Tichys Einblick
Ein Deutscher will in Barcelona aufräumen

Ein Deutscher will Katalonien vor sich selber retten

Seit einem Jahr regieren wieder die Separatisten. Die Unternehmen flüchten inzwischen heimlich. Ein deutscher Werber will damit aufräumen. Aus Madrid berichtet Stefanie Claudia Müller

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Karl Jacobi hat Mut. Denn wer derzeit gegen die katalanischen Separatisten den Mund aufmacht, muss Repressalien jeder Art befürchten, auch als Ausländer. Der Mann mit den Turnschuhen und der Glatze wird von vielen belächelt, von einigen aber auch bewundert. Sein Spanisch ist nach Jahrzehnten fern der Heimat immer noch eindeutig angedeutscht. Auch im Kopf ist er deutsch geblieben. Durch seinen Auftritt im Frühjahr diesen Jahres bei einer Versammlung deutscher Unternehmer mit dem separatistischen katalanischen Parlamentspräsident Roger Torrent wurde er „berühmt“. Er stand auf, sagte ohne lange Umschweife: „Ich würde euch alle ins Gefängnis schicken“. Das Medienecho war enorm. Jetzt will der Wahl-Katalane in die lokale Politik einsteigen, seine Werbeagentur führt inzwischen seine Frau. Er bekam 10.000 emails, dass er sich in Katalonien engagieren und mit dieser Entwicklung aufräumen soll: „Ich sehe das jetzt als meine Pflicht an“.

Ein Deutscher will aufräumen

Jacobi verkörpert das, was viele Spanier mit Deutschen verbinden und das will er jetzt als Bürgermeister in Barcelona durchsetzen: „Zucht und Ordnung. Die Stadt wird immer schmutziger und krimineller, das will ich ändern“. Im Mai sind Wahlen und da will der gelernte Werber mit einer starken katalanischen Frau an seiner Seite antreten: Victoria Álvarez, die Ex-Freundin des Sohnes von Jordi Pujol, welche die Korruptionsfälle in der Familie des Ex-Regionalpräsidenten publik gemacht hat, wodurch die Katalanisten arg in die Bredouille gerieten. „Pujol und die separatistische Bande verfälschten jahrelang die Geschichte und manipulierten den Schulunterricht und griffen dann noch schamlos in die öffentlichen Kassen“, sagt Jacobi. Er hat ein Flair von Donald Trump, ist kein Bildungsbürger, drückt sich nicht gewählt, sondern klar und direkt aus. Er tritt als Unabhängiger für die neue kleine aber national operierende konservative Partei „nosotros“ (wir) an. Geplant ist dieser Schritt schon seit langem. Mit der neuen spanischen Rechtspartei VOX hatte Jacobi im Vorfeld auch gesprochen: „Aber die sind mir zu radikal. Ich bin für Abtreibung und Gleichberechtigung, daran darf man nicht rütteln“.

Jacobi will als Bürgermeister auch die Interessen der deutschen Unternehmer vor Ort vertreten. Denn diese sind langsam sehr genervt von der angespannten Situation. „Seat hat schon einen Plan B in der Schublade“, sagt Jacobi, „und die sind nicht die einzigen“. Viele wählen den Weg über die Firmengründung in Madrid, die dann wie eine Auffanggesellschaft im Ernstfall alle Assets und Einnahmen aus Katalonien auf Knopfdruck übernimmt. 3000 Firmen haben bereits offiziell ihren Hauptsitz aus der Region verlegt: „Aber im Hintergrund sind es viel mehr, die sich aber aufgrund der immer gewalttätigeren Repressalien der Separatisten nicht outen können“, sagt der Geschäftsführer eines bekannten deutschen Unternehmens vor Ort, der aus genau diesem Grund nicht genannt werden will.

Katalonien schaufelt sich sein eigenes Grab

Nach einer kurzzeitigen Beruhigung im Sommer, nach dem Amtsantritt der Linksregierung in Spanien gerät die Situation in Katalonien ein Jahr nach den Regionalwahlen erneut aus den Fugen. Der Grund ist klar: Premier Pedro Sánchez reist durch die Welt und schenkt den Separatisten wenig Achtung. Das von diesen geforderte Referendum über Selbstbestimmung will er nicht zulassen. Es ist klares Kakül: Würde er diese Schublade aufmachen, würden auch das Baskenland, Navarra und vielleicht die Kanaren eine solche Abstimmung über ihre Zugehörigkeit zu Spanien organisieren wollen. Trotz der enormen Beleidigungen der Separatisten, auch im nationalen Parlament, will Sánchez sich heute mit Torra treffen. Er braucht die Stimmen der Katalanen für seinen Haushalt – ein Pokern, das alle spanischen Regierungen bisher praktiziert haben, das jetzt aber brenzlig wird. Hinzu kommt die Unzufriedenheit der katalanischen Bürger mit staatlichen Leistungen wie Gesundheit, Schule und Sicherheit, wo in den vergangenen Jahren von den Separatisten nicht investiert wurde. Auch die Regionalpolizei (Mossos) protestierte gerade, weil sie zu wenig Geld bekomme und zwischen zwei Stühlen sitze: die Unabhängigkeitsanhänger fordern, dass diese auf ihrer Seite stehen. Madrid dagegen kann jeden entlassen, der sich verfassungsfeindlich verhält.

Es werden die ersten Toten erwartet

Der interne Konflikt zwischen Madrid und Barcelona spitzt sich in diesen Tage enorm zu. Es wird schon bald mit den ersten Toten gerechnet, denn die Hälfte der katalanischen Bevölkerung unterstützt die aktuelle Regionalregierung. „Ich denke, dass wir die ersten hässlichen Szenen beim spanischen Ministerrat am 21. Dezember in Barcelona sehen werden“, glaubt Fernando Sánchez, ein spanischer in Madrid lebender Fotograf, der sehr viele katalonische Kunden hat. Er glaubt, dass die aktuelle Regierung es richtig macht, immer wieder den Dialog zu suchen, auch wenn Torra fast schon psychopathische Züge aufweise mit seinen rassistischen Reden gegen Spanien. Das Image, das die Region derzeit weltweit vermittelt, verärgert auch die ausländischen Unternehmer, die dort ansässig sind.

„Die Menschen, die hier wirklich etwas bewegen wollen, haben dieses Zerren, den Rassismus und die Hassreden satt. Das katalanische Privatvermögen wird derzeit im Stillen in die Schweiz oder nach Luxemburg verlegt“, erzählt eine deutsche Führungskraft, die nicht genannt werden will. Der Hungerstreik der inhaftierten separatischen Politiker und die Hunderten von protestierenden Anhänger, haben seiner Meinung nach zu kriegsähnlichen Zuständen geführt. Teile der katalanischen Kulturszene solidarisieren sich mit den Inhaftierten. Die aktuelle Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, ebenfalls. Madrid hält dagegen. 9000 nationale Polizisten sollen beim Ministerrat diesen Freitag für „Zucht und Ordnung“ sorgen. Sollte es zu Ausschreitungen kommen, ist zu erwarten, dass die Autonomie in Katalonien erneut ausgesetzt werden müsste. „Wenn das passiert, dann ist eigentlich aus meiner Sicht nur noch die Aktivierung des Plan B voranzutreiben, da es dann zu offener und konstanter Gewalt auf den Strassen und auch in den Betrieben kommen wird“, warnt der deutsche Unternehmer.