Tichys Einblick
Unvermögen und Unwillen

Nur zwei Prozent der Migranten erreichen Ziel im Deutschkurs

Goethe-Institut und Leibniz-Institut präsentieren erschütternde Erhebungen bei Integrationskursen: Nur zwei Prozent erreichen das gesteckte Ziel im Deutschkurs, über die Hälfte bricht vorher einfach ab. Das BAMF behauptet weiter 62 Prozent – wer ist wohl näher an der traurigen Wahrheit?

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Sicher ist diese fast schon banale Erkenntnis ein Fundament fortschrittlicher Gemeinschaften: Probleme lösen sich nicht, indem man sie ignoriert. Insbesondere gilt das gerade für Deutschland, wenn es um die Massenzuwanderung und ihre Folgen, aber auch um zukünftige Aufgaben für die deutsche Gesellschaft geht.

Stichwort „Sprache“. Man kann noch so viel darum herum reden, aber wenn Integration von den Dazugekommenen überhaupt ernsthaft angestrebt ist, dann gehört die Fähigkeit, Deutsch zu sprechen zu den Grundbedingungen. Die Sprachkenntnisse lassen sich noch so oft messen und kategorisieren. Am Ende zählt, was ich mit dem Gegenüber wie und auf welche Weise besprechen kann als wichtigster Gradmesser dafür, in wie weit ich eben Teil dieser Gesellschaft werden kann oder ob ich mich mit meiner Verweigerung oder Unfähigkeit, mir die Sprache der Deutschen anzueignen, automatisch zum Teil einer Parallelgesellschaft mache oder mich so absichtsvoll zu einer bekenne.

Das Maß der Befähigung, Deutsch zu sprechen, lässt sich nur bedingt beschönigen. Wenn beispielsweise die Arbeitsagentur handwerkliche Befähigungen von Zuwanderern testen will und dafür umfangreiche Verfahren einführt, die am Ende daran zu scheitern drohen, dass in Ermangelung von Deutschkenntnissen die Abfrage dieser Befähigungen auf Basis einer comicartigen Bebilderung geschehen muss, dann ist die deutsche Gesellschaft am Ende ihrer Selbsttäuschung angekommen. Denkt man jedenfalls.

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Aber das mehrheitliche Scheitern der verpflichtenden Deutschkurse bundesweit und auf breiter Front setzt dem ganzen noch einmal die sprichwörtliche Krone auf, wenn jetzt in Mannheim das Goetheinstitut in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) – beide Organisationen beschäftigen sich seit Jahren mit dem Erfolg und Misserfolg dieser Kurse – wenn nun diese beiden Institute ein geradezu vernichtendes Urteil über den Willen und das Vermögen der Zugewanderten fällen müssen, die deutsche Sprache lernen zu können oder überhaupt erlernen zu wollen.

In einer zweiten Erhebungswelle (2019) zur mündlichen Kompetenz von Teilnehmenden an Integrationskursen schreibt das Leibnitz-Institut zum angestrebten Ziel solcher Integrationskurse, dass nur ein überraschend kleiner Teil der Teilnehmenden das B1-Niveau erreichen würde.

B1 ist Teil eines europäischen Referenzrahmens, also vergleichbar mit der EU-Theorie über den Biegegrad von Gurken, also eigentlich völlig Banane, wenn man beispielsweise den Busfahrer dann trotz offiziell bescheinigter Kompetenz B1 nicht nach der gesuchten Haltestelle fragen kann. Wohlgemerkt, wir sind bei B1 und noch nicht beim flüssigen Sprechen oder Verstehen angekommen, es geht hier darum:

„Aus einer deutlich gesprochenen Unterhaltung über vertraute Themen wie Schule, Arbeit, Freizeit oder Reisen können die wichtigsten Punkte herausgefiltert werden. Situationen, wie sie beispielsweise auf Reisen entstehen, stellen keine Hürden mehr dar. Interessen, Hoffnungen, Pläne und Wünsche werden auf einfache, aber zusammenhängende Weise geschildert. Auch kurze Erklärungen beziehungsweise Begründungen können gegeben werden.“

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Auch soll B1 befähigen, mal eine Zeitungsüberschrift zu entziffern oder einfache Sätze zu schreiben wie ‚Ich gehe zur Arbeit’ oder ‚Ich habe Bauchschmerzen’. Die theoretische Skala der Befähigung reicht übrigens von A1 bis C2. Und weil sich nun das Lernziel der Integrationskurse mit B1 als völlig illusorisch herausgestellt hat, schauten besagte Institute einmal, wie es sich denn wenigstens mit der niederen Stufe A2 bei den Teilnehmern der Kurse verhält und kamen auch hier zu ernüchternden Ergebnissen, wenn festgestellt wurde:

„Die besten Voraussetzungen, das A2-Niveau zu erreichen, haben junge Teilnehmende mit starkem Bildungshintergrund und Fremdsprachenerfahrung. Die Voraussetzungen verschlechtern sich, je älter die Teilnehmenden sind und je weniger Bildung sie mitbringen.“

Und noch dramatischer: „Lange Aufenthaltszeiten in Deutschland wirken sich negativ aus. (…) Die „Spätausgewanderten“ und „Unterpriviligierten“ haben die niedrigsten Chancen im derzeitigen Kursformat das A2-Niveau zu erreichen.“ Wohlgemerkt in Kursen, die sich doch eigentlich das B2-Niveau zum Ziel der Bemühungen gemacht haben.

