Tichys Einblick
Trumps Triumph

Donald und die Detektive

Es gibt keinen Beweis für eine Verschwörung von Donald Trump mit Russland während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016. Das ist jetzt amtlich. Viele Medien in den USA – und die meisten in Deutschland – scheinen sich damit einfach nicht abfinden zu wollen. Die Parteilichkeit in der Trump-Berichterstattung ist beispiellos.

US President Donald Trump speaks to journalists at Palm Beach International Airport March 24, 2019 in Palm Beach County, Florida, declaring he had been completely exonerated after his campaign was cleared of colluding with Russia in the 2016 election campaign.

NICHOLAS KAMM/AFP/Getty Images

„Das Problem mit der Außenpolitik Donald Trumps ist: Sie funktioniert.“ (Alan Posener – „Die Welt“, 28. April 2018)

Ganz am Anfang lassen Sie mich eine Beichte ablegen.

Vielleicht wird sie Ihnen nicht gefallen. Ich bitte Sie, trotzdem weiterzulesen. Ihr möglicher Ärger wird schon nach wenigen Absätzen wieder verfliegen, versprochen. Also: Persönlich finde ich Donald Trump unmöglich.

Wer sich mit solchen Leuten umgibt, wie er das tut (Paul Manafort, Roger Stone); wer so über andere redet, wie er das tut (John McCain und ganz allgemein Frauen); wer andere so behandelt, wie er das tut (Jeff Sessions) – bei dem spricht einiges dafür, dass er als Mensch tatsächlich so ist, wie sein Ex-Anwalt Michael Cohen das zu Protokoll gegeben hat: emotional gestört, pathologisch narzisstisch, intellektuell limitiert, ein Sexist, ein Rassist, ein Gauner, ein schlechter Verlierer und noch schlechterer Gewinner – das, was wir früher einen Schulhofschläger nannten.

Aber er ist gewählter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

Darüber kommen viele Medien in den USA – und die meisten in Deutschland – einfach nicht hinweg.

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Seit der Mann mit der eigentümlich orangen Solariumbräune und der noch eigentümlicher gefärbten Fönfrisur den ersten Schritt aufs politische Parkett getan hat, arbeiten sich die Medien an ihm ab. Dabei bildet die Berichterstattung über Trump eigentlich von Tag 1 an nur die Wünsche der Journalisten ab und nicht die Realität.

  • Erst hieß es, er würde nicht kandidieren.

Er kandidierte.

  • Dann hieß es, er hätte in den Vorwahlen keine Chance.

Er gewann die Vorwahlen.

  • Dann hieß es, die Republikaner würden ihn trotzdem nicht als Kandidaten nominieren.

Sie nominierten ihn.

  • Dann hieß es, er hätte nicht den Hauch einer Chance gegen Hillary Clinton.

Er gewann die Wahl gegen Hillary Clinton.

Das war der erste Realitätsschock.

Wie konnte das passieren? Als Schuldigen machte man das „undemokratische“ US-Wahlrecht aus (gegen das man bis dahin keinerlei Einwände hatte, wenn man es überhaupt kannte). Schließlich hatte Hillary Clinton ja die meisten Wählerstimmen gewonnen – lediglich das Wahlmänner-System verhinderte, dass sie die erste Frau an der Spitze der USA wurde.

Das Wahlmänner-System nach Trumps Sieg zu attackieren, ist einerseits der miese Stil schlechter Verlierer. Zum anderen offenbart es eine erschreckende Unkenntnis von Geschichte und PolitikSA. Der Föderalismus – die Eigenständigkeit der Bundesstaaten – ist in den USA noch viel wichtiger als in Deutschland. Das Wahlmänner-System wurde von den US-Verfassungsvätern genau deshalb so entworfen: Es soll eine Tyrannei der großen Bundesstaaten gegenüber den kleineren verhindern.

Ein Blick auf die Wählergrafik zu Trumps Wahlsieg 2016 zeigt, dass das System genau das geleistet hat: Denn Trump hatte in der großen Mehrzahl der Bundesstaaten gewonnen – Clinton hatte in nur wenigen, dafür aber besonders bevölkerungsreichen Staaten die Nase vorn. Das mag man undemokratisch finden – aber warum dann erst jetzt?

Egal. Alles ist recht, solange es als Argument gegen diesen Trump herhalten kann. Also ging es in genau der Preisklasse weiter:

  • Es hieß, er würde kein Jahr durchhalten.

