Tichys Einblick
Israel gehen die Optionen aus

Der „Kreislauf der Gewalt“ lässt sich nur stoppen, wenn Israel gewinnt

Jeder, der die endlosen Runden der Gewalt beenden will, sollte sich merken, wer das Feuer gelegt hat und wer der Feuerwehrmann ist. Er sollte wollen, dass die Hamas verliert, dass Israel gewinnt und dass aus der Niederlage der Hamas eine palästinensische Führung hervorgeht, die nicht zur Hamas gehört.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Abir Sultan

Es gibt viele Missverständnisse über Israel in den internationalen Medien, aber eines der verwirrendsten ist die Behauptung, dass der Krieg ohne die Anwesenheit von Benjamin Netanjahu enden würde. Das ist eine jener Fehleinschätzungen, die im besten Fall auf Hoffnung statt Analyse basieren und im schlimmsten Fall von verblüffender Ignoranz zeugen.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben. In den letzten Monaten habe ich so ziemlich jeden in der israelischen Politik interviewt, der eines Tages Netanjahu ersetzen könnte. Es spielt keine Rolle, ob sie von der rechten oder linken Seite des politischen Spektrums kommen, keiner von ihnen würde etwas anderes tun als das, was er jetzt tut.

Man könnte fragen, warum. Doch die Antwort ist offensichtlich. Was würden Sie tun, wenn 1.200 Ihrer Bürger auf barbarischste Weise abgeschlachtet worden wären? Was würden Sie tun, wenn Hunderte Ihrer Bürger als Geiseln genommen worden wären und mehr als hundert in einem dicht besiedelten zivilen Gebiet festgehalten würden? Hinzu kommen noch ein paar andere Faktoren. Stellen Sie sich vor, dass all dies von einer Terrorgruppe begangen wurde, die keine Uniformen trägt, die sie von der normalen Bevölkerung unterscheiden, dass die Terroristen die Zahl der zivilen Opfer auf ihrer Seite maximieren wollen und, dass ein Großteil der Zivilbevölkerung tatsächlich daran mitwirkt, Geiseln zu verstecken, Waffen in ihren Häusern zu lagern oder Eingänge zu den riesigen unterirdischen Tunnelnetzen der Terroristen zu beherbergen – was wiederum würden Sie dann tun?

Die Genies in der Sesselrunde neigen dazu, Dinge zu sagen wie „Es sollte Frieden geben“, als ob das den Israelis nie in den Sinn gekommen wäre. Oder sie sagen: „Es muss eine Waffenruhe geben“, und auch hier wird so getan, als sei dies eine fantastisch originelle Einsicht. All das wird auch in Jerusalem gewünscht! Wer will schon 18 Jahre lang am selben Ort Krieg führen?

Dennoch hält sich in Washington, Paris und London der Irrglaube, dass die Geschehnisse in Gaza aufhören könnten, wenn sich nur die Führung Israels änderte.

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Ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass dieser Krieg fast genauso ablaufen würde, egal wer der Premierminister Israels wäre. Kein Führer, egal ob von links, der Mitte oder rechts, wäre in der Lage gewesen, sich zurückzulehnen und zuzulassen, dass die Hamas mit ihrem Massaker vom 7. Oktober davonkommt. Kein israelischer Führer würde zulassen, dass die Hamas israelische Geiseln vergewaltigt, foltert und in der brutalsten Weise behandelt, ohne alles zu tun, um sie zurückzubekommen.

Einer derjenigen, die als möglicher israelischer Premierminister vorgeschlagen werden, ist Benny Gantz, ein Minister im Kriegskabinett und langjähriger Rivale Netanjahus. Im vergangenen Monat unternahm er eine Reise in die USA, die in Israel sehr umstritten war und von einigen als Gelegenheit für Gantz gesehen wurde, sich in Washington als akzeptableres Gesicht zu präsentieren.

