Tichys Einblick
Immigration und Kriminalität in Frankreich

Innenminister Gérald Darmanin kündigt weitere Maßnahmen gegen Ausländerkriminalität an

10.000 neue Polizisten und Gendarmen sollen Städte und Land sicherer machen. Einen Zuwanderungsstopp, wie ihn viele in Frankreich fordern, lehnt Darmanin derzeit noch ab. Daneben im Gespräch: sicherere Grenzen in den Pyrenäen und in Ostafrika.

IMAGO / ZUMA Wire

Ein Mann in der französischen Regierung scheint derzeit nicht zur Ruhe zu kommen. Es ist Innenminister Gérald Darmanin, der sich – wie man zunächst im Vergleich mit Deutschland bemerken muss – durchaus um seinen Amtsbereich kümmert, also zum Beispiel um die innere Sicherheit und den Schutz der Landesgrenzen. Dasselbe lässt sich leider von Bundesinnenministerin Nancy Faeser nicht sagen. Faeser ist einer Politik der offenen Grenze in einem Maße zugetan, das man schon staatsgefährdend nennen muss. Derzeit setzt sie sich für das Einfliegen von noch mehr schwer integrierbaren Afghanen ein. Die größte Gefahr für Deutschland, so schallt es permanent aus ihrem Mund, komme von rechts.

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In Frankreich sieht ihr Amtskollege Darmanin die Hauptgefährdung der inneren Sicherheit heute in der fortwährenden Immigration und ihren langfristigen Folgen und legt deshalb auf beiden Feldern Vorschläge und Maßnahmen vor. Man könnte nun einwenden, das komme alles etwas spät, die Weichen wären vor mehreren Jahrzehnten gestellt worden. Aber immerhin scheint die französische Regierung der unsrigen auch in der Erkenntnis der Lage mehrere Schritte voraus.

In einem Interview mit dem Journal du Dimanche kündigte Darmanin nun die nächsten geplanten Schritte an. Seine Präsenz in den Medien des Landes verdankt sich dabei sicher auch dem Wunsch, mittelfristig Wählerstimmen von der Rechten abzuschöpfen. Das ist legitimer politischer Wettstreit, vor allem wenn er Erfolge zeitigt.

Der Präsident habe von ihm verlangt, so Darmanin, die Präsenz von Polizisten und Gendarmen im gesamten Land zu verdoppeln. 10.000 neue Stellen seien bereits seit 2017 geschaffen worden. In den kommenden sechs Jahren sollen weitere 200 Brigaden hinzukommen. Brigaden sind die Unterteilungen der landesweit agierenden Gendarmerie. In den kommenden fünf Jahren sollen zusätzlich 15 Milliarden Euro in den Etat des Innenministeriums fließen, die offenbar direkt den Sicherheitskräften zugutekommen sollen. Die französische Polizei und Gendarmerie hätten noch nie größere Mittel zur Verfügung gehabt, so Darmanin im Interview mit der Sonntagszeitung.

„Idiotisch zu verschweigen, dass ein Großteil der Straftaten von Immigranten begangen wird“

Die Verstärkung der Gendarmerie zeigt, dass Frankreichs Probleme sich schon lange nicht mehr auf die Städte beschränken. Doch auch in den großen Städten sollen elf neue Einheiten mit „beweglichen Einsatzkräften“ entstehen. Dabei handelt es sich um ein neues Modell für Kriminalitätsschwerpunkte. Die mobilen Einheiten sollen unter anderem gegen Drogenhandel vorgehen. In Marseille habe man mit solchen mobilen Spezialeinheiten gute Erfolge verzeichnet. Nun sollen Lille, Lyon, Montpellier, Perpignan und Nizza folgen. Marseille erhält zudem eine dritte Einheit. In Perpignan soll die Einheit 80 Beamte umfassen, wie Darmanin etwas vorschnell in einem Tweet enthüllte. Der Bürgermeister der Stadt zwischen Pyrenäen und Mittelmeer war da noch nicht über Einzelheiten informiert.

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Es eilt also durchaus in Frankreich. Daneben fallen auch auf den ersten Blick mindere Vergehen immer stärker ins Gewicht, die die öffentliche Ordnung dennoch massiv in Zweifel ziehen. So haben die gefährlichen Rennen mit Motorrädern und Squads – in Frankreich „städtisches Rodeo“ genannt – stark zugenommen. Außerdem, so Darmanin im nächsten Satz, dürfe man auch die von Ausländern begangenen Straftaten nicht kleinreden. Er konkretisiert dann das Ausmaß des Phänomens.

Nicht jeder Ausländer sei ein potenzieller Straftäter, so lässt sich der Enkel eines maltesischen Bergarbeiters und eines algerischen Tirailleurs vernehmen. „Aber es wäre idiotisch zu verschweigen, dass ein bedeutender Anteil der Straftaten von zugewanderten Personen begangen wird.“ Der Anteil ist tatsächlich groß, wenn nicht beachtlich: In Lyon begehen Immigranten demnach 39 Prozent der Straftaten, in Paris gehen 48 Prozent der Taten auf Zuwanderer zurück, in Marseille sogar 55 Prozent. Dabei wird eventuell nicht zwischen selbst Zugewanderten und ihren Nachkommen ohne französischen Pass unterschieden. Beide Gruppen unterliegen in Frankreich denselben Ausweisungsgesetzen. Die genannten Zahlen geben aber jedenfalls eine eindrückliche Idee von den Zuständen und dem Ursprung eines Großteils der Kriminalität im Land und seinen Städten.