Er ist jetzt mehr als zwei Jahre im Amt.

  • Dann hieß es, er würde des Amtes enthoben.

Ein sogenanntes „Impeachment“-Verfahren (wie bei Richard Nixon und Bill Clinton) ist weit und breit nicht in Sicht.

  • Dann hieß es, er würde die sogenannten Midterm-Wahlen krachend verlieren.

Er verlor weit weniger als andere Präsidenten vor ihm.

  • Dann hieß es, er würde angeklagt.

Davon kann keine Rede sein.

Und jetzt?

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Die Medien in den USA funktionieren – wie fast alles dort – anders als in Deutschland. Formal, einerseits, sind es rein gewinnorientierte Wirtschaftsbetriebe, die jeden Tag aufs Neue ihre Leser, Zuschauer und Hörer finden müssen. Inhaltlich, andererseits, geben die Pressegesetze Journalisten teilweise ziemlich beneidenswerte Rechte und Schutz. Kulturell, schließlich, ergreifen US-Medien traditionell durchaus Partei in den vielen Debatten, die dieses meinungsfreudige Land mit Lust am Streit und Neigung zum öffentlichen Bekenntnis fortwährend austrägt.

Miserabler Politikstil
Trump, der Mueller-Report … und wir
Das hat bisher ganz gut geklappt, weil der Konkurrenzkampf der Medienkonzerne tatsächlich eine große Meinungsvielfalt in den Medienerzeugnissen sicherte. Aber seit der Wahl Donald Trumps ist nahezu schlagartig Schluss damit.

Die Washington Post verfällt in alte, überwunden geglaubte Zeiten und sieht heute wieder aus wie die Parteizeitung der Demokraten, als die sie in den 70er-Jahren schon einmal verschrien war. (Das war damals der Grund dafür, weshalb Amerika ziemlich lange die Watergate-Enthüllungen nicht so recht für voll genommen hat. Erst, als die Beweise gegen Richard Nixon erdrückend waren, wurde der Zeitung auch so richtig geglaubt.)

Die New York Times war einmal die beste Zeitung der Welt und zwar eindeutig liberal-progressiv, aber ebenso eindeutig nüchtern und rational. Mittlerweile fährt sie massiv unsaubere Anti-Trump-Kampagnen, für die sich sogar öffentlich entschuldigen muss.

CNN entwickelt sich im TV zu dem, was die Washington Post bei den Zeitungen wieder ist: ein Parteiorgan der Demokraten.

Die ehemals seriösen Medien der USA haben sich selbst unseriös gemacht. Und deutsche Medien haben das fast ausnahmslos kopiert. Spiegel Online hat sich nicht entblödet, eine Fotostrecke (!) „Donald Trump: Die 11 dümmsten Zitate“ zu nennen. Mehr Propaganda und weniger Journalismus geht nicht.

So schreibt die SZ„Aber Mueller schöpfte auch nicht alle Optionen aus. Warum er nicht darauf bestanden hat, Trump selbst zu einer Aussage unter Eid vorzuladen, wird er noch erklären müssen. Der Präsident hätte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Falschaussage unter Eid verstiegen. Bill Clintons Impeachment-Verfahren fußte auf einer Meineidsaussage. Bei Trump, dem notorischen Lügner und Vielredner, wäre sie kinderleicht zu konstruieren gewesen.

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Nun ist Donald Trump selbst, siehe oben, weder seriös noch stilvoll. Das kann aber unmöglich eine Entschuldigung dafür sein, dass die Medien ihre Rolle aufgeben (für die sie in der Demokratie dringend gebraucht werden) und so ihren Auftrag verfehlen (der allein auch ihre Verfassungsprivilegien rechtfertigt).

Schließlich hatten andere Präsidenten auch offensichtliche Persönlichkeitsstörungen – oder war Bill Clinton etwa kein alkoholkranker Sexsüchtiger? Wenn man sich an ihn und seine Skandale erinnert, ist „Heuchelei“ noch das harmloseste Wort, das einem zur Berichterstattung gerade auch der deutschen Medien über die Untersuchung einer möglichen Trump-Russland-Connection durch den Sonderermittler Mueller einfällt.

