Tichys Einblick
So gut wie nichts wahr

Demo in Leipzig gegen Corona-Maßnahmen – Medien und Wirklichkeit

Wieder klaffen die Berichterstattung in den klassischen Medien, die darauf abgestellten politischen Reaktionen und die erlebte Wirklichkeit weit auseinander. Wieviele Leipzigs gibt es denn in Deutschland - eines oder zwei?

imago images / Steffen Junghans

Zwischen Querdenkerdemo in Leipzig und Randale in Connewitz liegen etliche Stunden und Kilometer. Aber Focus-Online berichtet unter der vollkommen irreführenden Headline: „Erst eskaliert Querdenker-Demo, dann brennt Connewitz.“ Wie lange soll das eigentlich noch so weiter gehen, dieses Auseinanderklaffen von erlebter und beschriebener Realität? Wer jemanden aus Leipzig kennt, mit ihm telefoniert, der hat gute Chancen, mit jemandem zu sprechen, der am vergangenen Samstag auf irgendeine Weise Teilnehmer der Querdenker-Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung war oder Teilnehmer einer der vielen anderen ebenfalls genehmigten Demonstrationen. Folgt man den Medien dann wiederholte sich der „Sturm auf den Reichstag“, den es so wie von Medien hochgeschrieben und von der Politik zelebriert auch nicht gegeben hat. Man kann, und das ist bei jeder Demonstration so, über Sinn und Zweck streiten, denn das ist Sinn und Zweck jeder Demonstration: Die Darstellung abweichender Meinung. Aber was nicht geht: Die Zahlen klein reden, die Teilnehmer kriminalisieren und diskreditieren. Medien verlieren damit ihre Glaubwürdigkeit und Politik ihre Legitimierung. Wenn Anna-Lena Baerbock hier den Einsatz von Wasserwerfern fordert, dann ist das ein Skandal; Kinder und gesundheitlich schwächere Personen können dabei getötet werden. Offensichtlich sind die Grünen die neuen Scharfmacher gegen die Bürger – und viele davon haben früher die Grünen gewählt.

Leipzig hat etwas mehr als eine halbe Million Einwohner. An besagtem Tag waren auch viele Leute von außerhalb zu Gast in Leipzig. Und es liegt im Bereich des Wahrscheinlichen, dass an diesem Tag eine sechsstellige Zahl von Bürgern großteils ihren Unmut auf die Straße getragen hat. Bevor wir eine Reihe von abstrusen amtlichen und medialen Zahlenspielereien, die schon bei den Querdenker-Demos in Berlin Anlaß für Heiterkeit waren, ad acta legen, einfach mal dazu ein Kommentar des Leipziger Polizeisprechers direkt von der Demo in die Kamera gesprochen:

„In der Spitze waren hier über 20.000 Teilnehmer heute hier in Leipzig. Die Querdenker-Demonstration hatte am Ende tatsächlich 20.000 Teilnehmer selber und ringsrum im Stadtgebiet waren noch unzählige Menschen unterwegs.“

Sollte also irgendwann noch einmal der Versuch unternommen werden, irgendwo in Deutschland eine Bewegung auch zahlenmäßig zu diskreditieren, soll diese Aussage als Erinnerungsstütze herhalten: „… ringsrum im Stadtgebiet waren noch unzählige Menschen unterwegs.“

Q wie Querschnitt der Bevölkerung
Corona-Demo Leipzig: Mobilisierung der Mitte
Es funktioniert alles so wie schon in Berlin: Es wird eine bestimmte Anzahl von Teilnehmern genehmigt, die dann als Zahl einfach durchgereicht werden, ganz gleich, ob zwischenzeitlich fünf oder zehn mal so viele unterwegs sind. Übrigens: Auch von frühen Pegida-Auftritten in Dresden sind solche Zahlenspiele schon bekannt. Am Samstag in Leipzig wurden etliche weitere Demonstrationen genehmigt, die zwar zum Teil kaum Teilnehmer verzeichnten, denen man diese aber jederzeit hätte zuschlagen können.

