Tichys Einblick
Grünes Trauma Unabhängigkeit

Renate Künast: Unfreiwillige Mutter der Glyphosat-Befürworter

Für die Grünen ist es mittlerweile zum Trauma geworden: ein unabhängiges Bundesinstitut von ihnen selbst ins Leben gerufen, das tatsächlich auf diese Unabhängigkeit besteht anstatt grüner Politik und dem zu folgen, was Grüne unter Umweltkritik verstehen. Blöd gelaufen.

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Maja Hitij/Getty Images

Im Gefolge der BSE-Rinderseuche gründete Renate Künast (Grüne) 2002 das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als unabhängige Einrichtung. Der damaligen Bundeslandwirtschaftsministerin ging es um nicht weniger, als die wissenschaftliche Beratung und Unterstützung der Bundesregierung in der Lebensmittelsicherheit. Also um ein veritables Instrument zum Schutz der Verbraucher.

Doch irgendetwas muss mit diesem unabhängigen Institut irgendwann passiert sein, vermutlich nimmt es „unabhängig” wörtlich, wenn seine Integrität seit geraumer Zeit von einer bestimmten Gruppe mit offensichtlich gleichen Zielen angezweifelt wird.

Martin Häusling, Mitglied des EU-Parlaments und Sprecher der Grünen für Agrarpolitik beispielsweise zweifelte Mitte letzen Jahres per Twitter die Unabhängigkeit des Institut an, indem er Korruption unterstellte als er fragte: „500 € von wem? Aus der Staatskasse oder von Bayer?“

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Um welche 500 Euro ging es hier? Hintergrund war, dass das BfR Teilnehmern eines Verbraucherdialog eine Aufwandsentschädigung anbot, damit kein Interessierter aus finanziellen Gründen absagen musste. BfR-Präsident Hensel wurde von der ätzenden Kritik aus Brüssel genötigt, sich in einem öffentlichen Statement zu den absurden Vorwürfen zu erklären. Hier bekräftigte er noch einmal die von Renate Künast aus gutem Grunde angedachte Unabhängigkeit seines Institutes ebenso, wie er auf diesem Wege noch einmal an die Gründung durch eine rot-grüne Regierung erinnerte.

Korruption ist ein massiver Vorwurf – also woher rühren diese grünen Versuche, das BfR auf dieses wirklich schlimme Weise zu diskreditieren?

Neben Häusling hatte auch der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner zuletzt das Qualitätssicherungssystem „Gute Laborpraxis“ (GLP) der bundeseigenen Risikobewerter offen in Frage gestellt. Ebner wollte wissen, was so ein System wert sei, wenn die GLP-Standards nicht hätten verhindern können, dass von ihm behauptete Fälschungen auftreten. Damit spielte er auf ein laufendes Verfahren gehen ein GLP-zertifiziertes Institut an. Diesem wurde u.a. unethische Tierversuche vorgeworfen.

Eine bundeseigene Zertifizierung soll also nach Ebner grundsätzlich wertlos sein, nur weil ein Labor die hohen Standards mutmaßlich verletzt haben soll. Der nicht einmal abgeschlossene Einzelfall diskreditiere nach Ebener das gesamte Zertifizierungssystem.

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Woher kommt so ein diffamierender Aktivismus? Liegt es möglicherweise daran, dass das BfR der EU auf Basis von nicht weniger als 900 Studien ein unabhängiges Gutachten zu Glyphosat vorgelegt hat, welches dem Wirkstoff seine Unbedenklichkeit bescheinigt? Oder daran, dass  Glyphosat ab 2017 für weitere fünf Jahre von der EU zur Verwendung freigegeben wurde? Ein Schock für die Grünen.

Aber es sind ja bei Weitem nicht nur die Grünen, die offensichtlich als Teil einer Interessengruppe oder als deren Vorreiter das unabhängige Institut – also den Staat selbst – diskreditieren wollen. Ein weiterer Player in diesem Reigen ist der Landwirtschaftsredakteur Jost Maurin den die taz folgende Schlagzeile titeln ließ: „Glyphosat-Behörde bestätigt Quelle, 24 Studien aus Fälscherlabor“. Was für ein Dreiklang diffamierender Begrifflichkeiten! Schlimmer kann man ja eine Behörde nicht diffamieren.