Erinnert sich wer? Bill Clinton hatte nachweislich mehrfach die Justizbehörden und den Kongress belogen, die Öffentlichkeit sowieso. (Das hatte ein anderer Sonderermittler bewiesen: Kenneth Starr.) Aber praktisch alle deutschen Medien fanden das Amtsenthebungsverfahren, das die Republikaner damals anstrengten, unangemessen, übertrieben, ja skandalös.

Trump ist jetzt nachweislich legal nicht zu belangen. Die Armee von Detektiven, die der heutige Sonderermittler Mueller auf Spurensuche geschickt hat, konnte genau nichts entdecken – aber alle Medien bedauern irgendwie, dass es kein Amtsenthebungsverfahren gibt. Etwas trotzig schwenkt man um auf ein neues Narrativ: „Der Bericht deckt trotzdem ein schlimmes System auf“.

Geht’s noch?

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Das Schlimmste aber ist die geradezu aggressive Geringschätzung einer demokratischen Entscheidung.

Nie, nie, nie wird in der Trump-Berichterstattung der Wählerwille ernst genommen. Entweder sind die Leute desinformiert. Oder sie wissen nicht, was sie tun. Oder sie sind verführt. Oder sie sind wahlweise Rassisten, Chauvinisten, Sexisten – oder gleich Nazis (also alles zusammen).

Diese Wählerverachtung ist abscheulich.

Und es ist genau diese Wählerverachtung durch das vorgeblich linksliberale progressive Milieu, die Trump überhaupt erst zum Präsidenten gemacht hat. „Trump hat die Wahlen nicht gewonnen, die Demokraten haben sie verloren,“ sagt der linke US-Senator Bernie Sanders hellsichtig.

Denn auch nach acht Jahren Präsidentschaft von Barack Obama hatte das Ehepaar Clinton die Demokratische Partei fest im Griff – so fest, dass die Parteiführung zur dreisten Manipulation bereit war, um Hillary Clinton zur Präsidentschaftskandidatin zu machen.

Sie erwies sich als die falsche Kandidatin. Sie inszenierte sich als Vertreterin der kleinen Leute – über die sie sich dann in fürstlich honorierten Vorträgen vor Bankmanagern verächtlich ausließ. Es ist vermutlich keine gute Idee, Leute herabzuwürdigen, die einen später noch wählen sollen.

Donald Trump lügt, aber er ist dabei auf eine gewisse Art und Weise authentisch. Er spielt, so scheint es jedenfalls, den Leuten nichts vor: Er ist wirklich so. Die Menschen spüren das. „Klar lügt er, er ist Politiker. Aber er verarscht uns nicht.“ Ja, es geht auch um Inhalte. Aber noch mehr geht es um Echtheit.

Clinton lügt nicht schlimmer als Trump – aber sie tut so, als sei sie ehrlich. Von dieser Scharade haben die Leute in den USA ganz offensichtlich die Nase voll (in Deutschland übrigens auch).

Die Sache bei Trump, die den Journalisten wohl am schwersten im Magen liegt: Er tut, was er sagt. Mit „America first“ hat er Wahlkampf gemacht. „America first“ war der zentrale Satz seiner Rede zur Amtseinführung. Die Politik, die er seitdem macht: America first.

Das muss einem inhaltlich nicht gefallen, keineswegs. Aber wieso kritisieren Medien einen Präsidenten dafür, dass er seine Wahlversprechen hält? Ist es sonst nicht immer anders herum?

So kommt’s, wenn Journalisten sich selbst wichtiger nehmen als ihren Berichtsgegenstand.

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Journalisten sind im Beobachtungsgeschäft, nicht im Aktivistengeschäft. Jedenfalls sollten sie das sein. Tatsächlich entfernen sie sich davon aber immer öfter – und rechtfertigen das halbwegs fantasievoll mit vermeintlichem Überbau-Quatsch wie „Haltung“ (was tatsächlich „Meinung“ bedeutet und lediglich erbärmlich parteiischen Journalismus verbrämt).

Neulich hatte ich wieder einmal eine dieser frustrierenden Unterhaltungen mit einem dieser nervtötenden Haltungs-Kollegen. „Wenn Sie die Welt verändern wollen, gehen Sie in die Politik,“ sagte ich ihm. „Journalisten sind dazu da, die Welt zu beschreiben. Welche Schlüsse das Publikum aus der Beschreibung zieht, ist Sache des Publikums.“

Er hat mich nicht verstanden.