Tichys Einblick
Immer neue Maulkorbversuche

Morddrohung gegen Bedford-Strohm wegen Seenotrettung – Kritik deshalb verboten?

Es ist gefährlich für Demokratie und Meinungsfreiheit, Kritiker als Anstifter von Morddrohungen zu denunzieren und ihnen damit den Mund verbieten zu wollen. Das darf und wird nicht gelingen.

Die Distanzierung von Helmut Kentlers pädophilem Verhalten war lang ersehnt. Es dürfte Kentlers Opfer hart ankommen, dass sich nicht die Evangelische Kirche in Deutschland als Ganze entschuldigt.

imago Images/photothek
Erinnern Sie sich noch an Ralf Stegner? An den sozialdemokratischen Dauertwitterer an der Küste, der mit jedem Prozentpunkt weniger in den Umfragen für die SPD seinen Außenlautsprecher lauter stellte, via Twitter immer schriller posaunte und dafür immer mitleidigere Kommentare kassierte.

Stegner twitterte vor drei Jahren am 4. Januar 2017 in Richtung TE: „Mimimi… Taschentuch gefällig?“ Warum er so infantil wurde? Weil wir in einem Artikel, den er per Twitter teilte, eine „erschreckende Diskursverweigerung“ feststellten und auf „eine zunehmend aggressivere und unsaubere Art der Auseinandersetzung“ hinwiesen, die wir als „Zäsur“ bezeichneten. Ja, wir hatten den Jahreswechsel 16/17 genutzt, um daran zu erinnern, dass Demokratie erst im konstruktiven Streit lebendig wird. Und wir hatten die Diskursverweigerer, die Scharfmacher und die Aufhetzer direkt angesprochen und ein Dialogangebot gemacht. Dafür reichte uns Ralf Stegner also seine Rotzfahne mit eingestickter hämischer Bemerkung.

Warum das einleitend von Bedeutung ist, wenn es in diesem Text doch eigentlich um den Chef der evangelischen Kirche Deutschland, um Morddrohungen gegen den EKD-Vorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm gehen soll? Weil man Bedford-Strohm jetzt auch so ein Taschentuch reichen könnte. Aber angesichts der Schwere so einer Morddrohung gegen den Medienliebling sollte das tunlichst vermieden werden. Wir wollen der Vollständigkeit halber erwähnen, dass Morddrohungen auch gegen TE ausgesprochen wurden, ohne dass wir damit nun etwa moralisierend hausieren gegangen wären.

Heinrich Bedford-Strohm hat jede Menge Presse bekommen. Ja, auch für die Veröffentlichung einer Morddrohung gegen ihn, aber noch viel mehr für die Idee, ein eigenes Boot zu finanzieren. Denn dann werden wieder noch mehr Migranten im Mittelmeer sterben, weil neue private „Seenotrettungsschiffe“ sich Richtung libysche Küste aufmachen, um wieder noch mehr Menschen aus Afrika anzulocken, die sich via krimineller Schlepper eine illegale Einreise in die EU erhoffen und von denen mit wachsender Zahl der Schiffe unweigerlich eine wachsende Zahl ertrinken wird. Das aufgewühlte Meer ist dafür der stumme Zeuge ebenso wie die offiziellen Zahlen internationaler Organisationen. Spannend wird in den nächsten Tagen auch die Frage werden, wie sich Bedford-Strohm zu Österreichs Bundeskanzler verhalten will, der – jetzt mit den österreichischen Grünen an der Seite – gerade gegenüber der deutschen Presse zwei Dinge weiterhin betont: Zum einen, den Begriff „Flüchtling“ durch „Migrant“ zu ersetzen, und zum anderen, dass mehr sogenannte Seenotrettung vor der libyschen Küste mehr Tote bedeutet. Immer mehr Menschen ertrinken dadurch. „All jene, die glauben, etwas Gutes zu tun, müssen sich eingestehen, dass es diese erwiesene Steigerung der Toten durch ihr Vorgehen gibt“, sagt er der BamS, allerdings vergebens im Ergebnis. BamS-Autorin Miriam Hollstein erklärt, wer den Bischof für seine Politik als  „Fake-News-Prediger“ kritisiert, „trägt zu einer Atmosphäre des Hasses und damit zu Morddrohungen bei“. Es herrscht eben Binnenpluralität in der schlingernden BamS; da kann jeder faktenfrei meinen, was er will und Äußerungen von Interviewpartnern diffamieren.

Heinrich Bedford-Strohm muss um dieses düstere Kapitel seines medienwirksamen Seenotrettungsengagements wissen. Auch TE hat es ihm zuletzt im Juni 2019 aufgeschrieben und ihn als „Fake-News-Prediger“ genannt. Aber Bedford-Strohm blieb trotz der Fakten unbeirrt, es scheint ihm gleichgültig, so lange nur einige Gazetten weiter über seine Schiffsaktion samt Sammelbüchse berichten. Schlimmer: Kritiker werden von Bedford-Strohm abgebügelt bis dahingehend, dass der Kirchentag Kritiker dieser „Seenotrettung” ausschließt und diese Kritiker obendrein zu gottlosen Gesellen erklärt – Mittelalter reloaded?

