Tichys Einblick

MdB Mahmut Özdemir (SPD) will Fußball-Nationalspielern kein Geld mehr zahlen

Der Duisburger Bundestagsabgeordnete Özdemir möchte in deutschen Nationalmannschaften keine „Söldner“: „Der Lohn oder die Prämie des Spielers ist es, den Adler auf der Brust tragen und für Deutschland spielen zu dürfen.“

Trikots der Deutschen Nationalmannschaft im Deutschen Fußballmuseum

IMAGO / Eibner

Die Internetseite des Duisburger Bundestagsabgeordneten Mahmut Özdemir (SPD) liest sich wie der Waschzettel des besten Kumpels von Schimanski: Özdemir setzt sich für Duisburger Sportanlagen ein, für eine Rheinbrücke, für ein Katastrophenschutzzentrum und für schnelles Internet für die Kumpelfamilien.
Der satte Adler von der Rückwand des Bundestages, das Staatswappen, auf das alle Abgeordneten starren müssen, ziert auch Özdemirs Internetseite links neben dem Satz „Für Duisburg im Bundestag“.

Der Jurist Özdemir fordert jetzt so etwas wie Nationalstolz ein für die Spieler der Fußball-Nationalmannschaft. Er möchte keine „Söldner“ sondern ausschließlich „überzeugte Spieler“ in Deutschlands Mannschaft. Übrigens nicht nur im Fußball, nicht nur für die männliche Sektion, sondern für alle Deutschen Nationalmannschaften, für Spielerinnen und Spieler. Die sollen ab jetzt doch bitte auf einen Lohn und irgendwelche Prämien verzichten.

Özdemir sagt es gegenüber dpa, als käme der Pass aus der anderen Ecke des Bundestages: „Der Lohn oder die Prämie des Spielers ist es, den Adler auf der Brust tragen und für Deutschland spielen zu dürfen.“

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Da weht also etwas aus Özdemirs Bank durch den Bundestag, das riecht nach frisch gebrautem Kaffee und weißen Semmeln – noch ganz ohne Alibi-Körner obendrauf. Özdemir weiß vermutlich um den aus heutiger Sicht schon rührenden Lohn der Helden von Bern, der deutschen Fußballnationalmannschaft, die für ihren Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft 1954 in der Schweiz 1000 Mark, einen Goggomobil-Roller und einen Fernseher bekamen.

Dieser Sieg einer noch ganz am Boden liegenden Nation voller Schuld und Scham war so etwas wie der schüchterne Keim eines neuen deutschen Nationalstolzes keine zehn Jahre nach der düstersten Epoche der Deutschen. Alleine die Erwähnung „Bern“ machte von da an glänzende Augen.

Nun könnte man dem Bundestagsabgeordneten Mahmut Özdemir auch eine gewisse Pfiffigkeit unterstellen. Denn wer im Vorwahlkampf und zeitnah zu den Korruptionsvorwürfen rund um die Maskenkäufe durch Unions-Abgeordnete so etwas wie Stolz und Ehre wieder in die Debatte einführt, der mahnt damit stellvertretend möglicherweise auch die Bundestagsabgeordneten selbst. Die tragen zwar den Adler nicht auf der Brust, aber sie schauen in jeder Plenarsitzung an den übergroßen Adler an der Wand hinter der Regierungsbank und dem Rednerpult.

Mahmut Özdemir appeliert an Werte, Ideale und sportliche Höchstleistungen, die man „nicht unbedingt mit Euro und Cent“ vergüten müsste. Hier allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob es nicht glauwürdiger gewesen wäre, bei seinesgleichen und sich selbst einmal anzufangen und auf ein paar Diäten-Speckgürtel zu verzichten – „für Deutschland“.

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Der Sozialdemokrat Özdemir sagt, er setze sich dafür ein, „dass es ein immaterielles Gut in der Nationalmannschaft gibt.“ Da kann man nun lange über Fairplay und solche Dinge nachdenken, aber im Kern geht es hier um Nationalstolz, um diese Gänsehaut, von der die Alten erzählen, die Bern noch am Radio verfolgten oder sogar live in der Schweiz dabei sein konnten.

Özdemir will, dass die frei werdenden Gelder des DFB für die Corona-Krise genutzt werden sollen. Vielleicht wäre es stringenter gewesen, an das zu denken, was der Duisburger am glaubwürdigsten vertritt: die Förderung der vielen kleinen Heimaten in diesem Deutschland, das für so viele heute keine übergreifende Identifikation mehr bieten kann.

Und in diesen Heimaten leben Deutsche, leben auch einige der besten Sportlerinnen und Sportler die das Land hat, die mit Stolz und dem Adler über dem Herzen gar kein Problem haben. Wer „stolz den Adler auf der Brust“ googelt, also eigentlich der Forderung Özdemirs nachspüren will, der findet sie alle: Die Recken vom TSV Hannover Burgdorf, die vom Adler sprechen, der Helmstedter Leichtathlet Leroy Balschuweit der ebenfalls stolz darauf ist, „den Adler auf der Brust zu tragen“ ebenso, wie Heiko Wiesentahl, den Kapitän der deutschen Sitzvolleyballnationalmannschaft, der ebenfalls von sich sagt, der Adler mache ihn stolz. Zu Recht!

Wenn der Sozialdemokrat Mahmut Özdemir also so etwas fordert, dann ist das sicher berechtigt, aber wenn es ihm wirklich ernst damit ist, dann wäre es glaubwürdiger, er würde seine Kritik einmal durch die eigenen Reihen pusten und bis hinüber zur Regierungsbank, wo in einer großen Koalition mit der SPD die Bundeskanzlerin sitzt, welche einmal die Deutschlandfahne abräumen ließ, weil sie sich dafür offensichtlich schämte.

Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Staatssymbol der Deutschen abgehängt oder dem Vogel – analog zu den Kirchentüren in Deutschland – eine überdimensionale leuchtorange Rettungsweste umgehängt wird.

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