Tichys Einblick
Zensur und Kontrolle statt Meinungsfreiheit

Heimatschutz-Ministerium nutzte Facebook und Twitter, um „Desinformation“ zu zensieren

Hat das amerikanische Heimatschutz-Ministerium bei den Präsidentschaftswahlen und der Corona-Berichterstattung massiven Einfluss genommen? Durchgestochene Dokumente, die dem Medium „The Intercept“ vorliegen, legen nahe, dass die Social-Media-Dienste als Handlanger der Regierungszensur arbeiten.

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Die Empörung bei Medien und Aktivisten ist groß über den Twitter-Kauf von Elon Musk. Einige exponierte Vertreter sehen sich bereits im Widerstand. Auch deutsche Journalisten mischen kräftig mit. Unisono hört man davon, dass niemand so viel Macht über die sozialen Netzwerke haben sollte. Doch das Lamento über staatliche Einmischungen, Kontrollen und Zensurbemühungen ist vergleichsweise gering. Dabei gäbe es gerade Grund genug dafür, sich nicht so sehr auf die Ambitionen eines südafrikanischen Multimilliardärs, denn vielmehr die Umtriebe des kältesten aller Ungeheuer zu konzentrieren.

Denn in denselben Tagen, in denen man Musk zum größten Übel der Medienwelt hochschreibt, kracht ein ganz anderer Bericht ins Geschehen. Es handelt sich um einen investigativen Report des „The Intercept“. Sollte sich bestätigen, was der Bericht behauptet, dann handelt es sich um jenen Stoff, aus dem früher Affären im Sinne von „Watergate“ geschnitzt waren – die aber heute niemanden hinter dem Ofen hervorholen, weil man sich zu sehr an die staatlichen Übergriffe gewöhnt hat.

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Der Intercept führt in seinem Bericht nichts Geringeres auf als die enge Verdrahtung zwischen dem US-amerikanischen Heimatschutz-Ministerium (Homeland Security) und Social-Media-Giganten wie Facebook und Twitter. Der Artikel zeigt, wie die Regierung leichtes Spiel hatte, unangenehme Themen loszuwerden, zu unterdrücken und regierungskritische Meinungen von Usern zu löschen. „Desinformationsnarrative“ werden hervorgeholt, um den Überbringer der Botschaft zu diskreditieren.

Dabei geht es nicht nur um hochpolitische Themen wie Covid oder den Abzug aus Afghanistan, sondern auch die Umtriebe des Präsidentensohnes Hunter Biden. Für den letzten Fall zieht der Intercept sogar explizite Schriftbelege an, die die FBI-Agentin Laura Dehmlow als Verantwortliche bei diesem Vorgang auszeichnet. Facebook und Twitter haben nach dieser Darstellung spezielle Portale eingerichtet, an das sich Regierungsvertreter direkt wenden können – um direkt auf die Konzerne einzuwirken, wenn ihnen eine Meinung nicht passt. Selbst Parodie-Accounts seien davon betroffen gewesen, wenn diese subtil die Corona-Politik kritisierten.

Der Intercept hat einen Entwurf des Heimatschutzministeriums veröffentlicht, in dem es eine Ausweitung seiner Strategie gegen „MDM“ (misinfo, disinfo, malinfo) ankündigt. In Wirklichkeit ein direkter Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit, den das Ministerium als Heimatschutz gegen „toxische Narrative“ tarnt. Ein Mitarbeiter notierte in einem Papier, dass man die Social-Media-Plattformen als „clearing house“ nutzen sollte. Die Rechtfertigung? Falschinformationen würden Radikalisierung, Gewalt und sogar Terrorismus befördern. Freie Meinungen sind also schlicht zu gefährlich, als dass man sie zulassen darf.

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Die Ausweitung des Heimatschutzes nahm dabei insbesondere ab der Präsidentschaftswahl 2016 zu, wegen eines angeblichen „Russischen Einflusses“, der dazu führte, dass man die Präsidentschaftswahl 2020 umso gründlicher kontrollierte. Besonders im Visier: „alternative Narrative“ zur Wirksamkeit von Impfungen, der Herkunft des Virus, „racial justice“, sowie anschließend zum Abzug der US-Truppen aus Afghanistan und dem Krieg in der Ukraine. Dabei fasst der Intercept zusammen:

„Wie Desinformation von der Regierung definiert wird, wurde nicht klar artikuliert, und die inhärent subjektive Natur dessen, was Desinformation ausmacht, bietet Heimatschutz-Beamten eine breite Möglichkeit, politisch motivierte Entscheidungen darüber zu treffen, was eine gefährliche Rede darstellt.“

Während der Wahlen 2020 kennzeichnete die Regierung zahlreiche Beiträge als verdächtig, von denen viele aus dem Netz genommen wurden. Das bestätigen Dokumente, die in der Klage des Generalstaatsanwalts von Missouri zitiert wurden. Ein Bericht der Election Integrity Partnership an der Stanford University aus dem Jahr 2021 ergab, dass Technologieplattformen bei 35 Prozent von fast 4.800 markierten Elementen Maßnahmen ergriffen haben. Diese Untersuchung fand in Zusammenarbeit mit der Cybersecurity and Infrastructure Security Agency (CISA) statt, einer Abteilung des Heimatschutzes.

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Vor der Wahl 2020 trafen sich Technologieunternehmen wie Twitter, Facebook, Reddit, Discord, Wikipedia, Microsoft, LinkedIn und Verizon Media monatlich mit dem FBI, der CISA und anderen Regierungsvertretern. E-Mails zwischen Beamten des Heimatschutzes und Twitter skizzieren den Prozess von „Takedown“-Anfragen in der Zeit bis November 2020. Sitzungsnotizen zeigen, dass die Technologieplattformen aufgefordert wurden, „Berichte zu verarbeiten und zeitnahe Antworten zu geben“ und „Fehlinformationen von der Plattform, wo immer dies möglich ist“, zu entfernen.

In der Praxis bedeutete das: Staatliche Wahlbeamte schickten Beispiele für potenzielle Desinformation an die CISA, die sie dann an die Social-Media-Unternehmen weiterleitete. Zum Beratungsgremium der CISA gehörte dabei Vijaya Gadde, die vor der Twitter-Übernahme eine der Schlüsselpersönlichkeiten des Unternehmens war. Gadde traf sich offenbar monatlich mit dem Heimatschutzministerium, um über die Zensurpläne auf Twitter zu sprechen. An dieser Stelle kommt auch Elon Musk ins Spiel. Er hat Gadde am ersten Tag entlassen.