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Oje, schon wieder

Studie über Polizeirassismus sorgt bei Horst Seehofer für die nächste Pirouette

Will man wissen, was Seehofer tut, liegt man beim Gegenteil des jeweils Angekündigten ziemlich sicher richtig.

imago Images/Future Image

Die Kette der Peinlichkeiten reißt nicht ab: Der Soufflékoch an der Spitze des Bundesinnenministeriums macht einmal mehr dicke Backen und zuletzt darf dann wieder jedermann zuschauen, wie in sich zusammenfällt, was Horst Seehofer da vollmundig auf seine Karte gesetzt hatte.

Nein, es soll jetzt doch keine Rassismus-Studie geben, die untersucht, wie es um die deutsche Polizei bestellt ist, sagt der Bundesinnenminister. Die aber war tatsächlich von einem Sprecher des Ministeriums gegenüber der Welt am 11. Juni 2020 angekündigt worden: Derzeit sei man gemeinsam mit dem Justizministerium „in der konzeptionellen Entwicklung für eine Studie zu Racial Profiling in der Polizei.“ Bestätigt wurde das am Folgetag in einer Bundespressekonferenz.

Zwar ist Racial Profiling nur ein Aspekt im Rassismus-Spektrum, aber in sofern von Bedeutung, weil die Polizei nach aktueller Lesart – der Spiegel nennt es: „nach herrschender Rechtssprechung“ – nicht aufgrund von äußerer Merkmalen Personen im Verdachtsfalle kontrollieren darf. Wurden nordafrikanische Intensivtäter beispielsweise 2016 im Zusammenhang mit den Gruppenvergewaltigungen und Massenbelästigungen auf der Kölner Domplatte noch von der Polizei intern als Nafris identifiziert, darf oder soll das 2020 nicht mehr passieren.

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Das allerdings ist kurios: Wenn beispielsweise ausschließlich Schwarzafrikaner in einem bestimmten Bereich Drogen verkaufen, dann dürfen dahingehend nicht explizit Farbige in diesem Bereich kontrolliert oder observiert werden, sodnern es muss noch ein weißer Rentner, der Postbote und eine Mutter mit Kinderwagen daran glauben? Ein Unsinn.

Das Bundesinnenministerium hatte also im Zuge der Debatte um den Tod von George Floyd nach Polizeigewalt in den USA nicht zurückstehen wollen und seinen Senf dazugegeben – übrigens auf Empfehlung der EU-Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI).

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Mittlerweile ist der Bundesinnenminister allerdings wieder davon abgerückt, sein Ministerium teilt mit, Seehofer halte die Studie „nicht für sinnvoll“. Die Begründung: Es gäbe bereits Beschwerdestellen bei der Polizei, „Einzelfälle von Diskriminierung“ würden „schonungslos aufgeklärt und zeitnah sanktioniert“ werden. Wusste dass der Minister zuvor nicht, als er die Studie noch bereitwillig ankündigen ließ? Was weiß der Minister und wenn er nichts weiß, warum ist er nicht einfach still, bis sich das ändert?

Ist das Gewinde allerdings erst einmal kaputt ist, dann dreht die Schraube einfach durch. Sie ahnen was kommt: Beschwerde aus dem ursprünglich an dieser Studie sich beteiligen wollenden SPD-geführten Bundesjustizministerium. Also wird Seehofer erneut eine Pirouette drehen und am Ende werden irgendwelche Vertreter irgendwelcher windiger Nichtregierungsorganisationen samt ihrer selbsternannten pseudowissenschaftlichen Experten den Polizeiapparat noch nach dem letzten Nafri-Aussprecher durchforsten oder was sonst so geeignet sein könnte, die These zu untermauern, dass die Polizei rassistisch ist. Was dann ungefähr dass selbe meint, als dass die Polizei Straftäter dingfest macht, so sie eine bestimmte Gruppe erfahrungsgemäß schon an ihrem Äußeren in den Fokus nimmt.

Aber es sind nicht nur die Böhmermanns und Co im ebenfalls ganz hektisch gewordenen Medienkielwasser, es ist vor allem die SPD, die sich jetzt über den Rückzieher von Seehofer in Sachen Studie profilieren will: Das ursprünglich als Co-Auftraggeber der Studie angedachte Bundesjustizministerium schießt schon Mal ein paar rotqualmende Nebelkerzen Richtung Bundeswahlkampf 2021 ab – Justizministerin Christine Lambrecht will jetzt erst recht diese Studie zu Racial Profiling bei der Polizei.

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Ihre Begründung spiegelt dabei auf besondere Weise die Verlogenheit der deutschen Sozialdemokratie wieder: Das alles wäre ja im Sinne der Polizisten, die automatisch unter Verdacht stehen würden. Die SPD-Ministerin tut also so, als ginge es bei dieser Studie darum, zuallerst die Polizei reinzuwaschen von allen Verdächtigungen. Das ist tatsächlich grotesk, was Lambrecht da im ARD-Morgenmagazin als Begründung aufführt: „Deswegen werde ich auch mit dem Kollegen noch mal darüber sprechen, ob so eine Studie auch im Sinne all derjenigen, die auf festem Boden unser Grundordnung stehen, in deren Interesse wäre.“

Mal davon ab, dass das schon als Plagiat in Sachen Merkel-Sprech durchgehen könnte, ist es vor allem unglaubwürdig. Nein, es ginge ihr nicht darum, „irgendjemanden unter einen Generalverdacht zu stellen.“ Sie wolle ja nur den Sachstand ermitteln um zu wissen wo man steht. Ach.

Was wird jetzt passieren? Dafür braucht es keine besonders intensive Studie beispielsweise der TE-Texte der letzten Monate und Jahre rund um die Schlechtleistungen des Bundesinnenministers: Seehofer wird erneut einknicken. Es wird diese Studie geben. Und in diesem Falle wird er sich im bekannt unterwürfigen Verlegenheitsgestus noch darauf berufen können, sogar zur Ursprungslinie Seehofer zurückgekehrt zu sein, also zurück zu dem Punkt, als sich das Bundesinnenministerium im Zuge der nach Europa überschwappenden radikalen Black-Lives-Matter-Bewegung ohne echte Not gegen ihre eigene Polizei wandte, ihr Rassismus vorwarf, der dringend via Studie zu untersuchen sei.

Genau das wird passieren. Horst Seehofer hat sein nächstes schales Soufflé aufgesetzt, es ist ihm erwartungsgemäß zusammengefallen und jetzt will er es erneut in den Ofen schieben. Der oberste Dienstherr der Polizei wendet sich von den Kollegen ab und gefährdet damit ein weiteres Mal die Sicherheit derer, die das alles bezahlen: die deutschen Steuerzahler.

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