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Kritik am UN-Migrationspakt: Folgt Merz nun Ministerpräsident Kretschmer (CDU)?

Ein Pakt, der angeblich laut Merkel keinerlei Konsequenzen hat, aber von der Bundesregierung gerade verteidigt wird, als ginge es um ein „Ja“ oder „Nein“ zur Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.

John MacDougall/AFP/Getty Images

Erinnern Sie sich noch, wie Heiko Maas und Co dieses NetzDG: Netzwerkdurchsetzungsgesetz quasi in einer Nacht- und Nebelaktion durchgesetzt haben, hinten dran geklemmt an dieses unwürdige Lametta-Feuerwerk der Grünen im Bundestag rund um die „Ehe für alle”? Nun wurde der ursprüngliche Gesetzesentwurf zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Anfang an intensiv diskutiert und debattiert. Was den Migrationspakt angeht, sah das allerdings lange nicht so aus.

Es bestand für die deutschen Befürworter sogar die berechtigte Hoffnung, dass diese Debatte gänzlich ausfällt. Nun ist sie doch da. Zwar sehr spät, aber möglicherweise noch nicht zu spät, die deutsche Regierung in echte Erklärungsnot zu bringen. Der sächsische Ministerpräsident kennt seine aufsässigen Wähler genau, meldet sich sicherheitshalber kritisch zu Wort und bezeichnet „den Umgang der Bundesregierung mit dem Migrationspakt der Vereinten Nationen als unverantwortlich.“

Aber warum? Für Kretschmer fehlt die öffentliche Debatte über diese internationale Vereinbarung. Auch das bereits ein erstes Indiz dafür, für wie wirkmächtig der Ministerpräsident diesen Pakt hält. Und die Stuttgarter Zeitung legt nach und stellt bereits unmissverständlich klar, was die Regierung heute noch vehement bestreitet und wofür sie bereits willfährige Mitstreiter in den Leitmedien gefunden hat: „Der Pakt soll helfen, Flucht und Migration besser zu organisieren, Ziel ist aber auch eine Stärkung der Rechte von Migranten.“ Eine Stärkung der Rechte von Migranten? Wovon wären diese Rechte eingeschränkt? Von nationalen oder sogar von EU-Gesetzen? Wer Merkels Zuwanderungspolitik der letzten Jahre aufmerksam verfolgt hat, der weiß, dass in letzter Instanz immer auf „höhere Mächte“ verwiesen wird. Auf EU-Recht und bereits geltende UN-Vereinbarungen zur Migration.

Tatsächlich also ist der Diskurs darüber, welche Folgen dieser Pakt haben wird, ergebnisoffen. Übrigens unabhängig davon, wie oft, wie laut und wie zunehmend schriller das Auswärtige Amt und die Bundesregierung diese Debatte ausschließlich bei Rechtspopulisten und der AfD verorten wollen. Nun darf gerne an Zufall glauben, wer das Rücktrittsangebot der Kanzlerin vom CDU-Vorsitz, den Auftritt von Friedrich Merz als Phoenix aus der Asche und die für Anfang Dezember angesetzte Neuwahl des Parteivorsitzenden ausgerechnet zum Zeitpunkt der Unterzeichung des Paktes in Marokko versteht. Mal von der symbolischen Ortswahl abgesehen hat Marokko noch einen weiteren Vorteil: Die europäischen Völker haben hier die schlechteste Möglichkeit, die Unterzeichnung mit massiven Protesten dort zu begleiten, wo sie stattfindet.

Bei ihrem Besuch in Polen wurde die ganze Hektik und Sorge der Regierung vor einem Veto ihres Volkes, vor massiven Protesten in Europa, deutlich, als die Kanzlerin sich zu der wagemutigen Behauptung hinreißen ließ, der Pakt würde die Souveränität der Staaten in Einwanderungsfragen stärken. Welche Staaten meinte sie da? Die afrikanischen und arabischen? Nach Lage der Dinge können jedenfalls nicht die europäischen gemeint sein.

