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"Die Redefreiheit hat gesiegt"

NatCon: Belgisches Gericht hebt Entscheidung des Bürgermeisters zum Verbot der Veranstaltung auf

Die Organisatoren der NatCon-Konferenz in Brüssel haben ihren Einspruch gegen den örtlichen Bürgermeister Emir Kir vor Gericht gewonnen. Die Veranstaltung darf fortgesetzt werden.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban am Mittwoch, 17. April 2024 bei seiner Ankunft bei der NatCon in Brüssel

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Virginia Mayo

Einige Redner, die am Dienstag, den 16. April, ausgeschlossen wurden, werden heute ihre Reden halten, darunter der ehemalige französische Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour. Heute Vormittag spricht der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán zu den Teilnehmern der Konferenz. Als der Bürgermeister des Brüsseler Stadtteils Saint-Josse-ten-Noode, Emir Kir, die Schließung der Konferenz anordnete, leiteten die Organisatoren umgehend ein Eilverfahren gegen diese Entscheidung ein.

Am späten Abend noch entschieden dann die Richter des belgischen Conseil d’État (Staatsrat) gegen das Vorgehen von Kir.

In einem Gespräch mit Peter Caddle von Brussels Signal am Veranstaltungsort ‚Claridge‘ bezeichnete Paul Coleman, Exekutivdirektor von ADF International, Menschenrechtsanwalt und Redner auf der Konferenz, das Ergebnis als „erstaunlich“.

"Die Redefreiheit hat gesiegt"
Coleman sagte, es sei „eine surreale Erfahrung, um 22.30 Uhr im Gerichtssaal zu sein, etwas, das ich noch nie zuvor erlebt habe und vielleicht auch für den Rest meines Lebens nicht mehr erleben werde. Es war erstaunlich zu sehen, dass die belgische Justiz zusammenkam, um diesen Fall unter außergewöhnlichen Umständen zu verhandeln.“ Coleman weiter: „Mitten in der Nacht, gegen 2.30 Uhr, erhielten wir dann die Entscheidung. Es war ein positives Urteil, das die Entscheidung des Bürgermeisters aufhob und die Konferenz ermöglichte. Die Meinungsfreiheit hat gesiegt, und es ist großartig, hier zu sein.“

Das Gericht entschied, dass „Artikel 26 der [belgischen] Verfassung jedem das Recht zugesteht, sich friedlich zu versammeln“, und dass der Bürgermeister zwar im Falle einer „ernsthaften Störung des öffentlichen Friedens oder anderer unvorhergesehener Ereignisse“ polizeiliche Anordnungen erlassen kann – dass aber in diesem Fall keine ausreichende Gewaltdrohung vorgelegen hat, um dies zu rechtfertigen.

Das Gericht begründete seinen Entschluss damit, dass „es nicht möglich erscheint, aus der angefochtenen Entscheidung abzuleiten, dass dem Kongress selbst eine friedensstörende Wirkung zugeschrieben wird“. Vielmehr, so heißt es in der Entscheidung, „scheint die Bedrohung der öffentlichen Ordnung allein aus den Reaktionen abzuleiten zu sein, die die Organisation des Kongresses bei den Gegnern hervorrufen könnte“.

Am 16. April verteidigte Bürgermeister Emir Kir, der wegen seiner Verbindungen zu den Grauen Wölfen, einer extremistischen türkischen ultranationalistischen Bewegung, aus der Sozialistischen Partei ausgeschlossen wurde, seine Entscheidung, die Konferenz zu verbieten mit den Worten: „In Etterbeek, Brüssel-Stadt und Saint-Josse sind die Rechtsextremen nicht willkommen.“ Dies zeigt eine eindeutig politische Motivation hinter dem Verbot, welches keineswegs gut aufgenommen wurde.

