Tichys Einblick
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Aufrüstung zur Weltmacht: Chinas neue Waffensysteme

China will bis 2049 – zum 100. Geburtstag der Volksrepublik – zur dominierenden Weltmacht aufsteigen. Das ist das erklärte Ziel der kommunistischen Partei Chinas. Den chinesischen Streitkräften kommt dabei eine bedeutende Rolle zu. Modernste Waffen stehen vor der Einführung.

Chinesisches Kampfflugzeug Chengdu J-20 bei einer Vorführung

IMAGO / ZUMA Press

Nicht nur im Militär der Vereinigten Staaten geht die Sorge um, dass China dabei ist, sich die Fähigkeit zum Erstschlag anzueignen. Darunter wird ein Atomangriff mit dem Ziel verstanden, gegnerische Streitkräfte in einem Überraschungsangriff zu vernichten. Mindestens sollen diese aber soweit geschädigt werden, dass sie zu keiner effektiven Gegenwehr mehr in der Lage sind.

Aktueller Auslöser für diese Befürchtungen ist der Test einer nuklearfähigen Hyperschall-Rakete durch die Volksrepublik. US-Kreise attestieren den Chinesen erhebliche Fortschritte bei der Entwicklung dieser Technologie. Ein atomwaffenfähiges Geschoss vom Typ „Langer Marsch“ umkreiste einem Medienbericht von t-online zufolge die Erde auf einer niedrigen Umlaufbahn, von der aus ein Ziel auf dem chinesischen Festland angesteuert wurde. Die Rakete verfehlte demnach ihr Ziel erheblich, was bei Systementwicklungen mit neuen Technologien allerdings nicht selten vorkommt. Einem zeit.de-Bericht zufolge wird der Test eines Hochgeschwindigkeitsgleitkörpers auf der Basis von Pekinger Angaben mit einem „wiederverwendbaren Raumschiff“ in Verbindung gebracht.

Details bleiben im Dunkeln                                                                                

Im Gegensatz hierzu beschreibt ein Bericht von CNN eine Rakete, “die die Erde umrundete, einen Hochgeschwindigkeitsgleitkörper ausklinkte und im Gleitflug ein Ziel in China bekämpfte“. Kronzeuge für diese Aussage ist der (noch amtierende) Vizevorsitzende der Vereinigten Stabschefs der US-Streitkräfte General John Hyten. Zu vermuten ist, dass die Amerikaner der Wahrheit am nächsten kommen.

Was bei dem Weltraumtest im August dieses Jahres tatsächlich Versuchsgegenstand war, bleibt in Bezug auf technische Details vorläufig unklar. Die unterschiedlichen Beschreibungen der Raumfahrzeuge können auf Übersetzungsfehler beruhen. Vielleicht kamen sie aber auch schlicht deshalb zustande, weil Vertreter der schreibenden Zunft von der Materie keine Ahnung haben oder ihnen die Phantasie durchgegangen ist. Der korrekten Antwort auf die Frage nach den tatsächlichen Versuchsinhalten dürften vermutlich US-Geheimdienste am nächsten kommen. Diese streuen aber auch gerne Halbwahrheiten, die ihren Absichten dienen. Das Aufrüstungskarussell in Gang zu halten und für die nötigen Rüstungsmilliarden des US-Militärs zu sorgen, könnte in dieser Gemengelage eine Rolle spielen. Entscheidend ist die unbestrittene Botschaft, dass die Chinesen ernsthafte Anstrengungen unternehmen, mit den Amerikanern in Fragen der strategischen Rüstung gleichzuziehen.

Unabhängig davon darf man China zutrauen, in frühen Phasen der Technologieentwicklung unterschiedliche Konzepte zu testen, um die bestgeeignete Lösung am Ende auswählen zu können. Chinesen sind als Pragmatiker bekannt, die ihre eigenen Wege gehen, aber auch – vornehm ausgedrückt – ungeniert vom Gegner lernen. Sowohl Russen als auch Amerikaner entwickeln gegenwärtig Hyperschallwaffen. Erklärtes Ziel der Chinesen ist jedenfalls, dass gegen das chinesische Militär kein Krieg mehr mit Aussicht auf Erfolg geführt werden kann. Als eine der Schlüsselfragen hierzu sehen chinesische Militärexperten die Fähigkeit, seegestützte Nuklearstreitkräfte auf die Beine zu stellen.

Volksrepublik China auf Kurs                                                                             

China hat in Verfolgung diese Ziels einen konsequenten Pfad eingeschlagen. Hierzu gehört allem Anschein nach auch, nicht alle Aufgabenbereiche der Streitkräfte gleichzeitig modernisieren zu wollen, sondern klare Prioritäten zu setzen. So besteht die Jagdflugzeugflotte zu zwei Dritteln aus modernisierten sowjetischen MIG 21 sowie zu einem Drittel aus chinesischen Eigenentwicklungen und auch russischen Importen. Die Lufttransportflotte verfügt über ein Sammelsurium leichter und mittelschwerer auch älterer Typen mit nur wenigen Flugzeugen für schwere Lasten. Diese Vorgehensweise ist so pragmatisch wie gleichzeitig fokussiert auf als strategisch wichtig erkannte Fähigkeiten.

