Tichys Einblick
Parallelgesellschaften fördern?

Türkisch statt Englisch an Grundschulen in NRW?

„Sie sprechen zum Beispiel türkisch, russisch, polnisch. Für die deutschen Kinder wäre es einfacher, sie würden diese Sprachen erlernen. Und die Kinder mit Migrationshintergrund hätten mehr Zeit, sich auf das Deutsche zu konzentrieren.“

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Wenn ein Bild mehr sagt als tausend Worte: Schauen Sie sich bitte vorab diese illustre Herrenanzugriege an, von Franz Müntefering über NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bis hin zum WDR-Intendanten Tom Buhrow. Verdiente Männer sitzen 2016 frohgelaunt in der ersten Reihe auf provisorisch aufgestellten lehnenlosen Schulhockern beim Festakt zum 20jährigen Jubiläum des Landesintegrationsrates von Nordrhein-Westfalen.

Damals, auf dem Höhepunkt der hunderttausendfachen illegalen Zuwanderung nach Deutschland, rügte Buhrow die Bundesrepublik dahingehend, die Hürden für den Arbeitsmarkt viel höher angesetzt zu haben als die USA, die mit ihrer Haltung größere Integrationserfolge vorweisen könnten. Buhrow war zwar schon einmal Auslandskorrespondent der ARD in den USA, aber vom Elend der Doppelbeschäftigungen, von fehlendem Arbeitsrecht und einer abgehängten, von Almosen abhängigen Unterschicht, die sich längst nicht mehr an ihren ethnischen Merkmalen identifizieren lässt, wusste der Intendant auf der Veranstaltung des Landesintegrationsrates nichts.

Er wusste auch nichts davon, was der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes schon 2015 befürchtete und aktuell ausführlicher attestierte, dass es nämlich kaum am Zustand des Arbeitsmarktes liegt, dass Integration nicht gelingen will, sondern ganz banal an einer großen Unlust zur Mitarbeit einer Mehrzahl der via Sozialhilfe rundum versorgten Zuwanderer.

Wer aber nun denkt, diese fröhlichen Refugees-Welcome-Mienen dort auf den kleinen Stühlchen wären mittlerweile in der Realität angekommen, der irrt leider, wenn der Vorsitzende des besagten Integrationsrates über Schulklassen in NRW und dort über Kinder mit Migrationshintergrund sagt: „Sie sprechen zum Beispiel türkisch, russisch, polnisch. Für die deutschen Kinder wäre es einfacher, sie würden diese Sprachen erlernen. Und die Kinder mit Migrationshintergrund hätten mehr Zeit, sich auf das Deutsche zu konzentrieren.“ 

Thema ist hier die Abschaffung von Englisch als zweite Fremdsprache zugunsten von türkisch, polnisch usw.. Der Vorsitzende meint, das Grundschul-Englisch könnte den Kindern auch „innerhalb von drei Wochen an einer weiterführenden Schule beigebracht werden.“

Die Motivation dahinter zu erkennen, ist einfach: Es geht hier offensichtlich darum, das nach wie vor bestehende Leistungsgefälle zwischen deutschen Kindern und solchen mit Migrationshintergrund weiter auszubügeln, indem man ausschließlich den deutschen Kindern das Lernen erschwert mit einer Aufgabe, die im Schwierigkeitsgrad dem entspricht, was Kinder von Zugewanderten mit dem Lernen der deutschen Sprache zu tun haben, damit Kinder von Migranten auch ein Feld mit einen deutlichen Wissensvorsprung haben; schließlich handelt es sich um ihre Muttersprache, die vielfach immer noch tagtäglich in den Wohnungen und Häusern gesprochen wird. Aber ist das wirklich gerecht? Funktioniert so Gerechtigkeit als Experiment an den Kleinsten und Schwächsten der Gesellschaft?

Die Freidemokratin und NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer will dazu in den nächsten Wochen einen Masterplan für die Grundschulen vorlegen. Und der Vorsitzende des Integrationsrates bekommt weitere Schützenhilfe, wenn Haci-Halil Uslucan, Professor für Moderne Türkeistudien an der Uni Duisburg-Essen, sich ebenfalls für eine Ausweitung des Türkisch-Unterrichts an Grundschulen ausspricht wenn er sagt: „Für eine Stadt mit einem hohen (türkischen) Zuwandereranteil wie Köln wäre es ein gutes Signal, was die Wertschätzung von natürlicher Mehrsprachigkeit betrifft.“

Gut, wenn es darum ginge, beispielsweise Kinder syrischer Familien sprachlich auf die Rückkehr in die Heimat ihrer Eltern vorzubreiten. Aber macht das Sinn, wenn die Prognose für viele Migranten dahingehend gestellt wird, dass sie hier dauerhaft sesshaft werden oder längst geworden sind?

Tatsächlich klingt dieser abseitige Vorschlag aus Nordrheinwestfalen noch einmal abwegiger, wenn man sich vergegenwärtigt, was immer frustriertere Lehrerinnen aus der täglichen Praxis berichten. Der Staat kapituliert hier zunehmend vor der Einhaltung bewährter Regeln für ein vernünftiges Zusammenleben. Und dabei ist es noch nicht einmal so, dass Kinder automatisch die Mitarbeitsverweigerung ihrer Eltern übernehmen würden, die der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes schon so eindrücklich beschrieben hat.

Nein, Kinder wollen in der Regel gerne lernen, sie wollen vor allem eines: immer wieder neu herausgefordert werden. Wollen in einen positiven Leistungskampf eintreten, wollen miteinander und von einander lernen. Wenn der Staat ihnen aber die Chance nimmt, sich identitätsstiftend mit der Kultur ihrer neuen Heimat zu arrangieren, erreicht er das Gegenteil dessen, was er sich auf die Fahnen geschrieben hat: So werden neue Parallelgesellschaften nun auch noch staatlich gefördert.

Oder schlimmer: So wird die Deutsche Gesellschaft selbst auf lange Sicht zur Parallelgesellschaft. Nein, was da in NRW ausgebrütet wird, ist alles andere als ein „Signal der Wertschätzung“, es nimmt Kindern unabhängig von ihrem sozialen oder ethnischen Hintergrund etwas elementar Wichtiges: Die Gemeinsamkeit im Deutschen, in der gemeinsamen deutschen Kultur.