Hintergrund: Derzeit wird geprüft, inwieweit ein zertifiziertes Labor, das 24 Studien zu den besagten 900 Studien beigesteuert hatte, die GLP-Standards nicht eingehalten hat. Allerdings waren die in der Kritik stehenden Studien laut BfR nicht einmal relevant für das Gesamtgutachten zur Risikobewertung von Glyphosat. Dennoch versteht Jost Maurin diesen Fall als Gelegenheit und nimmt  eine Vorverurteilung samt kriminalisierenden Begriffen wie „Fälscherlabor“ vor.

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Blöd nur: Der Präsident des Bundesinstitutes befand schon 2017 in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel, der Unkrautvernichter Glyphosat sei nicht krebserregend, die Wissenschaft würde hier als Kampfmittel missbraucht. Eine scharfe Ansage, die Aktivisten wie Maurin also auf die Palme brachte, als der eine Kampagne lostrat, die dem Institut einen Plagiatvorwurf anhängen  sollte, in seinem Gutachten beim Glyphosathersteller Monsanto selbst abgeschrieben zu haben.

Für BfR-Päsident Hensel ein weiterer haltloser Plagiatsvorwurf. Schon deshalb, so schreibt er, weil selbstredend und sogar notwendiger Weise auch Passagen aus eingerechten  Dokumenten in die entsprechenden Bewertungsberichte einfließen müssten.

Aber da war die diskreditierende Falschbehauptung bereits in der Welt. Jost Maurin holte als nächsten Zeugen für seine Anklage per Interview den Bio-Chemiker Helmut Burtscher-Schaden ins Boot, einen  engagierten Umweltaktivisten der österreichischen Umweltorganisation Global 2000, welche gemeinsam mit anderen Verbänden Unterschriften für die EU-Bürgerinitiative gegen Glyphosat gesammelt hat. Maurin nennt den Aktivisten und Unterschriftensammler „Umweltschützer“.  Und Burtscher-Schaden liefert gewissermaßen von Aktivist zu Aktivist gerne und reichhaltig Vorverurteilungen, die auf Prüfungen basieren, die er – Achtung! – zu dem Zeitpunkt aber noch gar nicht durchgeführt hatte, wie er im Interview mit Maurin auch noch freimütig eingesteht. Soviel Abgebrühtheit ist sogar heutzutage selten.

Und weil das alles so bequem funktioniert hat mit der Diffamierung, darf Aktivist Burtscher-Schaden auch im aktuellen Artikel von Maurin wieder auftreten und an die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation erinnern, die Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte.

Und hier folgt die nächste fahrlässige Auslassung, wenn er nicht erwähnt, dass im gleichen Zusammenhang zu heißer Tee, die Tätigkeit des Friseurberufs oder auch rotes Fleisch ebenfalls als „wahrscheinlich krebserregend“ genannt werden. So betrachtet kann diese Feststellung also keine ernstzunehmende Größe einer Entscheidungsfindung sein – nichtsdestotrotz wird sie aus Mangel an Alternativen immer wieder herangezogen. Wo es Aktivisten passt, wird alles genommen, Qualität egal.

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Hinzu kommt leider: Der Autor des taz-Artikels setzt sich hier über journalistische Standards hinweg, welche beispielsweise der Spiegel gerade aus den bekannten Gründen für sich als unbedingte Leitplanken neu formuliert hatte. Standards, die auch für die taz gelten müssten, wenn es da u.a. heißt: „Fakten schlagen die vermeintlich literarische Qualität“, zwar dürfe ein Artikel eine Haltung haben, aber keinen eigenen Spin im Sinne einer These haben und muss „gegenläufige Argumente anführen.“ Aber das eben fehlt hier bei Jost Maurin grundlegend.

Jetzt sollen laut Maurin und Mitstreitern bestätigte und zertifizierte (GLP-Siegel) Studien ganz wegfallen. Aber welche niedere Qualität wird dem Verbraucher dann warum zugemutet und was soll dabei am Ende herauskommen außer dass private Institute bzw. Nichtregierungsorganisationen (NGO) die Lücke dankbar füllen, wenn sie sich mutmaßlich mit ihrer politischen Haltung dafür qualifiziert haben?

Hier stand eingangs die Frage, was in letzten fast zwei Jahrzehnte mit diesem Institut passiert sein könnte angesichts der massiven Kritik auch aus der Ecke ihrer Gründer. Möglicherweise hat das BfR einfach seine Unabhängigkeit zu ernst genommen.

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