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UN-Migrationspakt – Merkel in Marrakesch

Wenn am heutigen Tag eine Botschaft von Angela Merkel klar herüber kam, dann vielleicht diese: In wenigen Worten alles gesagt, insofern, dass sowohl die Kritiker, wie auch die Kritiker dieser Kritiker ihre Argumente finden dürften.

Fadel Senna/AFP/Getty Images

Der Titel der Veranstaltung in Marrakesch klingt so absichtvoll künstlich verkompliziert, als wäre er die inhaltliche Fortsetzung der beiden Dokumente, die hier heute verhandelt werden sollen: „intergovernmental conference to adopt the global compact for safe, orderly and regular migration.“ Die Rückwand der Veranstaltung reicht kaum aus, diesen Titel in Gänze abzubilden. Die Blende des Rednerpultes ist dafür noch weniger geeignet.

Für 11 Uhr ist eine Rede der Bundeskanzlerin Angela Merkel angesetzt. Unter ihrer maßgeblichen Regie soll es überhaupt erst zu dieser heute zu beschließenden Vereinbarung gekommen sein. Die Patin der Massenzuwanderung also auch Patin des Migrationspaktes. Mit ihrem Engagement ist sie spätestens seit 2015 ist zu einem der treibenden Motoren der weltweiten Migrationsbewegungen geworden.

Vor Merkel spricht u.a. Azali Assoumani, ehemaliger Putschist und heute Präsident der islamischen Bundesrepublik der Komoren. Seine Inselgruppe soll neben anderen mutmaßlich vom Klimawandel zum Untergang verdammt sein. Die passende apokalyptische Kulisse also im Vorfeld von Merkels Auftritt.

Vor der deutschen Kanzlerin der noch prosperierenden Bundesrepublik spricht aber noch der Präsident von Sierra Leone. Die Lebenserwartung der Menschen lag hier noch zur Jahrtausendwende bei gerade einmal 36 Jahren und stieg bis 2016 auf 52. Wer von hier nach Europa auswandert, nutzt also die Gelegenheit – so er auch in Sozial- und Gesundheitssysteme einwandert – seine Lebenserwartung noch deutlich zu steigern.

Nun Angela Merkel. Großer Applaus im Auditorium. Die Kanzlerin erinnert zunächst an die Freizügigkeit innerhalb der EU zum Zwecke der Arbeit. „Das schafft uns mehr Wohlstand“. Hier ginge es u.a. um gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Wir bräuchten – so Merkel weiter in ihrer eigenwilligen Stringenz – vermehrt Fachkräfte auch von außerhalb der EU.

Wohl um ihre Kritiker im eigenen Land zu besänftigen, betont Merkel erneut, dass der Pakt rechtlich nicht bindend sei. Die Vereinbarungen würden der illegalen Migration sogar ganz klar den Kampf ansagen. Ebenso, wie der Pakt Schleppern das Handwerk legen will. Merkel dankt anschließend explizit dem UNHCR, der nun „eine große Aufgabe mit der Umsetzung des Paktes“ habe.

„Jedem ist doch klar, das nationale Alleingänge dieses Problem nicht lösen können.“ Merkel dankt jetzt ausdrücklich Marokko für sein großes Engagement hin zu einer Lösung der Migrationsfrage.

Weiter: „Entwicklung und Umsetzung dieses Paktes und seiner Inhalte gehören untrennbar miteinander zusammen.“

Die Ängste vor dem Pakt, so die Bundeskanzlerin vor den über 150 Vertretern der Staaten, werden von seinen Gegnern genutzt „um Falschmeldungen in Umlauf zu bringen“. Merkel erinnert dann explizit als deutsche Bundeskanzlerin daran, warum die UN gegründet wurde, erinnert daran, dass es das nationalsozialistische Deutschland gewesen sei, dass „unendliches Leid“ über die Menschheit gebracht hätte.

Und Merkel spricht hier in Marokko an einem symbolträchtigen Tag, wenn heute vor 70 Jahren am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Palais de Chaillot in Paris die Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verabschiedet wurde.

Deshalb und daraus resultierend ihr Fazit: Deutschland fühle sich den Multilateralismus verpflichtet: „Wir haben eine umfangreiche Diskussion im Parlament geführt, es gab eine große Mehrheit für den Pakt“ und „herzlichen Dank.“

Angela Merkels Rede ist schon nach wenigen Minuten vorbei. Der Präsident der islamischen Bundesrepublik der Komoren sprach gefühlt drei Mal so lange.

Was wir hier gerade erleben durften, war kein inhaltlicher, sondern ein rein symbolischer Auftritt. Eine Angela Merkel, erschienen, um so etwas wie eine persönliche Verantwortung für die Verwerfungen der Gegenwart zu übernehmen, für die Geschichtsbücher? Sicher nicht. Oder war das schon eine Bewerbung der 64-Jährigen für internationale Weihen oder über ihr Engagement in Sachen Massenzuwanderung und Migrationspakt der zweite Anlauf für den Friedensnobelpreis?

Hatte Angela Merkel deshalb so unverschämt geflunkert, als sie den versammelten Staaten gerade weismachen wollte, es hätte eine große Mehrheit in Deutschland gegeben für den Migrationspakt? Frech war es auf alle Fälle, sich vor der Welt dreist mit einer „umfangreichen Diskussion“ in Deutschland rund um den Migrationspakt zu schmücken, im klaren Wissen, dass ihr diese Diskussion als Pseudodiskussion erst aufgezwungen wurde und die Diffamierung und Diskreditierung des Gegenüber von Anfang an zur Diskussionskultur auch der Kanzlerin gehörte. Dazu hatte sie den Startschuss gegeben und ihre Heerscharen der Willigen folgten ihr darin, wenn man Stefan Aust hier einmal auslässt, der als einer der wenigen Vertreter der Leitmedien Kritik am Pakt, also der Kanzlerin damit die Stirn geboten hatte.

Wenn am heutigen Tag eine Botschaft von Angela Merkel klar herüber kam, dann vielleicht diese: In wenigen Worten alles gesagt, insofern, dass sowohl die Kritiker, wie auch die Kritiker dieser Kritiker ihre Argumente finden dürften.

Warum? Weil Angela Merkel mindestens eines am Aufbau des Textes zum Pakt gelesen und genau verstanden hat: Sage einfach alles, sprich in Widersprüchen, am Ende gibt es für jedes Argument automatisch auch ein Gegenargument.

Beispiel? Einerseits spricht Merkel davon, der illegalen Migration den Kampf anzusagen, andererseits soll es nun dadurch gelöst werden, dass quasi die illegale Migration zur legalen wird, dass, so Merkel: „Entwicklung und Umsetzung dieses Paktes und seiner Inhalte“ untrennbar miteinander zusammengehören und der UNHCR die Aufgeben der Umsetzung schon übernehmen wird, also die Diskussion gar nicht mehr in Deutschland oder Europa geführt werden kann, weil höhere Mächte ins Spiel genommen wurden. Eine Macht, als letzte Verlockung für Angela Merkel, ihr wird sie möglicherweise noch nachgeben, bevor die den Thron in Deutschland endgültig ihrer Nachfolgerin überlässt.

(Es gilt das gesprochene Wort.)


Mehr zum Thema:

Roland Tichy (Herausgeber), Der UN-Migrationspakt und seine Auswirkungen.
Mit Beiträgen von Norbert Häring, Krisztina Koenen, Tomas Spahn, Christopher Walter und Alexander Wendt

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