Tichys Einblick
Relativieren und Herum lavieren

Zwanghaftes Relativieren: Warmduschen in der umkämpften Badeanstalt

Andreas Uhler, der Leiter der Stadtwerke Sinsheim widerspricht dem bedrohlichen Lagebild von Peter Harzheim, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes deutscher Schwimmmeister, indirekt und betont für Sinsheim, dass es dort nicht so (schlimm) sei. Die Gesellschaft hätte sich verändert, es fehle an Respekt. "Gesellschaftlicher Wandel" als neues Synonym.

Freibad - Symbolbild

imago images / 7aktuell

In alten Adressbüchern finden sich so antiquierte Berufsbezeichnungen, wie beispielsweise den „Hilfskraftfahrer“. Kein richtiger Beruf würde man heute denken. Aber wie sieht es beispielsweise mit dem Bademeister aus? Kann das jeder nach kurzer Einweisungszeit? Nein, denn auch der „Fachangestellte/r für Bäderbetriebe” lernt drei Jahre, also genau so lange wie jeder Tischler- oder Klempnerlehrling auch. Das Klischee ist also grundfalsch, dass hier nur Frührentner oder Studenten mit Rettungsschwimmerabzeichen und zweistündiger Erste-Hilfe-Unterweisung tätig wären.

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Glaubt man Peter Harzheim, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes deutscher Schwimmmeister, dann basiert der massive Respektverlust vor Bademeistern allerdings nicht etwa auf Unkenntnis des anspruchsvollen Berufsbildes, sondern ursächlich auf der Massenzuwanderung nach Deutschland ab 2015 und einer damit einhergehenden Zuwanderung von Gruppen junger Männer in seine Badeanstalten. Migranten mit vornehmlich muslimischem Hintergrund und ohne Kenntnis jedweder kultureller westlicher Gepflogenheiten geschweige denn einer annehmbaren Badekultur. Weiter zu beobachten: Ein Trend hin zu Gewalt und Respektlosigkeit: „Dieser Trend verschärfte sich noch einmal deutlich seit 2015“, so Harzheim unmissverständlich.

Immer öfter muss die Polizei ins Freibad kommen. Und meistens, so der Vorsitzende weiter, „identifizierte die Polizei junge Männer nordafrikanischer, arabischer oder türkischer Herkunft als Tatverdächtige.“

Ist mit der Erkenntnis schon die Lösung des Problems möglich, wenn eine relevante Person mit Sach- und Ortskenntnis Klartext redet? Möglicherweise, wenn Harzheim damit seinen Kollegen entlastet und sich stellvertretend selbst ins Rampenlicht stellt – übrigens auch auf die Gefahr hin, dass er zukünftig von bestimmten Medien und diversen Institutionen der Refugees-Welcome-Fraktion als Scharfmacher betrachtet wird. Nun wird Harzheim demnächst pensioniert, er kann es sich wohl leisten, frei heraus zu sagen, was zu sagen ist.

Aber was ist mit den jüngeren Kollegen? Schweigen sie und ballen allenfalls heimlich einmal die Faust in der Tasche, weil sie noch Jahrzehnte im Arbeitsleben stehen? Und weil sie nicht wie Harzheim so kurz vor der Rente sind und also besser still bleiben? Oder schwächen sie damit die deutlichen Befunde Harzheim ab?

Andreas Uhler, der Leiter der Stadtwerke Sinsheim jedenfalls widerspricht dem bedrohlichen Lagebild des Chefs der Bademeister indirekt und betont für Sinsheim, dass es dort nicht so (schlimm) sei. Die Gesellschaft hätte sich verändert, es fehle an Respekt. „Gesellschaftlicher Wandel“ als neues Synonym.

An der Stelle werden sich Bademeister mit Problembewusstsein fragen, welchen Zweck so eine vorauseilende Beschwichtigung erfüllen soll und welchen Sinn es angesichts massiver Probleme mit männlichen Migrantengruppen in vielen Freibädern eigentlich macht, wenn Uhler der Rhein-Neckar-Zeitung Laissez-faire zu Protokoll gibt: „Wo viele Leute sind, gibt es Reibereien“.

Wie weit kommt man mit so einer relativierenden Reibekuchenphilosophie? Die Vorkommnisse würden sich speziell an sehr heißen Tagen ereignen, „wenn offenbar auch die Gemüter erhitzt sind“. Deshalb die Zunahme? Wegen des Klimawandels?

Was den Sinsheimer Bäderboss stutzig macht, ist, dass es früher doch anders gewesen sei. Die Auseinandersetzungen hätten sich erst in den letzten „fünf bis sieben Jahren“ verschärft. Er findet die richtigen Worte nicht, hat Angst vor der eigenen Courage. Ein mühsamer Erkenntnisprozess im Krebsgang unter den Argusaugen der Refugees-Welcome-Adepten – die es also auch in Sinsheim geben muss.

