Tichys Einblick
Politik und Medien in Deutschland:

Kritik an Merz’ Solidarität mit Israel

Während seines Israel-Besuchs vermied es Friedrich Merz, das Land von oben herab zu belehren. Das wäre eigentlich gar nicht der Rede wert. Doch sofort hagelt es Kritik, weil es Usus ist, dass deutsche Politiker Israel von der Seitenlinie Ratschläge verteilen. Ein Publizist entblößt sich besonders.

IMAGO

Zwei Tage lang war Friedrich Merz zu Beginn dieser Woche in Israel unterwegs. Der Oppositionsführer informierte sich über das Leid der Geiselangehörigen, sprach mit Menschen, die von der Grenze zwischen Israel und dem Libanon evakuiert wurden, und machte sich im Norden des Landes auch selbst ein Bild von der Hisbollah-Bedrohung.

Auffällig dabei: Merz vermied es, die israelische Regierung und das Militär von oben herab zu belehren. Er erwähnte zwar wiederholt das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza, betonte aber klar, dass Israel einen Kampf gegen den Terror führt und die Hamas sich zynisch hinter der Zivilbevölkerung verschanzt. Im Klartext: Schuld am Leid in Gaza ist die Hamas, nicht Israel.

Eigentlich ist diese Linie von Merz gar nicht der Rede wert, denn eigentlich sollte das ganz normal sein. Ins Gewicht fällt es nur deswegen, weil es bei anderen deutschen Politikern seit jeher Usus ist, von der Seitenlinie aus unwissende Ratschläge an Israel zu verteilen. Aktuell zum Beispiel eskaliert Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ihre Rhetorik merklich in diese Richtung.

In den Medien stieß das angemessen zurückhaltende Auftreten von Merz dem einen oder anderen offenbar übelst auf. Den Vogel schoss in dieser Hinsicht Gabor Steingart ab, seines Zeichens Herausgeber von The Pioneer und durchaus ein Name im Journalismus.

Steingart ließ sich am Mittwochmorgen in seinem „Briefing“ zu einer regelrechten Tirade nicht nur gegen Merz, sondern gegen den Staat Israel hinreißen. Merz stehe „eisern an der Seite der […] israelischen Truppen“, schrieb der Journalist und fügte an: „und damit auf der falschen Seite der Gegenwartsgeschichte“.

Doch nicht genug: Anschließend warf Steingart Israel sogar vor, einen „Vernichtungszug gegen die Palästinenser“ zu führen. Dass der deutsche Oppositionsführer angesichts dessen „mitleidslos die alten Sprechzettel“ vorgelesen habe, empörte Steingart.

Damit versuchte der Journalist nicht einmal, das elende Spiel der „Zwei-Seiten“-Rhetorik zu spielen, sondern schob gleich ganz allein Israel den Schwarzen Peter zu. Und rückte es semantisch auch noch in die Nähe des NS-Staates, denn Deutsche denken beim Begriff „Vernichtungsfeldzug“ in der Regel an das Vorgehen von Wehrmacht und SS in Osteuropa.

Trotzdem überrascht diese Wortwahl nur bedingt. Denn sie ist alles andere als neu. Von einem „Vernichtungsfeldzug“ gegen die Palästinenser schwafelte zum Beispiel schon 1982 nicht nur die SED-Zeitung Neues Deutschland, sondern auch die bundesrepublikanische, „superintellektuelle“ Zeit, weil Israel seinerzeit im Libanon Krieg gegen den Terror der PLO führte.

Was nun aber schon bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass bei The Pioneer kein geringerer Verlag als Axel Springer mit 35,9 Prozent der Aktienanteile investiert ist. Ausgerechnet jener Verlag, der in seinen „Essential“ direkt an zweiter Stelle die Unterstützung für das „Existenzrecht des Staates Israel“ verankert hat.

Weniger überraschend ist da schon die Reaktion des geübt „israel-kritischen“ Spiegel, der sich ebenfalls darüber mokierte, dass Merz zu wenig Distanz zu Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gewahrt habe. Ein anderer Redakteur des Spiegel warf dem Unionsfraktionschef gar vor, Netanjahu „beinahe devot“ begegnet zu sein.

In diesen Chor stimmten dann auch noch Sawsan Chebli (SPD) wie auch ihre Parteikollegin und Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori ein. Sie machte via X bei Merz ein „bedingungsloses Unterstützen der Netanjahu Regierung gepaart mit vollständiger Empathielosigkeit für Palästinensische Zivilbevölkerung“ aus. Und dies wiederum seien – was auch sonst – „rechte Positionen“.

Vermutlich hat sie damit sogar Recht: Israel-Solidarität ist – das zeigt auch der Blick auf die Positionierung von Regierungen weltweit – immer häufiger rechts und nicht links. Das aber spricht nicht für die Linke, sondern eben für die Rechte.

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