Tichys Einblick
Grenzübergreifend

Bauernproteste in den Niederlanden

Eigentlich sollten die Grenzen für deutsche Traktoren dichtgemacht werden. Deutsche Bauern erhielten von ihren holländischen Kollegen den jeweiligen »Auftrag«, was sie zu tun haben.

Paulo Amorim/NurPhoto via Getty Images

Die Bilder, die heute aus Holland kommen, ähneln denen in Berlin: Tausende von holländischen Bauern haben sich wieder auf den Weg gemacht und protestieren in vielen Städten mit ihren Traktoren. Bilder aus Arnheim zeigen eine mit Traktoren völlig verstopfte Innenstadt. Hunderte von Traktoren blockieren den Haupteingang zum Medienpark in Hilversum, das Regierungsbüro der Provinz Arnhem wurde auf Anordnung der Polizei geschlossen. Bürgermeister Pieter Broertjes forderte die Autofahrer auf, nicht mehr nach Hilversum zu kommen: »Sie können die Stadt absolut nicht mehr erreichen.«

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Die Bauern fordern Sendezeit von der niederländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkstiftung NOS, damit sie die »wahre Geschichte erzählen können und damit sie in den Niederlanden jeder hören kann«, erklärte ein Bauer vor Ort. Doch bisher wurde den Bauern Auftritte verweigert.

In Eindhoven mussten Traktoren vom Stadhuisplein fahren. Unter dem liegt ein Parkhaus, die Traktoren seien nach Angaben der Gemeinde zu schwer. Am vergangenen Freitag hatten wütende holländische Bauern sogar den Flughafen Eindhoven mit ihren Traktoren blockiert.Mittlerweile fahren die Bauern mit ihren Traktoren auch auf der A4 in Richtung Hauptstadt Den Haag. Die niederländische Autobahn A1 ist in der Nähe des Grenzüberganges Gildehaus komplett gesperrt. Lkws stehen im Stau.

Auch in Niedersachsen haben sich Landwirte mit ihren holländischen Nachbarn solidarisiert. Bauern aus dem Emsland, der Grafschaft Bentheim, der Region Oldenburg und aus Wilhelmshaven nehmen teil und sind bereits seit heute früh um 6:00 Uhr in Holland.

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Gestern hatten die niederländischen Gerichte Demonstrationsverbote erteilt. Mit Hilfe einer gerichtlichen Anordnung mit festgesetzter Strafzahlung in Höhe von 100.000 Euro soll die Farmers Defence Force (FDF) mundtot gemacht werden. Das wird von Landwirten als Einschränkung der Meinungsfreiheit und des Demonstrationsrechtes gesehen. Spontan haben sich rund 200 Bauern auf den Weg nach Den Haag gemacht, um gegen diesen Entscheid zu protestieren.

Eigentlich sollten die Grenzen für deutsche Traktoren dichtgemacht werden. Deutsche Bauern erhielten von ihren holländischen Kollegen den jeweiligen »Auftrag«, was sie zu tun haben.

Unter den protestierenden Landwirten verbreiten sich Gerüchte, nach denen sich die niederländischen Behörden auf deutsche Trecker konzentrieren sollen. Die holländischen Bauern gelten bei aller Kritik aus der Politik an ihren Aktionen als derzeit unangreifbar.

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Die niederländischen Bauern gehen ebenso wie ihre deutschen Kollegen gegen eine Stickstoffpolitik vor, nach der sie Dünger einsparen und damit erhebliche Ertragseinbußen hinnehmen sollen. Außerdem, so eine weitere Forderung an die Bauern in Holland, sollen sie auf die Hälfte ihres Viehbestandes verzichten; das würde für die Bauern letztlich bedeuten, ihre Betriebe aufzugeben. Bis auf wenige Großbauern stehen die meisten holländischen Landwirte mit dem Rücken zur Wand; sie haben zum Beispiel ihre teuren Trecker und landwirtschaftliche Maschinen meist auf Kredit angeschafft. Sie können aufgrund der immer stärkeren Beschränkungen immer weniger die Kredite bedienen.

Am späten Nachmittag haben sich deutsche Landwirte zu einem sogenannten »Schlepper-Flashmob« verabredet. An verschiedenen Straßenkreuzungen und Plätzen wollen sie sich bundesweit zwischen 16:30 und 17:00 Uhr mit ihren Traktoren aufstellen, auf Plakaten ihre Solidarität mit den Demonstrationen in den Niederlanden und zugleich ihre deutschen Forderungen verkünden:

Das Eckpunktepapier über den Artenschutz solle danach geändert werden; die für die Landwirtschaft kritische neue Düngeverordnung soll »sach- und fachgerecht überarbeitet« werden, steht auf den Plakaten. Eine europäisch genormte und vereinheitliche Probenahme für die Nitratwerte müsse zur Pflicht werden; insbesondere sollen die Messungen der Nitratwerte im Grundwasser europaweit vergleichbar sein. Bisher, so der Vorwurf der Landwirte, melde Deutschland besonders schlechte Nitratwerte im Grundwasser nach Brüssel, die jedoch nicht eindeutig der Landwirtschaft zugeschrieben werden können.

Sie wehren sich weiterhin gegen eine ständige Ausweitung bürokratischer Vorschriften. Motto: »Bürokratieabbau nicht nur predigen, sondern auch leben!«

© KOEN VAN WEEL/ANP/AFP via Getty Images

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