Tichys Einblick
ZDF & Co. gegen Ungarn

Regierungssprecher: Deutsche Medien verbreiten Falschmeldungen über Flüchtlinge in Ungarn

Deutschlands östliche Nachbarn tragen die Hauptlast der ukrainischen Flüchtlingskrise. Doch deutsche Medien sind unzufrieden. Eine ZDF-Korrespondentin insinuiert, dass sich Ungarns Grenzkontrollen jetzt verbieten.

Flüchtlinge aus der Ukraine überqueren die ungarische Grenze in Barabas

IMAGO / Pixsell

In Budapest ist man empört – nicht direkt über die deutsche Politik, aber doch über die Medienlandschaft, die sie zu verantworten hat. Die negativen, häufig durch die Fakten nicht gedeckten Stücke der öffentlich-rechtlichen Sender über das Land finden kein Ende. Lassen wir die „heute-show“ des ZDF für den Moment beiseite. Denn Satire darf ja bekanntlich alles, auch wenn es nicht gerade diplomatisch ist, den ungarischen Regierungschef mit der Filmfigur Hannibal Lecter zu vergleichen oder eine EU ohne die „dummen Ungarn und Polen“ zu fordern.

Aber auch in deutschen Nachrichtensendungen überwiegen kritische bis ideologisch verzerrte Berichte über die südöstlichen Nachbarn. So hatte sich das gebührenfinanzierte ZDF im März 2021 über große Armut in Ungarn besorgt, doch Eurostat-Zahlen zeichneten ein anderes Bild, so ein Sprecher der ungarischen Regierung. Das, was als Armut definiert wird, hat sich demnach in zehn Jahren Orbán-Regierung halbiert, während das Armutsrisiko unter dem EU-Schnitt liegt. Zur gleichen Zeit hatte die zwangsgebührenfinanzierte Deutsche Welle bereits angekündigt, künftig auch Inhalte („real stories“) in ungarischer Sprache anzubieten. Die Regierung nahm das als Hinweis darauf, dass man auch in der DW-Führungsetage die ungarischen Parlamentswahlen am kommenden 3. April im Auge hatte.

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Dazu passte ein Bericht der Deutschen Welle, in dem der Wiederaufbau von Gebäuden und Denkmälern in Budapest kritisiert wird, die im Zweiten Weltkrieg bei Kämpfen zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion zerstört wurden. Der Staatssekretär für internationale Kommunikation und Beziehungen Zoltán Kovács beklagt eine „deutsche Medienarroganz“ gegenüber seinem Land. Doch er geht noch weiter: Die meisten der Berichte beruhten zudem auf Falschinformationen.

Das gilt wohl auch für die neueste Reportage des ZDF zu angeblichen Hindernissen bei der Aufnahme von ukrainischen Kriegsflüchtlingen. Dem deutschen Sender missfiel, wie (oder dass) die ankommenden Flüchtlinge in Ungarn auch auf ihre Papiere hin kontrolliert werden. Die ungarischen Behörden hielten demnach einen Familienvater, der einst in Tschernobyl schwere Dienste geleistet und psychische Probleme habe, unter Vorwänden an der Grenze fest, weil er keinen biometrischen Pass hatte. Seine Frau erzählt, dass sich ihr Mann nun registrieren lassen müsse, bevor er weiterreisen kann.

Was verlangt das ZDF? Die Aufgabe aller Grenzkontrollen?

Man merkt rasch, wie aufgeblasen diese Geschichte ist. Nun mag es sein, dass die betroffene Familie ihr Feststecken als Zumutung empfindet, und jeder Staatsdiener mit Augenmaß wird auf die Umstände achten. Was aber Patricia Schäfer vom ZDF-Landesstudio Bayern fordert, scheint der Verzicht auf Kontrollen überhaupt zu sein. Regierungssprecher Kovács spricht von einer Suche nach dem „winzigen Detail“, das Ungarn in einem negativen Licht zeigen könnte, und verweist auf die Aufnahmeleistung des Landes.

Die ungarische Regierung widerspricht im Übrigen auch im Detail: Ein biometrischer Pass sei an der ungarisch-rumänischen Grenze, um die es in dem Fall geht, eben gerade nicht erforderlich. Ukraine-Flüchtlinge könnten mit jedem beliebigen Dokument oder auch ohne Dokumente nach Ungarn einreisen. Allerdings seien Einreisen aus anderem Grund dem Schengener Grenzkodex unterworfen. Das dürfte der Grund dafür sein, dass ein Mindestmaß an Kontrollen an den ungarischen Grenzen trotz der angehenden Fluchtkrise beibehalten wurde.

Die Polizei Budapest berichtet von weiteren Fällen, wo es bei der Ausgabe von Sachspenden für Ukraine-Flüchtlinge zum Missbrauch gekommen sei. Menschen mit ständigem Wohnsitz in Ungarn hätten zum Teil viele Male versucht, sich die Leistungen zu erschleichen. Einige hätten sogar lange Bahnfahrten auf sich genommen, um wieder und wieder Hilfspakete abzugreifen. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um dieselbe Menschengruppe handelt, die in der Armutsreportage des ZDF eine zentrale Rolle spielte. Denn auch in diesem Fall wurde der ungarischen Regierung „Racial Profiling“ vorgeworfen.

Viktor Orbán war in der vergangenen Woche an die ungarische Grenze gekommen und hatte zugesagt, dass „allen Flüchtlingen, die aus einem Nachbarland kommen, geholfen werden muss“ – eine Pflicht, die einem „elementaren, menschlichen und christlichen Instinkt für das Leben“ entspringe. Im Ergebnis nahm Ungarn inzwischen mehr als 200.000 Flüchtlinge aus der Ukraine auf. Daneben will man der Ukraine mit insgesamt 800 Millionen Forint (etwa zwei Millionen Euro) helfen und nochmals 1,35 Milliarden Forint (3,5 Millionen Euro) für das Ungarische Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen spenden.