TE erreicht am Sonntag den Gründer der Querdenker beim Mittagessen. Bei Michael Ballweg steht statt Sonntagsbraten die Hokaidosuppe auf dem Tisch, einfach weil es schnell gehen musste, Ballweg ist als Oberbürgermeisterkandidat in Stuttgart angetreten und musste noch seine Stimme abgeben. Jetzt kann man über Leipzig nicht unbedingt sagen, dass die Querdenker hier besonders präsent gewesen wären als Gruppe, trotz Anmelderfunktion. Aber das, so Ballweg, sei schon in Berlin so gewesen auch als Konzept, Dinge anzustoßen, aber nicht zwanghaft mit dem eigenen Label zu versehen. Über Leipzig weiß Ballweg, dass etliche Dinge auch nicht genehmigt wurden, angefangen von einer Reihe von Lautsprecheranlagen entlang der Strecke, welche ursprünglich eingeplant waren, um die geladenen Redner überall hörbar zu machen.

Teilnehmer vor Ort berichten, das man teilweise gar nicht recht gewusst hätte, auf welcher Demo man sich gerade befand. Was aber zuletzt auch vollkommen egal gewesen sei, weil die Menschenmassen ineinander übergingen. Was dann zu so kuriosen Begegnungen führte, wo ein Pärchen mit einem Plakat „Refugees Welcome“ auf solche traf, die Merkel plakativ in die Wüste schicken wollten, ohne dass es dabei zu irgendwelchen Irriationen geschweige denn Konfrontationen gekommen wäre. Selbst eine größere Gruppe von Trump-Fans machte einfach ihr Ding, ohne dass sich jemand gestört gefühlt hätte.

Und auch wenn man es immer wiederholen müsste: Diejenigen, die nicht nur in den Redaktionsstuben hockend nachberichten, was andere vorgeben, die also vor Ort waren, berichten es einhellig: In Leipzig waren erstaunlich viele Paare und viele Frauen unterwegs, die Kerzen in den Händen hielten, als ginge es im benachbarten Dresden darum, der Bombenopfer zu gedenken, wo der Dresdner schon traditionell einmal im Jahr mit einer Gedenkkerze der Frauenkirche unterwegs ist.

So kitschig das manch rotgrüner Machtpolitiker heute finden mag, aber die Leipziger und ihre Gäste, die extra an diesem Tag von nah und fern angereist sind, erinnern mit ihrer Anwesenheit auf dem kilometerlangen Ring in Leipzig auch an ihre Herkunft, die Herkunft ihrer unbedingt freiheitlichen Lebenseinstellung, friedlich erkämpft im Herbst 1989. Aber selbst das war nicht die wesentliche Motivation. Hier spazierte der deutsche Mittelstand durch Leipzig.

Weil nun ein Marsch durch die Stadt nicht genehmigt worden war, baute die Polizei großflächig Sperren auf, die zum einen so einen Marsch verhindern sollten und zum anderen auch den Effekt einer Verdichtung der Anwesenden erzeugen, die wiederum zu Staus und also unweigerlich zur Möglichkeit führt, diese Demonstration polizeilich vorzeitig zu beenden – mit Berufung auf die Corona-Gesetze.

Dreiecke aus bis zu zwanzig Polizeiwagen sperren die wohl vielleicht vierzig oder fünfzig Meter breite mehrspurige Straße auf wenige Meter, bis nur noch ein Nadelöhr bleibt, das man zwar polizeilich nun besser kontrolieren kann, das aber unweigerlich massive Überschreitungen der Corona-Auflagen provoziert.

Hygieneregel-Demo in Berlin
Gute Demos, schlechte Demos
Nicht nicht nur der Augustplatz, auch vergleichbare Plätze in Leipzig füllten sich schnell mit Bürgern. Teilnehmer berichten von einem großartigen Gefühl der Freiheit und Selbstbestimmung, als die Sperren der Polizei unter dem Druck der schieren Menschenmasse endlich aufgehoben wurden und sich der Marsch in Bewegung setzte. Mit welchem Effekt? Mit jenem, der offensichtlich verhindert werden sollte: Überall, wo der Zug entlang geht, reihen sich mehr und mehr ein. Oder wie es der Polizeisprecher sagt: „… und ringsrum im Stadtgebiet waren noch unzählige Menschen unterwegs.“

Nicht vergessen an der Stelle bitte: Der Hinweis auf irgendwelche Superspreader-Ansteckungsherde auf solchen Demos verbietet sich längst als Argument, wo jede Demo gegen rechts, gegen BLM oder für die Politik Merkels ohne solche Kritik aus Politik und Medien, vielmehr mit deren ausdrücklichen Lob auskommt.

