Tichys Einblick
Italiens Kampf gegen Coronavirus

Das Klinikum Bergamo kurz vor dem Kollaps

An die 12 Intensivärzte und Anästhesisten sowie 44 Pflegekräfte und Krankenschwestern wechseln sich in unvorstellbar arbeitsintensiven Schichten ab. Allein in Bergamo wurden bisher über 2.800 Infizierte aufgenommen und behandelt.

Coronavirus in Bergamo - mural, depicting nurse embracing Italy, posted on the hospital of Pope John XXIII in solidarity with the health workers

imago images / Independent Photo Agency Int.

Während sich die Italiener in der Massen-Isolation, einer nie da gewesenen Quarantäne neuerer Zeit, befinden, arbeiten die Ärzte und Intensivpfleger am Klinikum „Papst Johannes XXIII.“ von Bergamo ohne Unterlass auf Hochtouren. Für Italien, Europa, aber auch für Deutschland. Denn Italiens Erfahrungen und Erkenntnisse aus der „Corona-Intensivpflege“ werden auch überall sonst aufmerksam verfolgt.

Die Hiobsbotschaften indes reißen nicht ab, und ziehen nicht nur die disziplinierten Bürger ein Stück weit herunter, sondern auch die Mediziner und Pfleger, die ohne Pausen arbeiten. Es wurde wieder ein Anstieg auf nun über 24.500 Infizierte gezählt, an einem einzigen Tag verstarben 368 Infizierte, was die Zahl der Toten durch das Covid19-Virus auf knapp über 1.800 ansteigen lässt.

Insgesamt aber blieb die Zahl der Neuinfizierten drei Tage in Folge unter 20%. Die Region Lombardei, wo die Ansteckungzahlen ihren größten Verlauf nahmen, ist immer noch die Hochrisiko-Region des Landes. Die Ärzte und das Kranken- und Pflegepersonal sind rund um die Uhr im Einsatz.

Auch wenn es in der Lombardei noch freie Intensivpflegebetten gibt, wie der „Assessore Welfare“, der regionale Verantwortliche, Giulio Gallera, der Presse bekannt gibt, von 1.200 Intensivplätzen seien 924 für Covid19-Patienten bestimmt, stöhnt das Klinikum in Bergamo wahrlich auf.

An die 12 Intensivärzte und Anästhesisten sowie 44 Pflegekräfte und Krankenschwestern wechseln sich in unvorstellbar arbeitsintensiven Schichten ab. Allein in Bergamo wurden bisher über 2.800 Infizierte aufgenommen und behandelt.

Manchmal müssen ankommende Patienten bereits im Ambulanzraum intubiert werden, so dringlich ist die Situation, und so tragisch. Andere wiederum werden schnell auf den Bauch verlagert, um das Atmen zu erleichtern. Ärzte und Pfleger sind oft schnell an ihren Grenzen, wenn selbst die Beatmungs- und Sauerstoffgeräte kaum mehr Hilfe aus der gesundheitlichen Krise schaffen.

Manch ein Patienten zum Beispiel springt tagsächlich auf das Arthritis-Präparat Tocilizimab, an. Das gilt unter den Medizinern zwar momentan als eine der „chemischen Waffen“, wie der Onkologe Paolo Ascierto über seine Erfolgserlebnisse weiter unten im Süden Italiens berichtet.

Am Klinikum Papst Johannes XXIII, wo sich Mediziner und Rettungskräfte den Corona-Erkrankten widmen, müssen alle auch mit Rückschlägen und traurigen Nachrichten umgehen können. Ein 47-jähriger Rettungssanitäter der „118“ in Italien, war seit Ausbruch des Virus aktiv und an vorderster Front dabei, steckte sich an – der Familienvater und Lebensretter verstarb binnen einer Woche – Vorerkrankungen sind keine bekannt.

Das Krankenhaus schlägt Alarm, weitere minder schwer Erkrankte werden in die Nachbarregionen, Friuli Venezia, und Veneto gebracht. Man hofft vor allem auf mehr Equipment und Gerätschaften, das wohl unterwegs sei, aber nach Auskunft am ausländischen Zoll festhängen würde. Der Wahnsinn in Zeiten der Pandemie, die Regierung mit Conte und Di Maio wollen diese Länder anzeigen und verklagen.

Für weitere Pflegebetten werden wohl auf dem ehemaligen Expo-Gelände von Mailand nun extra Pavillons umgerüstet. Das ist der schwache Trost: Improvisieren konnten Italiener schon immer. Hilfe kommt dabei auch aus China, in Form von Schutzmasken, die geschickt werden. Aber auch Ärzte und Wissenschaftler, die die Italiener beim Kampf gegen die Seuche unterstützen wollen.

In Bergamo dagegen bitten die Ärzte um Doktor Luca Lorini sowie auch dieser selbst in zahlreichen Interviews wie in Talkshows zugeschaltet die Bürger in Italien: „Wenn ihr unsere Arbeit wirklich unterstützen wollt, bleibt bitte zuhause. Es ist sehr wichtig. Es dauert noch, aber wir werden es dann schaffen …“. Worte wie Balsam für die Seele der Italiener, die abends von den Balkonen singen, sich gegenseitig stützen, den Blick durch die größte Krise unserer Tage nach vorne richten.

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