Auf der Website von ADF International teilte Paul Coleman mit: „Während gesunder Menschenverstand und Gerechtigkeit gesiegt haben, ist das, was gestern passiert ist, ein dunkler Fleck auf der europäischen Demokratie. Kein Beamter sollte die Macht haben, eine freie und friedliche Versammlung zu unterbinden, nur weil er mit dem, was dort gesagt wird, nicht einverstanden ist. Wie kann Brüssel für sich in Anspruch nehmen, das Herz Europas zu sein, wenn seine Beamten nur eine Seite des europäischen Gesprächs zu Wort kommen lassen?“

"Die Redefreiheit hat gesiegt"
„Die Art von autoritärer Zensur, die wir gerade erlebt haben, gehört zu den schlimmsten Kapiteln der europäischen Geschichte. Dankenswerterweise hat der Gerichtshof schnell gehandelt, um die Unterdrückung unserer Grundrechte auf Versammlungs- und Redefreiheit zu verhindern und damit diese wesentlichen Merkmale der Demokratie für einen weiteren Tag zu schützen.“

Das Verbot wurde auf internationaler Ebene von allen politischen Seiten verurteilt. Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni erklärte, sie sei „fassungslos und bestürzt“ über die Ereignisse und bezeichnete sie als „ungerechtfertigten Missbrauch“. Sie wandte sich an den belgischen Premierminister Alexander De Croo, der die Vorfälle in Brüssel als „inakzeptabel“ bezeichnete. In einem vielbeachteten Beitrag auf X erklärte der belgische Premierminister: „Die kommunale Autonomie ist ein Eckpfeiler unserer Demokratie, kann aber niemals die belgische Verfassung außer Kraft setzen, die seit 1830 die Freiheit der Rede und der friedlichen Versammlung garantiert. Das Verbot politischer Versammlungen ist verfassungswidrig. Full stop.“

Ein Sprecher des britischen Premierministers Sunak bezeichnete den Versuch, Konservativen den Mund zu verbieten, als „äußerst beunruhigend“ und fügte hinzu: „Der Premierminister ist ein starker Befürworter der Meinungsfreiheit und setzt sich für sie ein. Er ist sich darüber im Klaren, dass die Absage von Veranstaltungen oder der Ausschluss von Rednern der Meinungsfreiheit und der Demokratie schadet. Er ist ein Befürworter der freien Meinungsäußerung, auch wenn man anderer Meinung ist.“

Michael Shellenberger sagte: „Das ist ungeheuerlicher Totalitarismus und muss von allen westlichen politischen Anführern verurteilt werden, ganz gleich, wo man im politischen Spektrum steht.“ Weiter: „Dies ist die Art von Gangstertum, die wir zu Recht mit dem Nazismus und dem Kommunismus in Verbindung bringen.“

„Schande über die Polizei und den Bürgermeister von Brüssel für diese totalitäre Taktik!“

Der linksgerichtete Yanis Varoufakis, ehemaliger griechischer Finanzminister, der sich jüngst selbst mit einem Einreiseverbot für Deutschland zum verhinderten Berliner „Palästina-Kongress“ konfrontiert sah, verteidigte die NatCon mit den Worten: „Es ist ein Versuch, eine Konferenz zu verbieten, nur weil den Behörden nicht gefällt, was dort gesagt wird.“ – „Meiner Meinung nach schlittert Europa immer schneller in einen Sumpf aus absurdem Autoritarismus. Es mag eine Farce sein, wenn sich die Geschichte wiederholt, aber sie kann genauso grausam, böse und menschenfeindlich sein wie beim ersten Mal.“

„Ich denke, wir haben den Punkt überschritten, an dem es für die Europäische Union kein Zurück mehr gibt“, warnte Varoufakis. „Ich werfe die Arme hoch, aber ich gebe nicht auf […] Ob links oder rechts, wer an einen gewissen menschlichen Anstand und politische Freiheiten glaubt, sollte Widerstand leisten.“

Europäische Spitzenpolitiker wie Ursula von der Leyen und Charles Michel sowie internationale Nichtregierungsorganisationen schweigen zu diesem Ereignis.


Dieser Beitrag ist zuerst bei Brussels Signal erschienen.

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