Tichys Einblick
„Nur eine Frau“

Maischbergers Dokudrama über einen Ehrenmord in Deutschland

Im Ersten lief eine Dokudrama über eine Frau, die von ihrer eigenen Familie ermordet wird, weil sie nach eigenen Vorstellungen leben wollte. Der Film ist aufwühlend. Und ausgerechnet Sandra Maischbergers Firma hat ihn produziert, die in ihrer Talkshow die Mahner vor solchen Sitten ausgrenzt.

Screenprint: ARD/Nur eine Frau

Sandra Maischberger ist mehr als Maischberger. Hinter der Talkshow-Moderatorin steht eine eigene Produktionsfirma, so wie auch beispielsweise hinter Frank Plasbergs Sendung Hart aber Fair. Maischbergers Vincent Productions GmbH – sie ist hier die geschäftsführende Gesellschafterin – produziert nicht nur die Talkshow, die ihren Namen trägt, sondern auch Dokumentationen, Dokudramen, Portraits und so genannte Infotainment-Formate. Bereits abgedreht wurden beispielsweise Filme über die Spionin Mata Hari, über den Bruder von Hermann Göring und über Altkanzler Helmut Schmidt. Auf der Internetseite findet sich ein Zitat von Vincent van Gogh: „Ich möchte in das Bild Bewunderung legen, die Liebe, die ich dafür empfinde.“ Nun gut.

Gestern war also wieder Maischberger-Abend, sogar im doppelten Sinne: Im Vorfeld der am späten Abend ausgestrahlten Talkshow lief zuvor zur besten Sendezeit ebenfalls in der ARD „Nur eine Frau“: ein aufwühlendes Dokudrama aus dem Hause Maischberger, das einen realen Ehrenmord in Kreuzberg nacherzählt, bei dem eine junge türkische Mutter von ihrem jüngsten Bruder auf offener Straße erschossen wurde. Bis heute ist unbewiesen, inwiefern die gesamte Familie der Frau an der Ehrenmordplanung beteiligt war. Inhaftiert mit Jugendstrafe wurde nur der jüngste Sohn.

Einer dieser ARD-Themenabende hätte sich also angeboten, aber Maischberger zog es vor, ihren Film nicht zum Hauptthema ihrer anschließenden Talkshow zu machen, also nicht zur Diskussion zu stellen. Was sie nicht davon abhielt, im Vorfeld die Werbetrommel für ihren Film zu rühren, indem sie eben diese Nichtbeschäftigung mit ihrem eigenen Werk unter anderem via Bildzeitung thematisierte.

Und dabei kamen denkwürdige Zitate zustande, die regelmäßige Zuschauer von Maischbergers Talkshows trotz des tragischen Inhaltes des von ihr produzierten Films zum Schmunzeln gebracht haben könnten, wenn die 53-Jährige die Verweigerung des Themenabends so begründet: „Ich bin nicht neutral in dieser Debatte. Das wäre uns vielleicht um die Ohren geflogen und hätte der Sache geschadet. Das wollten wir auf keinen Fall.“

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Das sagt Sandra Maischberger, die neben Maybrit Illner, Anne Will und Frank Plasberg wohl wie keine andere dafür steht, sich in den Gesprächsrunden ihrer Talkshows immer wieder mit Positionen gemein zu machen und sich gegen bestimmte eingeladene Gäste zu wenden. Absoluter Tiefpunkt dieser Verhaltensweise war sicher ihre Sendung vom 28. Januar 2016, als Maischberger sich gemeinsam mit Jakob Augstein und Ralf Stegner über Frauke Petry hermachte. In mal mehr und mal minderschwerer Form hat sich das auch wiederholt. Eine Spezialität der Moderatorin: Warner vor illegaler Massenzuwanderung also auch vor vornehmlich jungen muslimischen Männern und ihrer mitgebrachten Kultur werden gnadenlos abgebügelt.

Jetzt also zur besten Sendezeit eine dokumentarische Fiktion, ein abendfüllender Spielfilm über den schockierenden Ehrenmord an der türkeistämmigen Kurdin Hatun Sürücü, die am 7. Februar 2005 von ihrem jüngsten Bruder an einer Bushaltestelle in Berlin-Tempelhof durch drei Kopfschüsse ermordet wurde um nach dem Verständnis dieser Menschen die Ehre der islamreligiösen Familie wiederherzustellen. Der Mörder wurde mittlerweile wieder aus der Haft entlassen. Maischbergers Film endet unter anderem mit Originalaufnahmen dieser Haftentlassung.

