Tichys Einblick
"Weiß selbst, was Faschismus wirklich ist"

Italien: Der bekannte Moderator Paolo Del Debbio macht sich Luft

In Deutschland würde kein bekannter Moderator und Journalist die ersten fünf Minuten der wertvollen Sendezeit dafür nutzen, eine Erklärung in eigener Sache abzugeben.

Screenshot Dritto E Rovescio

„Ihr müsst mir mit der Definition von Faschismus nicht auf den Sack gehen“ Man stelle sich vor, in Deutschland würde ein bekannter, ja, ein berühmter Moderator und Journalist die ersten fünf Minuten der wertvollen Sendezeit dafür nutzen, eine Erklärung in eigener Sache abzugeben, tief in die Kamera blickend, rechts und links das Studiopublikum, um klar zu stellen, dass er Journalist und erwachsen genug sei, um zu wissen, was er zu tun oder zu lassen habe, oder um zu wissen, was der Faschismus wirklich sei. Außerdem würde er sich nie Aufforderungen politischer Parteien beugen, wen er einladen solle, und wen nicht.

Nun, soweit wird es im Deutschland von heute nie kommen, denn es herrscht Einigkeit darüber, wer zu stigmatisieren und zu diffamieren ist – ganz oben eine AfD, und gleich danach diejenigen, die die AfD vielleicht nicht einmal unterstützen, aber dafür die Regierung in Sachen Migrationspolitik oder Klimaschutz kritisieren. Nein, selbst viele Journalisten der Öffentlich-Rechtlichen wurden schon auf Regierungskurs gebracht und dieser  kann nur schwarz-rot-grün sein.

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In Italien, man mag über das Land abgehoben lachen, wie man möchte, wegen seiner zahlreichen Regierungen innerhalb der vergangenen siebzig Jahre nach Kriegsende – aber eines ist doch klar, und wird damit auch dokumentiert – die unterschiedlichsten politischen Strömungen in Italien, von tiefrot Links über die schwächelnde Mitte bis hin zu den ganz Konservativen und Rechten, vulgo, „Rechtspopulisten“, bekommen ihren Platz – und immerhin gibt es auch Moderatoren, die das ganze Gemenge auch zu moderieren wissen, ohne sich irgendwie extrem anzubiedern.

In Deutschland wäre man hingegen froh, es gäbe auch noch wertkonservative Moderatoren, die das linke Mainstreamspektrum ein bisschen einzufangen wissen.
Der italienische Moderator Paolo Del Debbio jedenfalls, knapp über 60 und vom Typ her graumeliert und vertrauenswürdig wie ein Schuldirektor, der schon etliche Gespräche mit schwererziehbaren Schülern und deren Eltern oder Helikopter-Müttern geführt hat. Was ja im Fernsehen und in der Politik oft eine sehr ähnliche Konstellation zu sein scheint.

Man sollte meinen, die Tiefe und Diversität im Fernsehen und einer Talkshow mache doch das Interesse der Zuschauer im Studio sowie auf dem Wohnzimmersofa der Bürger aus. Man soll doch eine breite Meinung wiederspiegeln, exakt so, wie die Gesellschaft und Politik vielleicht wirklich tickt.

Paolo Del Debbio hat einst Philosophie in der Universität Santa Croce von Rom studiert, verdingte sich später bei der Fininvest Mediengruppe und bei der Gründung von Berlusconis Forza Italia als Kommunikationsexperte, bevor er endgültig zum Fernsehen ging.

Dass Del Debbio liberalkonservativ zu verorten ist, dazu steht er, und den Moderator zeichnen eher seine leisen und ausgleichenden Töne, sowie seine vermittelnde Art zwischen den Kontrahenten aus. Doch seit auch in Italien das Land zwischen dem Gutmenschentum und Konservativen und Rechtsliberalen gespalten ist, bekommt auch Paolo Del Debbio von Außen immer mehr sein Fett ab.

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Auf dem bekannten Sender, Rete 4, moderiert der Italiener seine Sendung, „Dritto e rovescio“, was ungefähr mit „Vorder- und Rückseite“, oder Vorwärts und Rückwärts, zu übersetzen wäre. Einige Tage zuvor war es im Studio zu einer erhitzten Situation zwischen einem linken Journalisten und einem rechtsradikalen Anführer gekommen. Sogleich bemühte sich die Linke und allen voran die PD, die italienischen Sozialdemokraten, Moderator Paolo Del Debbio anzugreifen, böse zu attackieren, es ging gar nicht mehr um die Sache an sich, wer, was und warum, wie verstanden hatte im Studio. Dass sich die extrem Linke wie die Rechte gegenseitig hochschaukeln, zum Beispiel.

