen soll. Dass ein Salvini und dessen Verbündete da störend sind, wird immer klarer. Außerdem berichtete Il Giornale, und nennt dabei die Financial Times als Quelle, arbeiten im Gegenzug bereits EU-Beamte daran, wie eine Reform der Vorschriften für die Staatsverschuldungen aussehen könne oder auszusehen habe.

Im Moment ist es zwar nur ein „technisches Brainstorming“, aber welch ein Zufall, exakt in diesem Zeitraum der neuen Regierungsfindung Italiens. Es ist eher ein Spiel mit System. Analysten sehen darin eine Unterstützung für eine M5S-PD-Regierung.

Die Partei-Sekretäre und Verhandlungsleiter sind Getriebene der Lobbyisten der EU. Jeder weiß, dass eine Regierung mit der roten PD, die von den Wählern heftig abgestraft wurde, nur eine geringe Halbwertszeit hätte. Die Lega mit Salvini sprach die Wahrheit jüngst bei der Senatssitzung aus, „Wovor diese Angst vor Neuwahlen? Es gibt nichts, was demokratischer und transparenter ist, als die Bürger entscheiden zu lassen, in einem freien und souveränen Land.“

Unterdessen wird bekannt, Präsident Mattarella genehmigt eine weitere Nachspielzeit. Fünfsterne und PD konnten sich (noch) nicht einigen. Auch die Personalie Giuseppe Conte sei wohl ein Hindernis bei den gelb-roten Verhandlungen. Nach wie vor liegt die Lega in der Gunst der Wähler vor den anderen Parteien. Soll aber nicht mitregieren?

Es muss einen fast schon ängstigen, wenn man merkt, dass sich diese EU exakt davor fürchtet. Es muss das schlechte Gewissen sein, wer nämlich eine Kandidatin wie von der Leyen allein aus Machtinteressen vorbei an den Wählern installiert, der schreckt in Zukunft wohl auch vor anderen undemokratischen Justierungen nicht zurück.

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