Dem Ehrenmord vorangegangen war eine Zwangsehe zwischen der jungen Kurdin und einem vom Vater ausgesuchten Cousin der Frau, der sie schwängert. Hatun bringt einen gesunden Jungen zur Welt, der heute außerhalb der Familie aufwächst, was im Film als einer der wenigen Erfolge der deutschen Justiz beschrieben wird. Sonst hätte der Junge wahrscheinlich bei den Menschen aufwachsen müssen, aus deren Mitte seine Mutter ermordet wurde, weil sie gleich mehrere vermeintliche Todsünden begangen hatte, als sie sich trennte, das Kopftuch ablegte, eine eigene Wohnung nahm, einen Beruf erlernte, um von einem Mann finanziell unabhängig zu sein, und einen deutschen Freund kennen und lieben lernte.

Ja, der Film ist dramaturgisch streckenweise wirklich gut gemacht. Seine Intensität  wühlt auf. Die Darstellung dieser furchtbaren und archaischen Familientraditionen kann beim Zuschauer durchaus zu Verachtung führen. Und zu der Frage, warum das alles hier in Deutschland sein muss, warum diese fremden Menschen mit ihrem mörderischen Wahnsinn überhaupt hierher gekommen sind.

Auch technisch ist „Nur eine Frau“ durchaus gut gemacht. Mit filmischen Ideen, mit Schnitten und Effekten, die sehenswert sind, wenn beispielsweise die einzelnen Spielszenen getrennt werden von einer Reihe von Standbildern wie aus dem Fotoalbum der Familie, die in einer hypernaturalistischen Quecksilber-Sepia-Technik ins Wohnzimmer strahlen. Man mag da kaum hinsehen ob dieser furchtbaren Figuren, die da gezeigt werden. Das mag auch das Erschütternde sein: Selbst die Hauptdarstellerin bleibt streckenweise fremdartig, wenn sie trotz aller Integrationserfolge vorbei an der steinzeitreligiösen Familie doch irgendwie Teil dieser Familie und dieser Kultur bleibt.

Nein, das ist alles nicht schön, was sich da zuspitzt, nicht diese aufwendige Hochzeitsveranstaltung, nicht das Familienleben, nicht die Szenen in der Moschee in Deutschland. Daran ist nichts Exotisches mehr. Der Reiz des Fremdartigen etwa will sich hier nicht einstellen, die vielen negativen Seiten dieser islamischen Kultur werden von der Mehrheitsgesellschaft als Integrationshemmer, oft gar als abstoßend  verstanden: Die tanzenden Männer unter sich, die Mutter als Bewahrerin des religiösen Bösen, der Vater, der in seiner Rolle ebenso gefangen ist, wie seine Söhne und Töchter, die alle gemeinsam mutmaßlich am Mordkomplett gestrickt haben. Ein Mord, so deutet es der Film an, den schon aus Tradition der Jüngste der Familie durchführen muss nach einem strengen Ritual gar mit ritualisiertem vor dem Kopfschuss aufzusagendem Satz.

Solche Sitten und Gebräuche braucht Deutschland wahrlich nicht, ob sie nun aus Ostanatolien kommen oder aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, dem Irak, Nordafrika oder aus welchem Land auch immer. Aber darauf hinzuweisen war nicht die Intention von Sandra Maischberger. Als eine der großen Protagonistinnen der Beförderung der illegalen Einwanderung nach Deutschland schießt sie sich damit selbst ins Knie. Sie wird zum Opfer ihrer emanzipatorischen Seite, wenn sie zwar mit allem Recht der Welt auf das Schicksal dieser Frau hinweist, aber zu Unrecht über viele Jahre Menschen und ganze Menschengruppen von Deutschen mittels ihrer Sendungen ausgegrenzt hat, wenn diese auf solche Missstände hingewiesen haben, wie sie Maischbergers Produktionsfirma nun zu einem Film verarbeitet und gerade gewinnbringend an das öffentlich-rechtliche Fernsehen verkauft hat. Oder gehen die Einnahmen etwa an einen Verein, der sich um aus solchen schrecklichen Familien kommende Frauen kümmert?

