Tichys Einblick
Wo ist Caesar?

Das Ende der Trump-Präsidentschaft und der Niedergang der römischen Republik

Schon zu Beginn der Präsidentschaft Donald Trumps verglich David Engels die kommende Regierungszeit mit den letzten Jahren der römischen Republik. Am Ende der Trump’schen Präsidentschaft findet der Autor seine Vermutung bestätigt.

Schon zu Beginn der Präsidentschaft Donald Trumps verglich ich seine kommende Regierungszeit mit jenen letzten Jahren der römischen Republik, als „populistische“ Volkstribunen wie Catilina oder Clodius sich in einer Mischung aus Ehrgeiz, Demagogie, Reformbestreben und echter sozialer Sorge gegen die römische Senatsoligarchie und ihre enge Verknüpfung mit den damaligen Finanzeliten auflehnten – und kläglich scheiterten. Das Ende der Trump’schen Präsidentschaft bestätigt diese Vermutung.

Die „Black Lives Matter“-Unruhen, das Chaos der „Erstürmung“ des Kapitols am 6.1.2021 und die mittlerweile erlangte völlige Kontrolle seines Gegenspielers über sämtliche Institutionen der Republik erinnern in fataler Weise an jene Monate blutiger Auseinandersetzungen zwischen dem Volkstribunen Clodius, jenem zum Populisten gewordenen „enfant terrible“ des römischen Patriziats, und seinem Kontrahenten Milo, dessen Terror von der Senatsoligarchie systematisch gefördert worden war, um Clodius und seine Getreuen von den Straßen und den von ihnen besetzten öffentlichen Gebäuden zu vertreiben und auch physisch aus dem Weg zu räumen.

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Freilich, der Populist Clodius bemühte sich im Gegensatz zu Trump kaum um eine kulturkonservative Agenda, und der Optimat Milo hätte wohl nie wie die BLM die eigene Geschichte verhöhnt. Doch finden wir auch im spätrepublikanischen Rom ebenso wie heute ein allmähliches Verschwimmen zwischen jenen traditionell „linken“ und „rechten“ Positionen, die zur Zeit der sozialen Wirren der Gracchen im späten 2. Jh. v.Chr. (die wir am ehesten mit unseren 1920ern vergleichen könnten) noch recht stark voneinander unterschieden waren. Vor allem aber zeigen die kaum zu leugnenden morphologischen Parallelen zwischen damals und heute eines: Die zunehmende Tendenz spätzeitlicher Politik, ursprüngliche Parteiengegensätze durch Kartelldenken und „Große Koalitionen“ auszuhöhlen, dann die systematische Ausgrenzung und somit politische Radikalisierung jeglicher inneren Opposition, ferner die wachsende Unfähigkeit zur inneren Reform bei anwachsender sozialer Polarisierung und schließlich die Instrumentalisierung der „Straße“ für den politischen Kampf – und das eben nicht nur durch die angeblichen „Populisten“, sondern auch durch die etablierten Parteien, seien es nun die Schlägerbanden des Milo, die Antifa oder die BLM-Bewegung.

Erhellend ist dabei die ultimative Konsequenz jener kurzen Hochphase der populistischen Bewegung im spätrepublikanischen Rom, nämlich das noch engere Zusammenrücken der gefährdeten Elite und deren Bereitschaft, selbst genau das zu vollziehen, was sie dem Gegner vorwarf: die politische Instrumentalisierung des Notstands. So folgte auf die Ermordung Clodius’ im Jahre 52 v.Chr. die in der politischen Geschichte Roms unerhörte Ernennung des Pompeius zum Consul ohne Kollegen, welche faktisch einen zentralen Bestandteil der römischen Gewaltentrennung außer Acht setzte und wesentliche Züge des späteren Kaiserreichs vorwegnahm.

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Pompeius, obwohl er insgeheim den Konflikt zwischen Clodius und Milo angeheizt hatte, gerierte sich zwar als „Vermittler“ zwischen den römischen Popularen und Optimaten, machte aber unter dem Vorwand der Bekämpfung der „Unruhestifter“ mittels polizeilicher und juristischer Sonderrechte mit seinen politischen Gegnern in rascher Zeit reinen Tisch. Und es steht wohl zu erwarten, dass auch Joe Biden, der sich ebenfalls gerne als Mann der „Mitte“ darstellt, die von seinen Gefolgsleuten bereits angefertigten „Listen“ der allzu eifrigen Trump-Anhänger wohl zu nutzen wissen wird, wie ohnehin auch im „Alten Europa“ zu vermuten ist, dass das Ende der Trump’schen Schonzeit noch mehr als bisher zu politischen Repressionen gegenüber dem in sich zerstrittenen europäischen Rechtspopulismus führen wird. Der Corona-Notstand dürfte hierfür wohl interessante institutionelle Voraussetzungen bieten.

Wer allerdings glaubt, dass der anstehende Sieg des politischen Establishments von Dauer sein wird, hat sich getäuscht: Die amerikanischen „Deplorables“ ebenso wie die französischen „Gelbwesten“ oder die deutschen „Wutbürger“ und „Coronaleugner“ werden gerade aufgrund ihrer inhaltlichen Schwammigkeit auch weiterhin ein mächtiges politisches Kapital sein, das demjenigen zur Verfügung stehen wird, der es zu benutzen weiß und begriffen hat, dass der politische Kampf der Zukunft wie im spätrepublikanischen Rom wohl nicht mehr über Wahlen und Institutionen, sondern über Charisma, öffentliche Meinung, Finanzkraft und den Druck der Straße entschieden werden wird. Im alten Rom folgte daher auf die kurze Ruhe des alleinigen Consulats des Pompeius nur allzu rasch der Aufstand Caesars, der 49 v.Chr. zum Beginn eines mehr als zwanzigjährigen, teils offenen, teils verdeckten Bürgerkriegs führte, bis die ermatteten Parteien sich schließlich der Kompromissherrschaft des geschickt zwischen Populismus und Kulturkonservatismus lavierenden Augustus und seiner zumindest als Fassade wiederhergestellten Republik unterwarfen und die republikanische Selbstzerfleischung der Stabilität der Kaiserzeit opferten. Aus welcher Richtung wird wohl der europäische Caesar und somit der Anfang vom Ende kommen?


Professor Dr. David Engels ist Senior Analyst am Instytut Zachodni in Poznań.

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