Aber der baden-württembergische Bäderverantwortliche zündet noch weitere Nebelkerzen über der grünen Wiese am Sinsheimer Freibad: Schuld seien hier doch auch die Eltern, die das schlechte Verhalten ihrer Kinder noch verteidigen würden. Eltern? Welche Eltern sollten das wohl sein, bei unbegleiteten „Jugendlichen“ aus Syrien, Nigeria und Afghanistan?

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Uhler muss im Laufe des Gesprächs mit der Zeitung geahnt haben, dass er sich auf dünnem Eis bewegt, wenn er sich erinnert: „Andererseits – wir waren auch mit der halben Schulklasse im Freibad. Das kam bei uns nicht vor.“ Uhler weiter: „Frauen haben es inzwischen oft schwerer, sich durchzusetzen“. Dies liege an „einer Gesellschaft, die sich binnen 20 Jahren verändert hat“. Binnen zwanzig Jahren? Oder doch eher binnen fünf Jahren?

Wohl doch eine Relativierungen zu viel, weiß auch Uhler, wenn er weiter befindet: Ein Schlaglicht auf die Veränderungen „würden die Jahre 2015 und 2016 werfen, als Sinsheim den Beginn der Flüchtlingskrise zu bewältigen hatte: „Das war zum Teil extrem“, räumt Uhler ein, spricht von „massiven Schwierigkeiten“. Bewohner der Unterkünfte hatten damals zeitweise freien Eintritt im Bad, „aber kein Empfinden dafür, wie man sich dort verhalten darf“.

Wenn es nun aber schon so viel Mut kostet, wenn es nicht einmal gelingt in dieser einen Berufsgruppe mit starker gemeinsamer Stimme massive Probleme anzusprechen, dann versündigt man sich an der Zukunft der Nachkommen, wenn man es versäumt, Weichen dann zu stellen, wenn man den Zug heranrasen sieht.

Nein, wegducken darf hier nicht gelten, noch weniger für gut bezahlte Führungspersonen. Und das gilt übrigens nicht nur für Chefs von Freibädern. Hier muss im Gegenteil einmal daran erinnert werden, dass sich Führungspersonen früher auch dadurch Respekt verschafft haben, dass sie sich vor ihre Mitarbeiter gestellt und deren Probleme ernst genommen und ggf. auch öffentlich zur Lösung beigetragen haben. Peter Harzheim hat diese Vorbildrolle übernommen.

Da ist es nicht zielführend, wenn Sinsheim für sich befindet: Klar hätten Frauen Belästigungen durch Migranten beklagt, aber Sinsheim sei „keine Brennpunktstadt“. An den „allermeisten Tagen“ sei die Einrichtung „immer noch ein ländliches Freibad“.

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Wem nutzen solche Relativierungen? Warum dann nicht einfach still sein? Und wie bitte erkennen Frauen, wann diese „allermeisten Tage“ sind, um ihre Freibadbesuche darauf abzustimmen? Soll es Herr Uhler den Frauen doch erklären und dann die Verantwortung übernehmen, wenn der Tag leider einmal der falsche Badetag war.

Die Polizei in Sinsheim hat übrigens keine Zeit oder keine Lust auf solche Eiertänze, wenn von dort lapidar vermeldet wird, in jüngster Zeit sei es zu mehreren Körperverletzungen gekommen und wenn ein Polizeisprecher der örtlichen Zeitung weiter schildert:

„Haupttäter waren 17- und 18-Jährige. Ein einschreitender Schwimmmeister wurde ins Becken geworfen.“ Bei den auffälligen Grüppchen habe es sich bislang „hauptsächlich um arabische und osteuropäische junge Männer gehandelt“, schilderte ein Polizeisprecher, demgegenüber Polizeibeamte u.a. vermeldet hätten, „dass oft jeglicher Respekt vor Frauen“ fehle.

Ach so, und dann war da noch der Spiegel-Kolumnist Stefan Kuzmany, der so fröhliche Schubsereien fescher Badehosenburschen im Freibad ganz amüsant findet und die ganze Aufregung nicht versteht, wenn er über ein bestimmtes Berliner Freibad schreibt: „Tatsächlich ist es ein wunderbarer Ort. Klar, man braucht eine gewisse Toleranz.“ Und wenn der gut wattierte Journalist auch über Taschendiebstahl in Freibädern schmunzeln muss und dazu so seine eigene Philosophie hat: „Jeden kann man fragen, ob er kurz auf die Tasche mit dem Geld und dem Handy aufpassen könnte, während man im Wasser ist, jeder sagt Ja. Am besten fragt man die, von denen man ahnt, dass sie den Geldbeutel leeren könnten, so packt man sie bei der Ehre.“

Wie wäre es da einmal, wenn Relativierer Kuzmany einer belästigten Frau im Freibad zu Seite springen würde und ihren Peiniger ebenfalls bei der Ehre packen und ihn an dessen Mutter erinnern – so ganz mutig freaky im Gangster-Rapper-Stil?