Wenn die Institute ihre Ergebnisse zusammenfassen, dann müsste eigentlich selbst noch dem hartgesottensten Befürworter der Massenzwanderung klar sein, dass die Stunde geschlagen hat, wenn es da von diesen etablierten und hoch subventionierten Instituten heißt:

„Ein überraschend kleiner Teil der Teilnehmenden erreicht in unserer Untersuchung das B1-Niveau. Von den 247 gebliebenen Teilnehmenden aus der ersten Welle konnten nur 2 % eindeutig dem Niveau B1 zugeordnet werden.“

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Und bei der Gruppe jener Migranten, die schon mehrere Kurse gemacht oder mehrere abgebrochen und neu begonnen haben, waren es auch nur lediglich 8,6 %. Hier spielt es jetzt auch überhaupt keine Rolle mehr, darüber zu diskutieren, ob es sich hier nun um Unwillen oder Unvermögen handelt oder eben um beides zusammen. Die wahrscheinlichere der machbaren Möglichkeiten wäre, – so man genug Zynismus aufbringt es so zu formulieren – der Deutsche würde einfach arabisch lernen, wenn wir uns mit unseren also in vielerlei Hinsicht unvermögenden Neuzugewanderten unterhalten wollen.

Ja, da sind sogar die Berliner taz und ihre Leser irritiert, die in den Kommentarspalten online auch mal ihren Unmut über die Sprachverweigerer kundtun wenn die taz in der Headline nicht etwa fragt, sondern fordert: „Runter mit den Erwartungen“.

Was die Arbeitsagentur zusammen mit der Bertelsmann Stiftung ausgeknobelt hat, wenn es um eine massive Senkung der Kompetenzen im Handwerk geht bis hin zu Befähigungstests auf Kindercomic-Niveau, soll nun also auch die Unfähigkeit oder den Unwillen belohnen, die deutsche Sprache nicht zu lernen, wenn bei den 38 untersuchten Integrationskursen schon weniger als die Hälfte der Teilnehmenden den Kurs überhaupt beenden.

Und weil das alles so ernüchternd und perspektivlos gescheitert ist mit dem Deutschlernen, kommt es, wie es kommen musste: Der Leiter des Goethe-Instituts fordert „das angestrebte Sprachziel von Integrationskursen von B1 auf das niedrigschwelligere A2 zu senken.“ Wir erinnern uns: A2 befähigt dazu, „einem „einfachen und direkten Austausch“ in der deutschen Sprache beizuwohnen.“ Beizuwohnen!

Aber richtiggehend verheerend sind die Erkenntnisse noch in einer ganz anderen Hinsicht, wenn den gerade einmal zwei Prozent, denen es laut der Ermittlungen der Institute gelungen ist, B1 zu erreichen, eine Zahl des Bundesamtes für Migration und Flüchtklinge (BAMF)  gegenübersteht, die mal eben sportliche 62 % behauptet, die in den Kursen B1 erreicht hätten.

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Eine wirklich unerhörte Diskrepanz der Ergebnisse und eine fadenscheinige Herausrederei, wenn das BAMF argumentiert: „Die 38 Kurse seien nicht repräsentativ, die von den Forschenden ausgewählten Themenfelder zu begrenzt.“ Und deshalb sind es dann nicht nur zwei Prozent, sondern doch 62, die B1 erreichen? Die dem Bundesinnenminister Horst Seehofer unterstellte Behörde agiert hier also auf eine Weise politisch, dass es die Peinlichkeitsgrenze weit überschreitet. Eine Blamage.

Bei den Instituten fielen in einem fiktiven Bewerbungsgespräch übrigens auch weit über die Hälfte der Teilnehmer unter das Niveau A2. Irritiert das BAMF ebenfalls nicht, es hätte eben an Authentizität in diesen Gesprächen gefehlt. Der Geist Horst Seehofers hat nun wohl auch seine Behörden bis auf den hintersten Platz durchweicht.

Und aus Mannheim gibt es dann die wohl saftigste Ohrfeige für das BAMF, die man sich vorstellen kann, wenn die Institute darauf hinweisen, dass das BAMF die Prüflinge gezielt auf den Abschlusstest vorbereiten würde. Mit anderen Worten: Es wird wohl auswendig gelernt, bis so etwas, wie ein Papageieneffekt eintritt, nur um die von der Regierung Merkel angestrebten Wunschzahlen erreichen. Was für ein zynisches Spiel übrigens vom BAMF auch mit jener Minderheit unter den Migranten, die wirklich willens sind, vernünftig Deutsch zu lernen.

Nun wissen diejenigen, die arbeiten und Geld durch Arbeit verdienen wollen, ganz genau, dass Sprachkenntnisse dafür unabdingbar sind. Was sagt das nun alles über den Willen aus, staatliche Leistungen irgendwann durch eigene Hände Arbeit zu ersetzen?

Eine Leserin der taz namens „Bunte Kuh“ kommentiert den Artikel ihrer Zeitung dann mit einem Grinsen, das hier dann gerne die Kirsche auf dieser Torte des großen Scheiterns von Integration sein soll:

„Ordentliches Deutsch sprechen sogar viele „Biodeutsche“ nicht. Geht mal aufs Dorf in einem Bundesland eurer Wahl. Offenbar wird das Problem wohl wirklich überschätzt.. ;-)“

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