Der BILD-Newsticker meldet in einer – angesichts der friedlichen Demonstranten – verstörend diffamierenden Ausdrucksweise:

„19:08: laut „Leipziger Volkszeitung“ grölen die Corona-Leugner: „Oh, wie ist das schön.“

Hier muss nicht einmal mehr darauf hingewiesen werden, dass wohl kaum einer der Teilnehmer Corona ernsthaft leugnet, man kritisiert die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung, kritisiert, wie es wieder Michael Ballweg am Telefon erklärt, „den Angriff auf das Grundgesetz“.

Ein Teilnehmer in Leipzig erzählt gegenüber TE: „Querdenker waren als Querdenker im Demozug eigentlich nicht erkennbar. Lediglich vielleicht auf dem Augustusplatz, aber dort ist keiner geblieben, im Grunde genommen hat sich das verselbstständigt.“ Die Polizei Sachsen wurde von der Bundespolizei und aus acht weiteren Bundesländern unterstützt.

Der Marsch begann am Abend auf dem hell beleuchten Innenstadtring. Los ging es, weil die Leute trotz Auflösung der Versammlung einfach stehengeblieben waren, in der Erwartung, bald losmarschieren zu können.

Eine Beobachtung am Rande: Auf einem langen Teilstück der Strecke auf dem Ring wurde der Mittelstreifen saniert, quasi alle hundert Meter über zwei Straßenbahnstationen lagen Berge von Kopfsteinpflaster. Die aber blieben liegen. Interessanterweise war das schon in Berlin so auf der Straße des 17. Juni. In Deutschland wird also viel saniert.

Geradezu grotesk dann, dass die schon gewohnheitsmäßige linksextemistische Randale im Stadtteil Connewitz von vielen Medien umstandslos mit unter die Berichterstattung über die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen gemischt hat. Connewitz beginnt mehrere Kilometer außerhalb von Leipzig-Innenstadt. Zwischen Querdenkerdemo und Randale in Connewitz liegen etliche Stunden. Selbst am Sonntagabend noch kam es in Connewitz zu weiteren Angriffen der Linksextremisten auf Polizeiwachen.

Aber was machen die Medien? Sie berichten von einer Connewitz-Randale nach Querdenkerdemo, hier auch vollkommen auslassend, dass in Connewitz schon am Freitag randaliert wurde. Selbst Focus-Online berichtet unter der vollkommen irreführenden Headline: „Erst eskaliert Querdenker-Demo, dann brennt Connewitz.“

Aber was machen die Leipziger Grünen? Sie protestieren auf der eine Seite gegen den Polizeieinsatz gegen ihre extremistischen Schützlinge und wollen auf der anderen Seite, dass die Polizei gegen vorwiegend friedliche Demonstranten los geht.

Annalena Baerbock, die Chefin der Grünen twittert:

„Unfassbar: Nach Chemnitz und Heidenau nun #Leipzig. Die Polizei und damit das staatliche Gewaltmonopol weicht zurück – und lässt Pandemie-Leugner, darunter zahlreiche Neonazis gewähren. Das muss auf allen Ebenen aufgeklärt werden. Auch der Bundesinnenminister ist gefragt. #le0711“

Und der Grüne Konstantin von Notz fordert bereits Seehofer auf, nach Leipzig zu fahren und sich vor Ort zu informieren.

Wir erinnern uns: Über Jahrzehnte hinweg diskreditierten Konervative die Politik der Grünen als weltfremd und machten sich lustig über die langbärtigen Strickpulloverjungs mit den Sonnenblumen im Plenum des Bundestages. Aber nein, diese Aufritte waren nicht weltfremd, sie spiegelten sogar einen Aspekt des linksalternativen Alltags der 1970er Jahre in Deutschland.

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