Aber – und wir kommen endlich zur Morddrohung gegen Bedford-Strohm – all das nutzt dem EKD-Chef herzlich wenig, er hat sich verzockt, das Engagement des deutschen Kirchenmannes im Mittelmeer wurde nicht etwa zum medialen Selbstläufer, im Gegenteil: Die Stimmung gegen diese mit seiner Person so eng verbundene „Seenotrettung“ wurde zur Irrfahrt, der Kahn geriet ins Schlingern, als eine Reihe gewichtiger Gegenstimmen auf Legitimität pochten und der Druck auf Heinrich Bedford-Strohm wuchs, sich endlich einmal jenseits seines moralisierenden Absolutismus zu erklären, dahingehend, was tatsächlich noch hinter seinem Libyen-Projekt steckt.

Gegenüber der evangelischen Nachrichtenagentur idea empfahl Weiss seinem Glaubensbruder Bedford-Strohm, dieser möge doch ab und an besser mal schweigen:

„Wir wünschen uns, dass er da zurückhaltender agiert und seine moralische Autorität nicht so vor sich herträgt, wie das mittlerweile in der Öffentlichkeit berechtigterweise kritisch wahrgenommen wird. Er sollte sich mehr mit der Frage beschäftigen: Was tue ich wann? Wann rede ich, wann schweige ich? Er weiß, dass sein Vorgehen sehr differenziert und unterschiedlich wahrgenommen wird.“

Die ZEIT titelt aktuell über den Kirchenmann, er würde „massiv bedroht“ werden. Was war da passiert, das die Aufmerksamkeit der Ermittlungsbehörden auf sich ziehen muss? War bei der ZEIT ein glaubwürdiges Schreiben einer „rechten” Terrorgruppe eingegangen, das angekündigt hatte, Bedford-Strohm nach dem Leben zu trachten oder gab es eine Polizeimeldung dazu? Mitnichten, der EKD-Chef selbst hatte sich zunächst gegenüber der Augsburger Zeitung dahingehend geäußert, dass er vor allem im Zusammenhang mit seinem Engagement in der „Seenotrettung” von Flüchtlingen recht konkrete Drohungen erhalten habe, die er aber „nicht sehr ernst“ nehmen würde.

Was aber ist das für ein merkwürdiges Durcheinander in so einer doch sehr, sehr ernsten Angelegenheit? Noch mehr, wenn auch Bedford-Strohm wissen muss, das man mit solchen Erzählungen nicht leichtfertig umgehen darf?

Aber was bitte ist „recht konkret“ und doch „nicht sehr ernst“? Und warum geht er damit nicht zur Polizei? Oder war er schon? Um anschließend die Medien über Morddrohungen gegen ihn aufzuklären, im selben Atemzug noch einmal die Pläne seiner „Seenotrettung” vor der libyschen Küste groß und breit auszurollen und so noch einmal in relevanten Zeitungen an die Spendenbereitschaft der Leute zu appellieren? Das hat ein bitteres Geschmäckle, was auch dem Kirchenmann hätte klar sein müssen.

Der Kirchenmann nutzt die von ihm selbst öffentliche gemachte Morddrohung, um umfangreich und erneut die Seenotpläne seines Hauses zu erzählen: Warum?
Jedenfalls hat Heinrich Bedford-Strohm selbst den Zusammenhang hergestellt und die Presse nutzt die nach seinen Angaben gegen ihn gerichteten Morddrohungen als Einstieg in eine erneute Erzählung dessen, was die Kirche im Mittelmeer an Aktionismus plant.

Angenommen, es gibt diese Drohungen wirklich, was wahrscheinlich ist, denn viele öffentliche Personen bekommen ja solche Post. Schlimmer: Manche werden nach solchen Drohungen tatsächlich ermordet so wie der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke. Umso sensibler muss doch der Umgang mit solchen Drohungen sein, die vor keinem politischen Lager halt machen. Die nicht einmal mehr vor einfachen Leuten halt machen, so wie gerade erst wieder auf einem linksradikalen Portal dazu aufgerufen wurde, sich gegen den politischen Gegner zu bewaffnen und Krieg zu führen.

Nein, nicht jeder Schwachkopf, nicht jeder Internetmaulheld wird zum Mörder: gottseidank nur die allerwenigsten. Umso wichtiger ist der Umgang mit solchen Morddrohungen, die Bedford-Strohm in seinem konkreten Falle als „nicht sehr ernst“ bezeichnet hat. Das allerdings steht in keiner der Überschriften der Zeitungen, die stattdessen über eine viel längere Strecke erneut über diese Archebaupläne der Kirche spricht.

Man kann an der Stelle nur hoffen, dass die Kritiker von Bedford-Strohms Libyenplänen weiter ihre Kritik äußern. Es ist brandgefährlich, die Kritiker als Anstifter von Morddrohungen zu denunzieren und ihnen damit den Mund zutackern zu wollen. Das darf und wird nicht gelingen. (Die Kritik auf TE, die jetzt dazu herhalten soll, stammt aus Juni 2019.)

Roland Tichy sah sich nun gezwungen, sich solches Mundverbieten zu verbitten. TE wird weiter offenkundige Fakten berichten und kommentieren, auch wenn es einigen linksgewickelten Bischöfen, Ministerinnen oder Journalistinnen nicht gefällt, die sich hinter dem Tweet von Miriam Hollstein versammelt haben.

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