Die Äußerungen von Gantz bei diesem Besuch dürften einige in der Spitze der US-Regierung und der Führung der Demokratischen Partei überrascht haben. Damals wie heute richtete sich die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens – das letzte Versteck der verbliebenen Hamas-Führung und der vermutete Aufenthaltsort der überlebenden israelischen Geiseln. In Rafah leben auch viele Zivilisten aus dem Gazastreifen, was die Operation für die Israelis unendlich viel schwieriger macht, für die Hamas jedoch sehr hilfreich ist, da sie sich immer wieder damit brüstet (und demonstriert), wie sehr sie den Tod liebt.

Allein die intensive weltweite Aufmerksamkeit für diese Operation ist bemerkenswert. Ich war im Jahr vor Gaza in der Ukraine, und zu keinem Zeitpunkt gab es vergleichbare Bedenken bezüglich der Operationen oder Taktiken der ukrainischen Armee. Auch gab es damals – und seitdem – keine besonderen Befürchtungen, dass die Ukrainer in ihrem Bemühen, den Krieg zu gewinnen, zu viele russische oder ukrainische Zivilisten verletzen könnten. Eine Erklärung dafür ist, dass ein Großteil der Welt immer noch die Israelis als die Aggressoren und die Hamas als die Opfer sieht, selbst in einem Krieg, der nachweislich und beweisbar von der Hamas blutig begonnen wurde. Doch diese ganz spezielle Pathologie einmal aufzudröseln, muss an einem anderen Tag erledigt werden.

Interessant an Gantz’ Auftritt in Washington war, dass er klar und deutlich sagte: „Den Krieg zu beenden, ohne Rafah zu räumen, ist so, als würde man einen Feuerwehrmann schicken, um 80 Prozent des Feuers zu löschen.“

Das ist in der Tat so. So wie es keinen Sinn macht, 80 Prozent eines Feuers zu löschen, so macht es auch keinen Sinn, 80 Prozent der Hamas zu zerstören und nicht alle Geiseln zurückzubekommen. Aufrufe von Leuten wie die von Außenminister Lord Cameron, den Krieg zu beenden, übersehen den Fakt, dass sie damit die Israelis auffordern, nicht zu gewinnen.

Einer der anderen Anwärter auf das Spitzenamt in Israel erzählte mir vor einigen Monaten, dass er 2009 die Chance gehabt hatte, die Hamas zu zerstören, als es zu einer weiteren Runde des Krieges kam, diesmal verursacht durch den Raketenbeschuss Israels durch die Terrorgruppe. Er hätte es damals tun können, sagte er, aber ein internationaler Aufschrei verursachte solch großen innenpolitischen Druck, dass er sich zurückhielt, die Arbeit zu beenden. Doch was die Leute damals, die irrtümlich dachten, sie hätten einen überaus wunderbaren Dienst geleistet, in Wirklichkeit getan haben, war: Sie haben jeden Konflikt, der seitdem aufgetreten ist, einschließlich des Konflikts, in dem sich die Hamas und Israel derzeit befinden, verursacht.

Jeder, der eine Chance hat, Israel zu führen, weiß, dass die einzige Möglichkeit, den „Kreislauf der Gewalt“ zu stoppen, darin besteht, dass Israel gewinnt.

Einige werden sich natürlich an dieser Aussage stoßen. Einige davon, weil sie einen Sieg der Hamas wollen. Andere glauben, dass ihre Forderungen lediglich darauf abzielen, weitere palästinensische Opfer zu vermeiden. Sie könnten sich nicht mehr irren. Jeder, der die endlosen Runden der Gewalt beenden will, sollte sich merken, wer das Feuer gelegt hat und wer der Feuerwehrmann ist. Er sollte wollen, dass die Hamas verliert, dass Israel gewinnt und dass aus der Niederlage der Hamas eine palästinensische Führung hervorgeht, die nicht zur Hamas gehört.

Wird es dazu kommen? Wer weiß das schon. Zurzeit versucht die Welt, Israel zu einem weiteren Unentschieden zu zwingen. In Wirklichkeit schaffen sie damit die Voraussetzungen für einen unaufhörlichen Krieg.


Dieser Beitrag von Douglas Murray erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe von The Spectator. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.

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