Tichys Einblick
„sehr froh, wieder in Deutschland zu sein"

Horst Seehofers abgeschobene Afghanen sind zurück

Im Juli 2018 hatte der Bundesinnenminister über die Abschiebung von 69 Afghanen berichtet. Nun sind mehrere von ihnen wieder in Deutschland, wie ein Fernsehmagazin berichtet – ganz legal dank Einwanderungsgesetz.

Horst Seehofer, Bundesinnenminister

IMAGO / Christian Spicker

In den Medien war Bundesinnenminister Horst Seehofer damals schwer kritisiert worden. Er hatte am 4. Juli 2018 in einer Pressekonferenz gesagt: „Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden.“ Damals war er wohl noch der Auffassung, dass er so etwas wie konsequentes Handeln demonstriere. Gleichzeitig stellte er einen Masterplan Migration vor, der zum „Koalitionsstreit“ mit Merkel führte. Ein Plan übrigens, der mittlerweile als weitere Seehofer-Windbeutel-Pleitenummer gelten darf.

Nun sollen – so berichtet das ARD-Politmagazin Panorama nach Recherchen  – mindestens fünf der Abgeschobenen längst wieder in Deutschland sein. Und ganz legal dazu!

Um einigermaßen ermessen zu können, wie surreal die Situation in Deutschland ist, was Abschiebungen angeht, reicht es schon zu wissen, dass es zu besagter Abschiebeaktion mittlerweile sogar einen Wikipedia-Eintrag gibt mit dem Titel: „Abschiebungen von 69 Afghanen aus Deutschland am 04. Juli 2018“. Dort wird auch mitgeteilt, dass mindestens eine dieser Abschiebungen illegal gewesen sei, weil das Verfahren noch nicht abgeschlossen war, worüber wiederum tagesschau.de einen eigenen Artikel veröffentlichte. Eine Vereinbarung mit dem afghanischen Flüchtlingsministerium – ja, so korrekt diplomatisch geht es zu bei solchen Abschiebungen – lautete, dass nur fünfzig Personen auf einmal abgeschoben werden sollen. Die Deutschen rechtfertigten die höhere Zahl später damit, dass man zuvor diese Kontingente nicht ausgeschöpft hätte.

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Panorama trifft also vier der Rückkehrer in Bayern und berichtet, die vier wären „sehr froh, wieder in Deutschland zu sein.“ Es ist ja nicht so, dass dies eine große Ausnahme wäre. Wiederholungsanträge gibt es zu zigtausenden. Die Welt berichtete schon Anfang 2019, dass jeder dritte Abgeschobene wieder nach Deutschland einreist. Dementsprechend wären von Seehofers 69 nicht nur fünf, sondern sogar 23 wieder in Deutschland.

Endgültig bizarr erscheint schließlich der Hintergrund dieser Seehofer-Geburtstags-Rückkehrer: Die fünf Afghanen sind nämlich ganz legal ins Land gekommen über das neue Einwanderungsgesetz der Bundesrepublik – als so genannte Fachkräfte. Sie haben in Kabul mit Unterstützung von Spenden aus Deutschland sogar brav ihre Abschiebungskosten in Höhe von jeweils 5000 Euro abbezahlen können und mussten dann zwei Jahre warten, bis das Visaverfahren abgeschlossen war.

Dahinter steckt eine schon ältere Debatte über die Frage, ob es für abgelehnte Asylbewerber so etwas wie einen „Spurwechsel“ geben kann. Es geht um die Idee, dass Abgelehnte, die sich vermeintlich gut integriert hätten, anstatt abgeschoben zu werden, in einen anderen Status wechseln könnten und quasi via nachgereichter Anwendung des neuen Einwanderungsgesetzes in Deutschland bleiben dürften. Das Ergebnis wäre letztlich eine Aufweichung und Aushöhlung des Asylrechts.

Der Bayerische Rundfunk beispielsweise berichtet von einer Frau, die jahrzehntelang in leitender Position für die Industrie- und Handelskammer in Augsburg tätig war und die mittlerweile bei der Rückkehr von Abgeschobenen in den deutschen Arbeitsmarkt hilft. So wird der ganze Irrsinnsapparat der Zuwanderungshilfe auf Biegen und Brechen offensichtlich: Wer von irgendwoher in der Welt nach Deutschland kommen und hier dauerhaft bleiben will, der muss sich schon mehrfach ungeschickt anstellen, um das nicht zu schaffen. Und wo es doch nicht gelingt, da findet sich immer noch eine deutsche Organisation, die einspringt  und organisiert.

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Zwar teilt das Bundesinnenministerium mit, dass es im „Spurwechsel“ einen Anreiz für illegale Migration sehe. Aber es ändert sich nichts: Das im Parlament durchgepeitschte und seit März 2020 geltende neue Einwanderungsgesetz ist die neueste Umgehungsstraße der anhaltenden Zuwanderung. Selbst in der Corona-Pandemie wurden große Schlupflöcher aufgehalten: Ein Einreisestopp für Asylantragsteller? Gibt es nicht. Aber Berufstätige aus EU-Ländern haben diverse Hürden zu überwinden oder müssen gleich ganz draußen bleiben.

Das bayrische Innenministerium bringt den ganzen Irrsinn gegenüber dem Bayerischen Rundfunk auf den Punkt: Es sei richtig, dass Menschen nach abgelehntem Asylbescheid das Land verlassen müssten, um dann über das Visumsverfahren einzureisen. Es wird also deutlich: Die Beteuerungen der Regierung, dass das neue Einwanderungsgesetz keine neue Zuwanderungsmöglichkeit für ansonsten Illegale schaffe, haben sich nicht erfüllt.

Zuletzt noch ein weiterer Hinweis zu dieser Erzählung eines umfassenden Staatsversagens: Wie TE Mitte April 2020 berichtet hat, ist es Afghanen in der Türkei mit gültigen türkischen Aufenthaltspapieren möglich, dort ein Touristen-Visum für Deutschland zu beantragen.

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