Nein, dieses Thema ist nicht einmal neu. Der Fall selbst liegt schließlich schon viele Jahre zurück. Eigentlich ist dieses Drama um Frauen in islam-religiöser Unterdrückung in Deutschland seit Jahrzehnten bekannt. Fatih Akins zu Recht vielfach preisgekrönter Film „Gegen die Wand“ beschreibt genau das Schicksal so einer Frau mitten in Deutschland, die nichts anderes will, als so leben, wie deutsche Mädchen und Frauen auch. Also so, wie die in Maischbergers Dokufiktion von den islamischen Männern „Huren“ genannten Frauen. Die Frauen der Ungläubigen. Von „Nicht ohne meine Tochter“, dem Weltbestseller von 1987 über eine Frau, die um ihre vom islamischen Vater entführte Tochter kämpft, bis hin zu Fatih Akins filmischem Meisterwerk: Es gibt längst eine hinreichende Rezeption des islamischen Wahnsinns gegen Frauen.

Was Sandra Maischberger da durchaus sehenswert und unter die Haut gehend abbildet, ist also nicht neu im Sinne einer sich durch diesen Film offenbarenden Erkenntnis. Aber es ist neu, dass Maischberger mit so einer fundamentalen Kritik ums Eck kommt, die in jeder Spielszene offenbar wird. Man könnte sagen: Ein Bekenntnis für unsere westlichen Werte. Aber diese Lorbeeren müssen der Produzentin gleich wieder weggenommen werden angesichts dieses anklagenden Untertons beispielsweise gegen die deutschen Behörden, die wegschauen, gegen die Deutschen selbst die wegschauen würden, fast so, als gäbe es hier eine Mitverantwortung der Mehrheitsgesellschaft für solche islamischen Ehrenmorde.

Wahrscheinlich gibt es die sogar, aber ganz anders, als Maischberger es hier verkauft, wenn es um die übertriebene Toleranz rund um den Islam geht, wenn in Hinterhofmoscheen solche Ehrenmorde quasi gepredigt werden dürfen und wenn Frauen hier weiter systematisch unterdrückt und wie Besitz der Familien verramscht werden an den meistbietenden quasi als Ware, als Gebärerin für den Nachwuchs in möglichst großer Zahl.

Wenn Maischberger tatsächlich aus ihrer selbstgewählten Vogelstrauß-Position in Sachen illegaler Massenzuwanderung und islamischer Gewalt gegen Frauen hätte herausfinden wollen, dann hätte sie aktueller thematisieren können anhand der Frauen, die in jüngerer Zeit Opfer neu eingewanderter islamischer Männer geworden sind, die ab 2015 nach Deutschland gekommen sind. Sie hätte jenen Schicksalen der von Zuwanderern ermordeten, der vergewaltigten, der belästigten und gedemütigten Frauen nachspüren können, über die die aktuelle Kriminalstatistik auch in Sachen Tätergruppe bereits alle für so eine Recherche nötigen Hinweise gibt.

Nichtsdestotrotz: Das Schicksal der Hatun Sürücü bedrückt und ergreift. Das soll ein Verdienst dieses Filmes sein, aber darüber darf nicht vergessen werden, dass viele Frauen in vielen muslimischen Ländern weltweit in solchen Zwangsverhältnissen leben müssen. Mit einem Unterschied: Sie trauen sich noch weniger aus diesen Verhältnissen zu entfliehen. Am Ende hat diese Flucht Frau Sürücü nichts genutzt, sie wurde erschossen. Ihre fiktive Stimme führt quasi aus dem Jenseits als O-Ton durch den Film ebenso, wie vom Bundeskriminalamt gesammelte Ehrenmordgründe eingeblendet werden. Aber um uns was zu erzählen? Dass der Islam eine schreckliche Religion ist? Wollte uns Maischberger genau das sagen? Oder wollte sie doch eher mit dem Zeigefinger daherkommen und sagen: Wir bösen Deutschen sind mitschuld, weil wir diesen Frauen nicht genug helfen?

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