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Leistungskürzungen für Asylbewerber: Gibt Hubertus Heil mit Mogelpackung den Hardliner?

Da sitzen Beamte mit Arbeitsminister Hubertus Heil um den runden Tisch und schauen überrascht in ihre Abrechnungsbücher: Hey, wir zahlen ja vielen Leuten Bargeld für etwas, das sie gar nicht in Anspruch nehmen. Denn wozu eine Strompauschale, wenn der Strom in der Sammelunterkunft aus der Steckdose kommt? Und wozu Zuschüsse für den Akupatz-Schwamm, wenn das Essen serviert wird?

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Aktuell veranstaltet eine Reihe von Medien ein großes Kuddelmuddel um angeblich geplante Kürzungen von Geldleistungen für Asylbewerber bzw. Asylanten in Deutschland. Ein Gesetzentwurf aus dem Arbeitsministerium soll demnach vorsehen, dass Asylbewerber ab 2020 weniger Geldleistungen erhalten.

Wer dann genauer hinschaut, was real gekürzt werden soll, der verheddert sich schnell zwischen dem unterschiedlichen Status von Asylbewerbern, Hartz-IV, Taschengeld und Asylbewerberleistungsgesetz.

Die Meldung über das geplante Gesetz kam von der Rheinischen Post, Zeitungen wie die Welt oder die Zeit zitierten dankbar, was ihnen frei Haus kredenzt wurde. Der Rheinischen Post war dabei aber noch nicht einmal der Gesetzentwurf selbst zugespielt worden, sondern lediglich ein Vermerk zum Entwurf.

TE rief beim Ministerium an und bat um beides: Gesetzentwurf und Vermerk. Die Papiere wurden leider nicht zur Verfügung gestellt. Halten wir fest, es gab also ein dünnes zwar, aber ein Leak aus dem Ministerium hin zur Rheinischen Post: Eine Win-Win-Situation?

Vielleicht, denn damit verbunden wäre ja die Gelegenheit, die öffentliche Meinung zum kommenden Gesetz via Rheinische Post abzufragen, um mal abzuhorchen, wie beim Bürger ankommt, was bisher unveröffentlicht zusammengeschrieben wurde und was man dann ggf. nachbessern könnte, bevor man endgültig veröffentlicht.

Leider allerdings sind die Informationen der Medien inhaltlich alles andere als hilfreich, wenn Leistungen für Asylbewerber auf der einen Seite und jene für anerkannte Asylbewerber (Geduldete, subsidiär Geschützte usw.) miteinander verquirlt werden.

So stellt die Welt, wie von der Rheinischen Post vorgeschrieben, Geldleistungssätze für Asylbewerber ins Verhältnis mit einem Taschengeldsatz wenn die Zeitung (ab)schreibt:

„Alleinstehende sollen nur noch 344 Euro erhalten (bisher 354). Für Jugendliche sinkt die Leistung um einen auf 275 Euro. Zugleich soll aber das so genannte Taschengeld für den persönlichen Bedarf angehoben werden, wie es weiter hieß.“

Leider nur hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Einfach erklärt muss man sich das Leistungsspektrum für Asylbewerber dreistufig vorstellen: Zunächst kommt der Antragsteller in eine zentrale Unterbringung bzw. ein Ankerzentrum. Dort bekommt er Sachleistungen und ein Taschengeld. Der anerkannte Asylbewerber (bzw. der Geduldete oder der subsidiär Geschützte) bekommt schließlich Leistung nach Sozialgesetzbuch II (Hartz-IV), sofern er nicht selbst für sein Auskommen sorgen kann. In den allermeisten Fällen ist er dezentral untergebracht in eigener Wohnung mit eigener Stromabrechnung usw..

Dann gibt es aber noch einen dritten Fall: Das ist derjenige Asylsuchende, der schon dezentral untergebracht ist, aber noch auf seine Anerkennung bzw. die Einstufung seines Status warten muss. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG von Januar 2017) gilt, dass, wer sich länger als 15 Monate im Bundesgebiet aufhält, automatisch Hartz-IV (nach SGB II/XII ) bekommt.

Übrigens auch dann, wenn er sich noch in einer Sammelunterkunft aufhalten sollte. Das AsylbLG gilt unter anderem für Asylsuchende sowie Ausreisepflichtige (z. B. abgelehnte Antragstellende oder Inhaber von Duldungen), berichtet die BAMF-Pressestelle auf Nachfrage. „Anerkannte Schutzberechtigte (Personen mit einem Schutzstatus) fallen in den Anwendungsbereich des SGB II oder SGB XII.“ Sie werden also zu Hartz-IV-Empfängern, was sich in diesem Falle allerdings schon wie ein Privileg anhört.

Jetzt soll also das Arbeitsministerium von Hubertus Heil kurz vor der Europawahl gegenüber der Rheinischen Post versuchsweise unzufrieden damit geworden sein, dass auch solche nach wie vor in Sammelunterkünften untergebrachte Asylbewerber anteilige Bargeldleistungen bekommen für Bedarfe an Strom und Wohnungsinstandhaltung (wie viele oder wenige Migranten das überhaupt betrifft, erfahren wir nicht, wird aber noch zu recherchieren sein).

Das muss man sich vorstellen wollen: Da sitzen die Beamten aus dem Ministerium um den runden Tisch und schauen, wo es etwas einzusparen gibt. Und dabei stellt man fest: Hey, wir zahlen ja Vielen Bargeld für etwas, das sie gar nicht in Anspruch nehmen. Nein, nicht einmal nehmen könnten. Denn wie soll man Strom bezahlen, wenn der doch in der Sammelunterkunft aus der Steckdose kommt? Und wozu Zuschüsse für den Akupatz-Schwamm, wenn das Essen fremd gekocht und serviert wird?

Besagter Gesetzentwurf soll 2020 in Kraft treten. Gestern wurde er zur Abstimmung in die anderen Bundesressorts gegeben. Kritik an der Arbeit des sozialdemokratisch geführten Ministeriums kam schon jetzt vom innenpolitischen Sprecher der Union. Mathias Middelberg lobt zwar zunächst die Idee, mehr auf Sach- statt Geldleistungen zu setzen, befand aber:

„Der Entwurf springt aber noch zu kurz. Abgelehnte Asylbewerber und Personen, die bei ihrer Abschiebung nicht kooperieren, sollten insgesamt nur noch Sachleistungen erhalten.“ Nach Middelberg sollte auch der Zeitraum bis zu dem Asylbewerber lediglich abgesenkte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, von heute 15 auf 36 Monate verlängert werden.