Die Zuwanderung insgesamt zu stoppen, wie es Marine Le Pen fordert, hält Darmanin derzeit nicht für sinnvoll, denn „die übergroße Mehrheit der Zuwanderer trage viel“ in Frankreich bei. Aber Darmanin bleibt dabei: Ein kriminell gewordener Ausländer müsse abgeschoben werden, und zwar sehr schnell, weil er „auf den Boden, der ihn willkommen heißt, spuckt“, so wörtlich der französische Innenminister. Mit diesem Grundsatz der Abschiebung bei Delinquenz seien auch die Franzosen der populären und der mittleren Klasse einverstanden, egal ob sie „Robert oder Mohammed“ heißen.

Darmanin folgt den alten Spuren Sarkozys und Le Pens

Daneben verkündete Darmanin einige Erfolge: Angeblich hat die französische Polizei es geschafft, 18 Prozent der Drogenumsatzplätze zu schließen. Man habe außerdem deutlich mehr Kannabis (+18 Prozent) und Kokain (+ 42 Prozent) beschlagnahmt. Wenn man an die jüngsten Aufstände in verschiedenen Banlieues in Lyon und anderswo zurückdenkt, die laut Darmanin in Reaktion auf Drogenrazzien ausbrachen, dürfte das noch ein weiter Weg für den Innenminister und seine Polizisten werden.

Nun wird von der „Sarkozisierung“ des Macron-Ministers gesprochen. Tatsächlich könnte man eher von seiner „Le-Penisierung“ sprechen. Denn die Wichtigkeit der staatlichen Hoheitsrechte und ihrer Durchsetzung, wie sie Darmanin nun betont, hatte sich die Vorsitzende des Rassemblement national (RN) schon lange vor ihm auf die Fahnen geschrieben. Dieses Bekenntnis zur Republik und ihren Gesetzen war ein zentraler Bestandteil von Le Pens Wahlprogramm.

Die Ausweisung des radikalen marokkanischen Predigers Iquioussen, der laut Darmanin den Holocaust verneint, antisemitische und sexistische Haltungen vertritt, wurde vorerst von einem Gericht gestoppt. Der Youtube-Prediger ist seit einiger Zeit im Fadenkreuz des Innenministeriums und wurde zuletzt als Gefährder eingestuft. Darmanin beschreibt ihn als einen der Hassprediger, die hinter Messerattacken wie jener gegen Salman Rushdie und Samuel Paty stehen und sie vorbereiten. Iquioussen verbreite eine „dschihadistische Stimmung“, wie es der Sozialwissenschaftler Gilles Kepel gut beschrieben habe. Nun erwartet man eine Entscheidung des Staatsrates. Doch wenn sich auch das Verfassungsorgan gegen die Ausweisung aussprechen sollte, will Darmanin eben das entsprechende Gesetz ändern.

Der französische Grenzschutz lässt noch zu wünschen übrig

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Ein weiteres Vorhaben des Innenministers ist es, das Geburtsortsprinzip (Jus soli) im südostafrikanischen Überseegebiet Mayotte aufzuweichen. Die Inselgruppe ist seit Jahren von illegaler Zuwanderung aus diversen afrikanischen Ländern, keineswegs nur aus den direkten Anrainerstaaten, betroffen. Darmanin will nun durchsetzen, dass es zumindest in Mayotte „nicht mehr dasselbe Geburtsortsprinzip wie im Rest des französischen Territoriums“ gibt. Die Situation sei sehr besorgniserregend. Nur wenn eines der Elternteile sich seit einem Jahr regulär auf den Inseln aufhält, soll die französische Staatsbürgerschaft mit der Geburt vergeben werden. Daneben fordern lokale Gewählte einen Frontex-Einsatz, um die Sicherheit an den Grenzen des Départements zu erhöhen.

Derweil bleibt in den Pyrenäen der kleine Grenzübergang bei dem Dorf Banyuls, der Col de Banyuls, durch in die Erde versenkte Natursteine blockiert. Bürger in Frankreich und Spanien kritisieren, dass die Blockade auch den legalen Grenzverkehr behindere und Geschäftschancen mindere, während die illegalen Migranten einfach einen Umweg machten. Theoretisch könnten sie sogar aussteigen und den für vierrädrige Fahrzeuge blockierten Übergang zu Fuß überqueren.

Man wird die Steine wohl nicht hingesetzt haben, wenn man sich nicht einen Effekt verspräche. Noch kündet die Maßnahme aber eher vom Bürgerzorn denn von einer konsequenten Politik, die ja aus Paris kommen müsste. Die illegalen Migranten, so ein für „offene Grenzen“ Engagierter, passierten jedenfalls auch heute schon ständig die Grenze zwischen Spanien und Frankreich.

Eins allerdings muss sich Darmanin auch fragen lassen: Was machen eigentlich die ganzen Migrantenboote im Ärmelkanal, die teilweise angeblich von französischen Kriegsschiffen eskortiert werden? Sie lassen eben darauf schließen: dass die französischen Grenzen weder im Süden noch im Norden sicher sind. Und genau das gibt Darmanin ja auch gewissermaßen zu, indem er zu Protokoll gibt, dass Zuwanderung auch nützlich sein könne.

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