Tichys Einblick
Harry Markle

Bemerkungen über ein semiroyales Paar

Harry und Meghan Markle haben im Alleingang ihren Rückzug aus der königlichen Familie angekündigt. Im Konflikt mit Königshaus und Presse scheinen sie damit aufs Ganze zu gehen. Im Sinn haben sie anscheinend nur eins: ihre Freiheit.

DANIEL LEAL-OLIVAS/AFP via Getty Images
Meghan Markle hat sich getäuscht. Nicht in ihrem Prinzen, aber in ihrer Idee von einem prinzlichen Leben in unserer modernen Welt. Vermutlich stellte sie sich das nicht viel anders vor als das Leben der Stars und Starlets, die hinter hohen Mauern und Sicherheitsvorkehrungen unter der Sonne Kaliforniens, vielleicht auch unter den routiniert-begierigen Blicken eines metropolitanen Publikums in New Yorker Bars und Restaurants, trotzdem immer ziemlich für sich, in ihrer Welt und Sphäre existieren können. Nah und doch unberührbar, gesellschaftliches Allgemeingut, doch ohne irgendeine Bedeutung oder Wichtigkeit, die über den Tag hinaus reichen würde.

Dies ist eben der Unterschied zwischen Filmstars und königlichen Hoheiten. Die letzteren tragen, auch wenn mancher ihnen den hohen Lebensstandard missgönnen mag, eine Verantwortung für ihr Land, bilden in ihrer Gesamtheit Botschafter Großbritanniens zu Hause wie in der Welt. Dass dies unter den Bedingungen der Boulevardpresse zu fürchterlichen Krämpfen führen kann – zumal wenn sich Royalty mit Startum und sentimentaler Familieninszenierung verbindet –, hätte allen Beteiligten klar sein müssen. Nun ja, es war wohl Schicksal, dass Harry diese Frau kennen und lieben lernte. Doch war es kaum Schicksal, dass sich die beiden in der gesehenen Weise exponierten und geradezu willig den Medien zur Äsung anboten. Dass man sich über ein gesteigertes Interesse beklagt und gleichzeitig Features über die eigenen – doch so intimen – Afrikareisen und das wohltätige Engagement drehen lässt, ist einer der Widersprüche dieser neuen Privatheit der jungen Windsors.

Die Tränen, die Markle in ihrem Fernsehinterview vergoss, sind insofern ein Luxusproblem, wo sie nicht von einer verwirrten, in die Irre gelaufenen Seele künden.

Nichts wäre einfacher gewesen, als ihren kleinen Sohn zumindest bei diesem Dreh nicht der Kamera auszusetzen und der hungrigen Medienmeute so einen letzten Rest von Privatheit zu signalisieren. Aber vielleicht funktioniert die innere Logik eines Film- und Serienstars und eines Sohns der Diana Spencer anders. Beide scheinen auf öffentliche Aufmerksamkeit gepolt, um welches Thema es dabei auch immer geht. Ob um die Armut der Schwarzen in Kapstadt oder die ›unbestreitbare‹ Wissenschaftlichkeit des Klimawandels, die Harry in der Afrika-Dokumentation auch noch an den Mann bringen musste. Eine als Satire firmierende Website behauptet gar, die ganze Beziehung sei ein Betrug und sieht die Sussexes als Opfer der eigenen PR-Strategie.

Spiele nach den Regeln des Spiels oder verlass es

Klar ist, wenn man nicht nach den Regeln des Spiels spielt, kann man auch nicht seine Gewinne einziehen. Harry und Meghan wollen nicht mehr integraler Teil der königlichen Familie sein. Zwar wollen sie, laut ihrem persönlichen Post, weiterhin ihre Pflicht für die Königin, den Commonwealth und diverse Schirmherrschaften erfüllen, aber offenbar zugleich eine eigene Wohltätigkeitsorganisation gründen. Die Queen und der Rest der Familie sollen den offiziellen Rückzug des Paars aus dem Fernsehen erfahren haben.

Das Statement des Buckingham-Palasts fällt dementsprechend wortkarg aus: »Die Gespräche mit dem Herzog und der Herzogin von Sussex sind in einer frühen Phase. Wir haben verstanden, dass sie einen anderen Weg gehen wollen, aber es handelt sich um komplizierte Fragen, und es wird Zeit in Anspruch nehmen, diese zu durchdenken.«

Ein Detail ist freilich bezeichnend: Die Sussexes sollen sich, so der Chefreporter der »Daily Mail«, beklagt haben, ihren eigenen Marktwert nicht kapitalisieren zu können. Das dürfte das Hauptargument für ihren Rückzug aus der Königsfamilie sein. Es geht also um Freiheit – unter anderem die des Berufs. Kein geringes Gut. Man beginnt, die unruhigen Hufe der vergangenen Monate zu verstehen.

Was ihre Flüge in die Staaten und an andere Orte für ihre persönliche CO2-Bilanz bedeuten, kann sich jeder denken. Das ist eben das Problem der Sussexes: Sie wollen halb drin bleiben, um von den Vorteilen des Systems zu profitieren, und halb draußen sein, um ihren eigenen Begriff von Selbstverwirklichung zu leben. Inklusive der Freiheit, jeder Welle der in Starkreisen so modischen »wokeness« mit phrenetischer Hingabe zu folgen.

Was bleiben wird, ist »wokeness«

Bereits im Sommer 2019 hatten sich Harry und Meghan die Markenrechte für den Namen »Sussex Royal« – so heißt die Charity-Stiftung des Herzogspaars – gesichert, unter anderem für Bücher, Kleidung, Bürobedarf, Zeitschriften, aber auch für Beratungsdienste und Kampagnen, die das »öffentliche Bewusstsein« (die »public awareness«) prägen sollen. Da dürfte uns »wokeness at its best« bevorstehen. Nicht zu vergessen Sport-Aktivitäten, Tagungen, Ausstellungen, Seminare – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Dabei ist das Paar natürlich schon jetzt steinreich. Und auch in Zukunft dürften die Zahlungen aus Harrys Mutterland nicht ganz versiegen. Neben dem Zuschuss vom königlichen Palast (2 Mio. Pfund) bekommen die Sussexes derzeit noch mal um die 2,3 Mio. Pfund aus der Privatschatulle von Prince Charles, die durchaus weiterlaufen könnten. Offenbar wollen sie zudem, soweit sie in England sind, im aufwendig für 2,4 Mio. Pfund renovierten Frogmore Cottage wohnen bleiben. Ein ehemaliger Minister hat bereits gefordert, dass sie ihre Titel aufgeben und die Renovierungskosten erstatten.

Mit der Queen und der restlichen Familie wollen die beiden angeblich auch weiterhin gut »zusammenarbeiten«. Das Geschäftsmodell dürfte also klar sein: Über sich selbst reden, Geld damit verdienen und alles zur Gewinnoptimierung mit der Aura des britischen Königshauses versehen. Hoffentlich nimmt die alte Dame die rüden Umgangsformen nicht allzu übel. Zu Weihnachten stand leider kein Photo des Herzogspaars auf ihrem Tisch.

Zumindest eine ehrwürdige Institution des Königreichs reagierte prompt:

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