Tichys Einblick
Ausgründung der TU Braunschweig

Braunschweiger Firma stellt neues Medikament gegen Corona in Aussicht

Ausgerechnet bei den Corona-Risikogruppen der Alten und Vorerkrankten wirken Impfungen schlechter. Ein neues Medikament aus Braunschweig soll nun Corona-Viren medikamentös bekämpfen - aber wohl nicht als Alternative zum Impfen.

imago images / MiS

Gehen wir mal davon aus, Impfgegner wären nicht im gleichen Maße Medikamentengegner. Dann jedenfalls wäre, was jetzt aus Braunschweig gemeldet wird, auch für diese Gruppe eine erfreuliche Nachricht: Ein Magazin der Technischen Universität (TU) Braunschweig gab am 4. Dezember per Pressemitteilung bekannt, dass bestimmte neugewonnene Antikörper genutzt werden können, um Krankheitsverläufe von Covid-19-Patienten zu erleichterten. Von einer Verkürzung der Erkrankungsdauer auf zwei Tage ist die Rede ebenso, wie von einer erheblichen Reduzierung der Covid-Virenlast in der Lunge. Das sind gute Nachrichten.

Um zu erzählen, was da genau wie und durch wen entwickelt und erforscht wurde, muss vorab ein kleiner Info-Dschungel freigeschlagen werden: Zwar informiert die TU Braunschweig, aber Entwickler des neuen Covid-19-Medikaments ist eine erst im Juni 2020 gegründete Corat Therapeutics GmbH als sogenannte „Ausgründung“ der TU.

Hier geht es um Vermarktung und um einen heiß umkämpften Weltmarkt für das Medikament der Stunde. Liegt der Fokus aktuell immer noch auf den Impfstoffen, ist auch ein Medikament für bereits Erkrankte von herausragender Bedeutung. Analog zum Impfstoff kann man von einem Wettlauf der weltweiten Forscherteams sprechen. Es braucht keine besonderen pharmazeutischen oder sonstigen Kenntnisse, um zu ermessen, welchen auch monetären Wert so ein erfolgreiches Medikament hätte.

Besagte GmbH bezeichnet sich selbst als Biotech-Startup. Hinter diesem Startup steht das Biotechnologie-Unternehmen YUMAB GmbH. Wiederum hinter dieser GmbH steht neben anderen Stefan Dübel als Gründer des Unternehmens wie auch als Professor und Leiter des Institutes für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik der TU Braunschweig.

Er selbst sei nicht mehr operativ tätig, sagt er, die meisten Mitarbeiter der GmbH seien aber ehemalige Studenten. Dübel nennt die GmbH gegenüber dem Fachmagazin Laborjournal „ein Alternativprogramm zur schwindenden Drittmittelförderung“. Man sei aber weiter eng verwoben zwischen Universität und GmbH. Auch die TU würde profitieren von der Technologie, „die in so einer Firma nun einmal viel rasanter entwickelt werden kann als an einer Uniiversität mit ihren Rahmenbedingungen.“

YUMAB ist im so genannten „Antibody Engineering“ tätig, also mit der Entdeckung neuer menschlicher Antikörper beschäftigt. Und Corat Therapeutics GmbH kümmert sich unter diesem Dach seit Juni 2020 um den Covid-19-Antikörper. Corat steht dabei für Corona Antibody Team.

Also was ist die Erfolgsmeldung dieses Teams aus Braunschweig im Detail? Entwickelt wurde der Antikörper COR-101. Er gilt den Wissenschaftlern von Corat als besonders erfolgversprechend bei der Bekämpfung akuter Covid-19-Erkrankungen. Geschäftsführer Andreas Herrmann erklärt das Anwedungsgebiet genauer:

„Wir wissen, dass ein Impfstoff nicht bei jedem einzelnen Menschen funktioniert, dies wird besonders bei älteren Menschen beobachtet. Zudem gibt es Patientinnen und Patienten mit anderen Erkrankungen, welche nicht geimpft werden können. Leider haben gerade diese beiden Personenngruppen in der Regel auch ein höheres Risiko, an Covid-19 zu erkranken. Hier soll unserer Antikörper COR-101 helfen.“

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Am Rande also die mindestens interessante Information, das Impfen dort leider besondere Schwierigkeiten macht, wo es seine wichtigste Anwendungsgruppe hat: bei Alten und Vorerkrankten. Dazu heißt es in einer Pressemitteilung der TU sogar, bei Älteren und Vorerkrankten sei die Bildung der notwendigen Antikörper „oftmals verlangsamt oder nicht mehr möglich. Dann sind sie auch nach einer Impfung nicht geschützt.“ Die passive Immunisierung durch COR-101 funktioniere dann vergleichbar wie bei Behandlungen gegen Tetanus (wenn hier keine sichere Tetatnusimpfung vorliegt).