Aber das Desaster für Merkel in Polen geriet noch größer, als sie im Wortlaut erklärte: „All das ist in diesem Migrationspakt aus meiner Sicht sehr wichtig dargelegt, er ist rechtlich nicht bindend und deshalb steht Deutschland dazu.“ Das muss man einen Moment sacken lassen. Deutschland steht zu diesem Pakt deshalb, weil er nicht bindend ist? Wie verzweifelt muss Angela Merkel tatsächlich sein und wie noch einmal gefährlicher erscheint so der Pakt selbst für die Deutschen und weitere europäische Völker?

Ungarn, Österreich, Kroatien, möglicherweise Polen und Tschechien, vielleicht Italien und weitere EU-Mitgliedstaaten lehnen die Unterschrift dieses Paktes bereits ab oder denken ernsthaft darüber nach. Wenn nun Angela Merkel und die Bundesregierung dennoch weiterhin daran festhalten, dann ist diese sture Haltung ein weiterer Beleg dafür, wie wenig ernst Merkel und Co tatsächlich die Europäische Gemeinschaft als Organisation gleichberechtigter europäischer Staaten nehmen. Ja, wer so oft und energisch für sich proklamiert, im europäischen Geist zu handeln und wer dann so agiert, der ist kein Europäer. Europa geht anders. Selbst EU-Europa.

Jean Claude Juncker hatte bereits angekündigt, sich die Österreicher in Sachen UN-Migrationspakt noch einmal zur Brust zu nehmen. Wir können nur spekulieren, was der Präsident der EU-Kommission hier als Druckmittel in der Hinterhand zu halten glaubt, wenn er meint, die Alpenrepublik noch umstimmen zu können.

Alles in allem zeichnet sich aktuell also folgendes Bild ab: Wenn mit dem sächsischen Ministerpräsidenten ein hochrangiger CDU-Mann öffentlich abtrünnig wird, dann drängt jeder Tag für die Bundesregierung, diesen UN-Migrationspakt trotzdem an Kretschmer, am Volk und am Bundestag vorbei durchzusetzen. Ein Pakt, der angeblich laut Merkel keinerlei Konsequenzen hat, aber von der Bundesregierung gerade verteidigt wird, als ginge es um ein „Ja“ oder „Nein“ zur Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Die Sache stinkt zum Himmel. Noch mehr, wenn beispielsweise Gazetten, wie der – wir dürfen das hier in der Sache so sagen: regierungstreue – Tagesspiegel titelt: „Rechte Allianz macht mobil gegen UN-Migrationspakt.“

Der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag hat sich nun allerdings durchgesetzt und das hohe Haus für den 8. November 2018 zur Debatte genötigt, wenn auch nur eine Stunde darüber debattiert werden soll, den so genannten Global Compact for Migration (GCM) nicht zu unterzeichnen. Die Redebeiträge der Regierungsparteien, der grünen Regierungspartei in Opposition, der FDP und der Linkspartei dürften hier vorhersehbar sein. Folgendes Szenario ist dazu aus Debatten der Vergangenheit bekannt: Ein Großteil dieser Redebeiträge wird erneut dafür verwendet werden, das große Böse innerhalb der AfD zu thematisieren (Martin Schulz hat hierfür die Marschrichtung im Bundestag vorgegeben), anstatt sich mit der Sache selbst zu befassen.

Ein weiterer trauriger Tag für die Demokratie. Und dann doch zum Schluss noch eine Idee, die Hoffnung machen würde: Was wäre eigentlich, wenn der, über den man heute noch kaum etwas Neues weiß, was wäre eigentlich, wenn besagter Friedrich Merz sich hinstellen und erklären würde, er nehme die Kritik u.a. von Kretschmer ernst oder er stelle sich gleich ganz gegen diesen Pakt? Liebe Leser, ich ahne es, da müssen Sie laut lachen. Lassen sie uns also für den Moment gemeinsam lachen, so traurig das alles auch sein mag.


Mehr zum Thema:
Roland Tichy (Herausgeber), Der UN-Migrationspakt und seine Auswirkungen. Tichys Einblick, 112 Seiten, 12,00 €.
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