Auch in Deutschland wird ein Generalverdacht gegen Grenzkontrollen gehegt

Grenzkontrollen derzeit nur zu Österreich
Viele Drittstaatler kommen nach Deutschland – Bundespolizisten wehren sich gegen „Racial Profiling“-Vorwurf
Doch auch in Deutschland steht die Bundespolizei bereits unter latentem Generalverdacht, wenn sie nur ihrer originären Tätigkeit nachgeht: kontrollieren, wer unter welchen Umständen versucht, nach Deutschland einzureisen. Laut dem Sprecher der Bundespolizei, Jens Schobranski, geht es bei den stichprobenartigen Kontrollen an der polnischen und tschechischen Grenze, die derzeit stattfinden, darum, „Trittbrettfahrer“ herauszufischen und nach Polen zurückzuweisen, wenn sie illegal eingereist sind.

Dass solche Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze praktiziert werden, ist allerdings eine Neuigkeit. In den letzten Monaten waren die Bundespolizisten der östlichen Landesgrenze – laut Berichten aus der Truppe – dazu übergegangen, auch diese Kontrollen einzustellen, zugunsten der reinen Registrierungsarbeit, die in den Monaten der Weißrussland-Krise alle Ressourcen der Polizeiabschnitte in Anspruch nahm.

Wenn der RBB also heute von großen Polizeieinsätzen am Bahnhof von Frankfurt (Oder) berichtet, dann erscheint das vorderhand als Fortschritt: Es wird kontrolliert und ein Unterschied gemacht zwischen legitimer Flucht und einer Ausnutzung der unübersichtlichen bis chaotischen Lage. Doch am Ende fragt man sich auch, wie weit diese Kontrollarbeit noch sinnvoll ist. Denn wenn die polnischen Behörden die illegal Eingereisten nicht übernehmen, wird wiederum die deutsche Ausländerbehörde eingeschaltet, was in etwa dem alten Verfahren entspräche. Die Brandenburger dürften wissen, wovon die Rede ist.

Der Brief des Botschafters: Berichte sind „unsachlich, zutiefst verletzend“

Inzwischen hat der ungarische Botschafter in Berlin, Péter Györkos, einen Brief an den Intendanten des ZDF, Thomas Bellut, verschickt, in dem er sich darüber beschwert, dass das ZDF seine einseitige Berichterstattung auch am Tag nach dem Bericht von der ungarischen Grenze etwa in derselben Weise fortsetzte. Die Flüchtlingssituation in Ungarn werde „unsachlich“ und „auf eine zutiefst verletzende Weise“ dargestellt.

Aus Györkös’ Sicht mangelt es nicht nur am Respekt vor der Leistung seines Landes, auch die Einigkeit der ungarischen Gesellschaft werde vollkommen ausgeblendet. Györkos beschreibt den „gesellschaftlichen Zusammenschluss und die Hilfsbereitschaft“ in seinem Land als „überwältigend“. Das konnte auch Patricia Schäfer nicht ganz übersehen; es war aber nicht der zentrale Inhalt ihrer Reportage. Für den Botschafter ist das aktuelle Verhalten des ZDF ein Keil, der in die deutsch-ungarischen Beziehungen getrieben wird – es hat also mehr als nur mediale Auswirkungen. Die Tatsache, dass über Ungarn „nur Schlechtes oder Nichts“ berichtet wird, stellt Györkös implizit als Spaltpilz in der EU und der Nato dar.

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Er verweist im Übrigen auf die jahrelangen Verdienste seines Landes bei der Abwehr einer übergroßen illegalen Migration, die im Wesentlichen auf die Sogwirkung Deutschlands zurückging. Ungarn habe Deutschland so auch vor einer noch stärkeren Belastung, vor „unerträglichem Druck“ bewahrt. Auch auf eine andere Tatsache weist Györkös hin: „Ich möchte hinzufügen, dass die Erfüllung unserer humanitären Verpflichtung nicht davon abhängt, ob irgendjemand diese anerkennt.“ Ukrainische Flüchtlinge könnten in Ungarn auf Unterstützung rechnen: „Wer bei uns bleibt, kann sich sicher fühlen, wird anständig betreut und muss keine Angst haben, auf eine Art ‚Obergrenze‘ zu stoßen.“ Ungarn sei in diesem Fall das „erste sichere Land“ und insofern zu jeder Hilfsleistung bereit, ja, man könnte nach diesen Worten sagen, entschlossen.

Abschließend versucht der ungarische Botschafter, trotz aller Differenzen einen Dialog mit dem Intendanten oder der Redaktion des ZDF anzustoßen: „Ich mache mir keine Illusionen, die strittigen Themen verlieren sich nicht im Nebel des Krieges, sei es Migration, Gesellschafts- und Familienpolitik oder der in den politisch-ideologischen Sumpf geführte Rechtsstaatsdialog. Man muss sie austragen können. Das Toleranzangebot unsererseits wurde mehrfach und auf höchstem Niveau bestätigt.“

Dass Ungarn „auf der richtigen Seite der Geschichte“ steht, sagte jüngst auch der EU-Kommissar Margaritis Schinas, zuständig für Migration und „europäischen Lebensstil“. Inzwischen dankte übrigens auch der indische Premier Narendra Modi seinem ungarischen Amtskollegen für die Rückführung indischer Staatsbürger: „Es war eine beispielhafte Handlung, die die Freundschaft zwischen dem ungarischen und dem indischen Volk stärkt.“

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