Aber was genau macht das neuen Medikament, das gerade erst erfolgreich an Hamstern getestet wurde (dazu gleich mehr). Wie kann man dem interessierten Laien erklären, was da möglicherweise aus dem beschaulichen Braunschweig kommend der Welt einen so übergroßen Dienst erweisen könnte?

Herrmann dazu: „Da COR-101 die essentielle Kontaktstelle zwischen Virus und unserem Körper besetzt, kann das Virus seine „Spike“-Proteine nicht mehr nutzen, um uns zu infizieren.“ Deshalb, so jedenfalls die Hoffnung der Antikörper-Forschungs-GmbH, erwartet man sich „dass COR-101 all jenen helfen kann, die bereits an Covid-19 erkrankt sind, deren Immunsystem aber die notwendige Immunantwort nicht rechtzeitig selbst in Gang setzen kann.“ Es soll sogar geprüft werden, so Herrmann, medizinisches Personal und Risikogruppen prophylaktisch zu behandeln.

Wieder interessant in der Kommmunikation ist hier die unüberhörbare Mitbewerberpositionierung gegenüber Impfstoffherstellern, wo es da beispielsweise heißt: „Im Gegensatz zu den sich derzeit in der Prüfung befindenden Impfstoffen benötigt unser Anti-Corona-Medikament keine ausgeklügelte Tiefkühllogistik.“ Man erwarte deshalb „eine sehr viel einfachere und günstigere Logistik für die Verteilung von COR-101 als für RNA-Impfstoffe.“

Vorbeugend und Dank einer „generell sehr guten Verträglichkeit von Antikörpern“, dürften heute bereits „Antikörper gegen „andere“ Lungenviren“ sogar zum vorbeugenden Schutz von herzkranken Kindern und frühgeborenen Babys eingesetzt werden.

Die Pressemitteilung der TU erklärt auch bereitwillig den gigantischen Markt für COR-101: „Bei den bisherigen Effizienzdaten der SARS-CoV-2 Impfstoffe zwischen 70% – 95% wären von der gesamten Weltbevölkerung von sieben Milliarden Menschen zwischen 350 Millionen und zwei Milliarden durch eine Impfung gar nicht zu schützen.“

Übrigens: In den USA sind bereits zwei vergleichbare monoklonale Antikörper per Notfallzulassung beispielsweise bei Präsident Donald Trump eingesetzt worden – offensichtlich erfolgreich. Allerdings wurden weitere klinische Studien dort unterbrochen, als schwere Nebenwirkungen auftraten, wie der NDR berichtete. Die Braunschweiger wollen es besser können, solche Nebenwirkungen seien bei ihnen „durch eine genetische Veränderung ausgeschlossen.“ Eine überschießende Reaktion des Immunsystems (eine der gefürchteten Nebenwirkungen) würde es mit COR-101 nicht geben, weiß man heute schon.

Ein Überblick
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Der aktuelle Stand: Im Tierversuch war das Medikament erfolgreich. Jetzt folgen Studien an erkrankten Menschen. Bisher war COR-101 an Hamstern getestet worden. Die Tiere waren innerhalb von zwei Tagen genesen. Tiere ohne das Medikament brauchten dafür eine Woche. Wieder Herrmann sagte gegenüber dem NDR über die Ergebnisse am Hamster: „Wir freuen uns besonders darüber, dass COR-101 die Menge an Sars-CoV2 in der Lunge drastisch reduziert hat.“

Ab Januar beginnt die klinische Studie am Menschen. Und auch hier kommt vom Unternehmen der Querverweis zur Impfstoffentwicklung: „Im Gegensatz zu allen bisherigen Impfstoffstudien würden diese Studien von Anfang an an infizierten Patienten durchgeführt.“ Und weiter geht man bei Corat davon aus, „dass ein Effekt des Medikaments zudem viel schneller nachgewiesen werden kann als in Impfstoffstudien.“

Aber trotz der vielen Querverweise zum vermeintlichen Mitbewerber auf dem Corona-Bekämpfungsmarkt: Das Unternehmen sagt an keiner Stelle, dass die Bürger nun auf Impfungen verzichten könnten, weil es bald ein gut verträgliches schnell wirksames Medikament gegen Corona gäbe. Corat zielt auf jene bis zu zwei Milliarden Menschen, denen Impfungen nicht helfen können, die ihnen sogar gefährlich werden. Interessant könnte am Rande auch sein, was traditionelle Impfgegner nun zu dieser Neuentwickung sagen.

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