Tichys Einblick
Mal wieder entgleist

Lauterbachs Apokalypse-Bazooka: UEFA sei für Tod vieler Menschen verantwortlich

„Die UEFA ist für den Tod von vielen Menschen verantwortlich“. So flankiert Karl Lauterbach den Untergang der Löw-Truppe bei der Fußball-Europameisterschaft. Und lenkt ab von einer anderen Panikbotschaft, die sich als falsch herausgestellt hatte.

IMAGO / Political-Moments

Der SPD-Gesundheitspolitiker und Talkshow-Dauergast Karl Lauterbach wird immer schriller. Vielleicht weil er glaubt, ihm höre sonst keiner mehr zu. Zu oft geirrt, zu viele Menschen umsonst verunsichert. Weil aber Bedrohungsszenarien nur funktionieren, wenn Katastrophen mit eskalierenden Bildern gezeichnet werden, kam vom Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Köln/Mühlheim ein Frontalangriff auf den die Europameisterschaft veranstaltenden Fußballverband: „Die UEFA ist für den Tod von vielen Menschen verantwortlich.

Durch seine über 18 Monate anhaltende Hysterie hat Karl Lauterbach politische Entscheidungen in Richtung eines wirtschaftlichen Stillstandes mindestens begünstigt. Und auch auf Basis seiner unaufhörlichen Interventionen folgte der Zusammenbruch des Bildungssystems: Schon vor Monaten bestätigte es eine niederländische Studie: Home-schooling und Co sind vollkommen sinnlos: Kinder haben „wenig oder nichts“ gelernt. Eltern brauchten dafür allerdings keine Studie, sie wussten es längst.

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Mit der Sommerpause der Lockdown-Maßnahmen bis zu den Schicksalswahlen für Deutschland (wahlweise für das Klima) bzw. der „Neugründung unseres Landes“, wie es FDP-Chef Christian Lindner beschrieb, war für Karl Lauterbach das Höllenfeuer allerdings fast erloschen. Bis zu dem Moment, als Lauterbach den Fernseher einschaltete und auf der Mattscheibe den nächsten Brandbeschleuniger für seine dystopischen Fantasien entdeckte: Die Fußballstadien voller Menschen!

Gerade erst beschrieb der weltweit bekannte Stanford-Epidemiologe John Ioannidis im Exklusiv-Talk bei Servus TV, dass die Lockdowns mutmaßlich mehr Menschenleben kosten als die Pandemie. Die verharmlost er keineswegs. Ioannidis spricht sogar von einem „Massaker“, welches die Infektionen in den Altenheimen angerichtet hätten. Allerdings spricht der Professor die Corona-Maßnahmen nicht frei davon, daran beteiligt gewesen zu sein.

Kinderpsychologen kennen das: Das Kind, das ein anderes böse verletzt hat, fängt im selben Moment selbst noch viel lauter an zu schreien in der bekannten Täter-Opfer-Umkehr.

In Österreich – dort wurde es untersucht – haben sich die psychischen Erkrankungen von Kindern von fünf auf fünfundzwanzig Prozent verfünffacht. Die Kinder und Jugendlichen sind depressiv, müde, abgeschlagen, lustlos und schon ganz willenlos, am Leben der anderen weiter vergnügt teilzunehmen: „Von den depressiven Störungen sind besonders Jugendliche betroffen. Sie leiden an den psychischen Auswirkungen der Pandemie offenbar am meisten.“

Ein Bild ist an der Pupille von Karl Lauterbach anscheinend spurlos vorbeigegangen. Eines, das sich bei anderen Zuschauern allerdings eingebrannt hatte, als die Kameras im Wembley-Stadion nach dem Sieg der Engländer über Deutschland so lange darauf gehalten hatten: Das weinende, vollkommen aufgelöste Mädchen mit den Deutschlandfahnen auf der Wange.

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Karl Lauterbach hat wenig zu tun mit dem Abschneiden der Mannschaft in England. Das wäre auch zu viel der Ehre für den politischen Talkshow-Nomaden. Aber dieses Bild des weinenden Mädchens taugt für etwas anderes: Es versinnbildlicht die hohe Bedeutung solcher Veranstaltungen und Identifikationsmodelle gerade für Kinder, die schon so lange ohne Sportvereine sind und nur stark eingeschränkt mit ihren Schulkameraden zusammen spielen durften.

Die Online-Ausgabe der Bild-Zeitung hat es mit für ihre Verhältnisse erstaunlicher Zurückhaltung auf den Punkt zusammengefasst: „An Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach scheiden sich seit Monaten die Corona-Geister. Der Grund: Seine Thesen sind oft alarmierend – aber nicht immer richtig.“

Anlass für die Zeitung war ein erneutes Zurückrudern des Politikers von einer Schreckensvorhersage bzw. Falschmeldung. Behauptet hatte er: „Die Daten aus UK zu Covid bei Kindern sind beunruhigend. 1 Prozent der Covid Kinder müssen ins Krankenhaus. Der Anteil von Kindern bei Covid-Patienten im Krankenhaus steigt. Covid trifft auch Kinder hart. Die Diskussion über Impfungen von Kindern darf nicht ideologisch geführt werden.“

Es stimmte also nicht, womit Karl Lauterbach wieder viele Menschen in Angst und Schrecken versetzt hatte. Die Ständige Impfkommission sollte sogar ihre Impfabsage Kinder betreffend zurücknehmen, meinte Lauterbach.

Bild hakte nach, als englische Wissenschaftler widersprochen hatten. Und so klingt dann eine Entschuldigung von Lauterbach um fünf Ecken herum: „Die Aussage, dass deutlich mehr Kinder mit Corona ins Krankenhaus kommen, hat sich innerhalb der letzten zwei Wochen nicht bestätigt. Die Aussage ist aufgrund der Daten in England nicht haltbar. Gott sei Dank scheint es nicht so zu sein, dass Kinder stärker erkranken, sie erkranken aber häufiger, weil sie nicht geimpft sind.“

Und weiter: „Es hat sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestätigt, dass die Delta-Variante für Kinder in Großbritannien ein wesentlich größeres Problem darstellt als die Alpha-Variante.“

Weil Lauterbach nun aber unermüdlich ist und in mehr als 18 Monaten Pandemie gelernt hat, im Aufmerksamkeitsgeschäft und also in den Talkshows zu bleiben, tönt er einfach weiter auf seiner Orgel der Untergangsfantasien. Nun also ein Tweet zu einem Bild ausgelassener Fans in Wembley: „Das Spiel hat gestern nochmal gezeigt wie eng die Fans stehen, wie oft sie sich umarmen und anschreien. Es haben sich sicherlich Hunderte infiziert und diese infizieren jetzt wiederum Tausende. Die UEFA ist für den Tod von vielen Menschen verantwortlich.“

Jetzt wissen wir und glauben in unseren westlich-kultivierten Gesellschaft längst daran: Jedes Leben zählt. Aber wer immer noch glaubt, die Bürger noch dazu aus einer einflussreichen Position heraus via Drohszenarien erziehen zu müssen, der ist – Corona-Pandemie hin oder her – im 21. Jahrhundert noch nicht angekommen.

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