Über die Hyperschallaktivitäten hinaus gibt es Anlass, eine Reihe zukunftsweisender Projekte mit strategischem Potential genauer zu betrachten. Wenn es Systeme mit überragender Bedeutung gibt, sind das Flugzeugträger. Mit ihrer Hilfe kann ein Staat fernab der Heimat seine militärischen Fähigkeiten flexibel zur Geltung bringen. Die auf allen Weltmeeren operierenden elf Trägerkampfgruppen der USA sind neben den Atom U-Booten entscheidende Faktoren für deren Weltmachtstatus. Mit ihrer Hilfe kann militärische Macht dort konzentriert werden, wo sie nach Lage der Dinge am dringendsten benötigt wird. Im Südchinesischen Meer hat China sehr zur Freude der Anrainerstaaten wie Vietnam und den Philippinen einige „unsinkbare Flugzeugträger“ in Betrieb genommen. Neuaufgeschüttete Landebahnen und Luftwaffenstützpunkte auf den Spratley- und Paracel-Inselgruppen verdienen zurecht diese Bezeichnung. Mit ihrer Hilfe wurden Tatsachen geschaffen, an denen wieder die Nachbarn noch die USA vorbeikommen.   

Bereits 2012 wurde ein erster schwimmender Flugzeugträger namens „Liaoning“ in Dienst gestellt. Ursprünglich ein unfertiges sowjetisches Schiff, hatte es China von der Ukraine erworben und fertig gebaut. Ende 2019 stellte China eine zweiten, diesmal selbstgebauten Flugzeugträger in Dienst. Seit 2020 befindet sich mindestens ein dritter Träger für die Marine der Volksrepublik im Bau.

Strategische Rüstung                                                                                      

Damit nicht genug. Bereits im Sommer 2019 testete China eine neue ballistische Atomrakete vom Typ JL-3, die von U-Booten aus gestartet mit einer Reichweite von 9.000 Kilometern das Festland der USA ins Visier nehmen kann. Nachdem die USA und Russland seit Jahrzehnten mit Atomraketen bestückte U-Boote nutzen, setzen offensichtlich auch die Chinesen auf dieses Mittel, um sich im Interesse der Abschreckung eine wenig gefährdete Zweitschlagsfähigkeit zu verschaffen. Während U-Boote kaum zu erfassen sind, können die Standorte landgestützter Starteinrichtungen vergleichsweise leicht aufgeklärt und angegriffen werden. Zusätzlich soll in den nächsten Jahren eine neue U-Boot-Klasse vom Typ 096 in Dienst gestellt werden, von der aus die Atomraketen JL-3 eingesetzt werden können. Dies wird der Nuklearfähigkeit Chinas auf See eine neue Grundlage geben. Siehe https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/china-was-der-raketentest-fuer-den-machtkampf-im-pazifik-bedeutet-a-1272518.html

Dieses im Entstehen begriffene U-Boot-gestützte Nukleararsenal Chinas wird erhebliche Auswirkungen auf die Stabilität und den Wettstreit der Großmächte über den Pazifik hinaus haben. Unabhängig von der Detailgenauigkeit der Berichte über die chinesischen Rüstungsanstrengungen wird mit jedem Tag deutlicher, dass China mit großer Zielstrebigkeit daran arbeitet, der angestrebten Weltmachtrolle Schritt für Schritt näher zu kommen. Dass die chinesische Industrie inzwischen über hochmoderne technologische Fähigkeiten verfügt, ist mit der Landung auf der Rückseite des Mondes, dem Bau einer eigenen Weltraumstation sowie zuletzt der Landung einer Sonde auf dem Mars deutlich geworden. Siehe http://german.xinhuanet.com/2021-05/15/c_139947487.htm

Während die deutsche Politik sich zerstreitet bei der vergleichsweise nebensächlichen Frage der Einführung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr, nehmen andere die Weltherrschaft ins Visier. Immerhin ist die Bundesregierung auf chinesische Raketentests hin schon 2019 hellhörig geworden, allerdings auf die bekannte Art und Weise: Das Auswärtige Amt teilte auf Anfrage mit, dass es nötig werden könnte, „auch mit China über Rüstungskontrolle zu sprechen“. Ob dies den erwünschten Eindruck macht? Siehe https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/china-was-der-raketentest-fuer-den-machtkampf-im-pazifik-bedeutet-a-1272518.html. 

Deutsche Ohnmacht                                                                                  Schön wäre es ja, wenn man derartige Entwicklungen mit beschriebenem Papier aus der Welt schaffen, sie wenigstens begrenzen könnte. Die gegenwärtige Reise der alternden Fregatte Bayern durch das Südchinesische Meer wird an den Realitäten ebenfalls wenig ändern können. Deren halbjährige Fahrt beschränkt sich als vertrauensbildende Maßnahme auf internationale Handelsrouten. Die Straße von Formosa oder gar die Nähe der von China gegen alle Interessen und Rechte der Nachbarländer beanspruchten Inselgruppen werden gemieden. Als Dank dafür hat China den beantragten Freundschaftsbesuch der deutschen Fregatte in Shanghai abgesagt. So begegnen machtbewusste Chinesen unterwürfigem Verhalten. Siehe https://www.merkur.de/politik/china-fregatte-bayern-shanghai-indopazifik-geopolitik-90984592.html

Frankreichs lukrativer U-Boot-Bauvertrag mit Australien wurde derweil storniert. US-Amerikaner und Briten haben die Australier mit dem AUKUS-Pakt auf ihre Seite gezogen. Sie sind die hilflosen Tastversuche Europas und insbesondere der Deutschen China gegenüber leid. Den chinesischen Rüstungsanstrengungen und Muskelspielen wollen diese Länder gemeinsam entgegen treten. Die Welt sortiert sich neu und die Deutschen gefallen sich in ihrer Zuschauerrolle. Man versucht sich als mahnende Konkurrenz zur Friedensmacht Vatikan. Die Europäische Union mutiert unter verzagter deutscher Führung zu einem selbstgefesselten Zwerg auf der internationalen Bühne, die Briten fehlen. Wir dürfen gespannt sein, was der neuen Regierungskoalition hierzu einfällt.