Del Debbio bekam Dinge um die Ohren gehauen, wie dass er mit seiner Sendung den Hass schüren und verbreiten und fragwürdige Gäste ins Studio einladen würde. Paolo Del Debbio ging mit seiner ruhigen Art in die Offensive und seine Worte direkt in die Kameras hatten es in sich: „Eine Abgeordnete der PD gab ihren Genossen den Rat, nicht mehr in meiner Sendung aufzutreten, weil ich den Hass säen würde. Solche Empfehlungen und Warnungen spricht man doch nur in totalitären Regimen aus, oder nicht…?“, das Publikum im Studio ist mucksmäuschenstill. Eine Stecknadel könnte man fallen hören.

Del Debbio fährt fort, nur in Regimen, „würde man sagen und festlegen, wer, wohin gehen dürfe, und wohin nicht. Die und jene, wegen ihrer Hautfarbe und Religion vielleicht nicht. Die und die anderen aber schon, weil sie ja alle unsere Freunde und Unterstützer sind …“, es werden plötzlich Menschen und Bürger diskriminiert, die einem nicht in den Kram passen. Und bei wem auch nur ein kleiner Hinweis gefunden wird, wie man nicht zu denken habe, dem wird gleich der Prozess gemacht.

Aber, setzt der Moderator an, das seien Dinge und Vorgehensweisen, die ihn nicht interessieren. Der Moderator, mit sich im Reinen meint: „Es ist mir ganz egal, ich weiß, dass ich mein Publikum habe, ich weiß, dass es mich dafür schätzt, was ich tue und wie ich meine Arbeit mache und ich werde auch so weiter machen …“.  Und er fügt hinzu, dass solche Vorgehensweisen, wie man sie ihm vorwerfe, wie der Faschismus selbst seien. Er lanciere oder verherrliche aber ganz sicher keinen Faschismus.

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Er möchte aber etwas klarstellen, „Ich bin der Sohn eines Deportierten …“, sein Vater, so Del Debbio, sei im Konzentrationslager Buchenwald, „30 Km unterhalb von Berlin“, im Stammlager „Tre A“, Drei A, gewesen (Fotos werden eingeblendet), das wisse er ganz genau, weil sein Vater selbst viel erzählt habe. Paolo Del Debbio habe es auch erfahren, weil sein Vater eine Anfrage für seine Kriegs-Pension (Rente) stellte, von der er aber nicht mehr profitierte, weil er schon davor gestorben sei. Der Moderator sei mit seinem Gewissen absolut im Reinen und brauche daher auch keine Belehrungen von anderen, sein Vater habe ihm „viel erzählt, ich weiß, was der falsche und der richtige Teil (der Geschichte) ist, ich hatte keine Zweifel an dieser Zeit. Sein Vater habe in ihr gelebt und konnte authentisch vieles wiedergeben und erzählen.“

Das Wenige, das sein Vater ihm erzählte, machte Del Debbio stets bewusst,  „was ein totalitäres Regime sei, und was ein Gefangenenlager in Wirklichkeit bedeute“, und deshalb unterstrich er, müsse man ihm mit der Erklärung von Faschismus, „liebe Jugendliche, Erwachsene, Linke und Nicht-Linke, auch „nicht mehr so auf den Sack“ gehen. Denn er wisse ganz genau, was und wie er es sage und was der Begriff Faschismus bedeute, was richtig und was falsch sei. Die Politiker und Mitglieder der PD würden nie auch nur etwas finden, weder in seinen Aussagen, noch in seinen Büchern, oder bei seiner Arbeit als Dozent bei den Studenten, was ihn auch nur annähernd in die Nähe des Faschismus rücken könnte. Sie werden nie etwas finden.
Das sei das eine. Das andere, und nun direkt in die Kamera, an die Linke gerichtet, „Ihr erfindet es, schiebt es mir unter und attackiert mich auch noch, genauso, wie es totalitäre Regime machen …“, vielleicht, so Del Debbio, „seid Ihr selbst rote Faschisten…?“, macht nur so weiter.

Er würde weiterhin dem gesunden Menschenverstand und dem Gewissen vertrauen, und die Linke könne „gern so weitermachen. Hass streuen, denn das sei wirklich Hass …“, und er werde mit seinen Sendungen weitermachen wie bisher auch – „grazie“, schließt der Moderator, Danke. Das Studio applaudiert nun, nicht übertrieben – aber absolut angemessen.

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