Tichys Einblick
Leipziger Allerlei aus dem Bio-Markt

Aber bitte ohne AfD-Hirse

Um eine kleine Hirsemühle im Spreewald und einen umsatzschweren Biomarkt mit drei Filialen in Leipzig geht es hier in dieser Geschichte.

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Klar, jeder würde gerne mal so richtig dreckig die Sau rauslassen, einfach mal denjenigen anpöbeln, anranzen und anschreien, der einem gerade nicht in den Kram passt. Aber auch ein sächsischer Kleinunternehmer, so klein und so privat schwiemelig sein Betrieb auch sein mag, auch der Betreiber der kleinsten Hütte irgendwo hinter den sieben Bergen tut gut daran, Regeln einzuhalten, will er weiterhin auf dem legalen Wege Wirtschaftsbeziehungen unterhalten und also am Gemeinschaftsleben, am Leben der anderen teilnehmen und davon profitieren.

Das gilt für eine kleine Hirsemühle im Spreewald ebenso wie für einen umsatzschweren Biomarkt mit drei Filialen in Leipzig.

Und um die beiden soll es in dieser Geschichte auch gehen, die stellvertretend steht für eine sehr bedenkliche Entwicklung hin zu einer Gesellschaft des Misstrauens, der Gesinnungsschnüffelei und eines ideologischen Furors. Dessen Siedepunkt scheint erreicht, wenn ein Leipziger Biohändler jetzt schon seine Lieferanten beschnüffeln lässt. Nein, nicht etwa dahingehend, ob die ihre Produkte auch wirklich in Bio-Qualität produzieren, sondern welche politische Haltung der Lieferant hat, um dann – fündig geworden – die bei der Kundschaft beliebten Produkte eines Spreewälder Biohirse-Lieferanten aus dem Programm zu nehmen und die selbstgerechte Begründung dafür den Kunden via Hinweistafel unter die Nase zu halten und der Welt via Internet hinzuschmettern:

Der böse Bio-Hirse-Müller ist ein AfD-Kreisvorstand! Was für ein Megaskandal im Leipziger Bio-Laden.

Nein, keine Sorge liebe Bio- und Rohkostfreunde: Die hochpreisigen Produkte von Demeter und anderes esoterisch aufgeladenes Mondgemüse, welches u.a. auf den landwirtschaftlichen Ideen Rudolf Steiners beruht – des Begründers einer spirituellen Weltanschauung, dem Antisemitismus und Rassismus nachgesagt werden – bleibt weiterhin lieferbar. Hoch und heilig versprochen.

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Ein Menschenschlag wie aus einem zukünftigen Schwarzbuch der Ökobewegung. Ein Betreiber, der sich damit rühmt, unter persönlichen Gefahren Teil der friedlichen Revolution in der DDR gewesen zu sein, der aber nichts dabei findet, die Lebenswelt Andersdenkender auf eine Weise zu penetrieren, dass daraus ein wirtschaftlicher Schaden für den Gegenüber entsteht, weil der eben nicht dasselbe dunkelrotgrüne Parteibuch in der Hosentasche bzw. dieselbe Ideologie im Herzen trägt. Was dann auch jeder erfahren soll, sogar durch ein Interview mit der ansonsten verhassten BILD-Zeitung getreu dem Motto: Meines Feindes Feind ist mein Freund.

Wir sind an der Stelle nun bei Biomare in Leipzig angekommen und bei Unternehmer Malte Reupert, der im Kleinen erledigt, was beispielsweise ein Joe Kaeser als Vorstand von Siemens für ein Weltunternehmen macht: Die Politisierung der Wirtschaft, die ideologische Auffettung von Unternehmensaufgaben, jenseits vom eigentlichen Sinn und Zweck: einfach nur Produkte und Dienstleistungen anbieten, Arbeitsplätze schaffen und Steuern zahlen. Nun also das Unternehmen als NGO – von Siemens bis hinunter in den Leipziger Biomarkt einmal mit der Eisenbahn quer durchs Frischeregal und Punktlandung in der Leerstelle im Kiefernholz-Getreideregal, wo vor kurzem noch die kontaminierte Nazi-Hirse aus dem Spreewald stand.

Und so kündigt Reupert dem Hirse-Müller mit AfD-Parteibuch per Email die Verträge. Woher wir das wissen? Der Bio-Marktler stellt den Emailverkehr kurzerhand ins Internet, weil er so überzeugt davon ist, dass er es dem Hirse-Spreewälder mal so richtig eingeschenkt hat im Kampf gegen Rechts:

„Mit Ihrer Mitgliedschaft in der AfD geben Sie ein klares politisches und menschliches Statement ab. Sie stellen sich damit gegen die wichtigsten Ziele von Biomare. Sie machen sich selbst als ökologischer Unternehmer höchst unglaubwürdig. Dies macht uns eine weitere Zusammenarbeit mit Ihnen unmöglich. Wir listen daher Ihre Produkte aus unserem Sortiment aus. Wir haben bisher alle unsere Auslistungen wegen Grundsatzfragen unseren Kunden und Kollegen transparent gemacht. Dies tun wir selbstverständlich auch in diesem Falle. Bis zur Veröffentlichung am 26.7. haben Sie gern Gelegenheit, eventuelle Irrtümer oder falsche Schlussfolgerungen aufzuklären. Wir hoffen, dass unsere klare Positionierung ein Denkanstoß sein kann.“

Wohlgemerkt, es geht um Hirse. Um ein Getreide. Und das ist jetzt im Regal untragbar geworden, weil es von einem AfD-Kreisvorstand produziert und also politisch kontaminiert wird. Weil der Anbau und die Verarbeitung von Hirse ökologisch „höchst unglaubwürdig“ ist, wenn man der AfD zugetan ist. Einer omniösen Transparenz geschuldet, gehört so eine düstere Entdeckung selbstredend dann auch an den Bio-Pranger.

Ein paar Worte zum Bio-Markt-Führer Malte Reupert, welcher der Leipziger Internet Zeitung erst im Juni dieses Jahre eine Art Lebensbeichte hingeschmissen hat, die gemessen am aktuellen Kauft-nicht-bei-AfD-Leuten interessant nachzulesen ist, wenn Reupert da leutselig wird: „Er erfuhr, auch wegen seines Ziehvaters, ein marxistischer Pfarrer, eine gleich mehrfach marxistische Prägung, erzählt er.“ Und „dass seine Vision, die Welt öko-sozial zu verbessern, ökonomisch aufgehen muss, nennt er seine erste wichtige Lernaufgabe.“

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Reupert macht heute mit seinen drei Biomare-Filialen einen Jahresumsatz von achteinhalb Millionen Euro, rund hundert Mitarbeiter sollen für ihn tätig sein. Wenn er gegen den Hirsehändler politisch antritt, dann behauptet er in den besagten Emails an diesen, seine führenden Angestellten ständen dabei hinter ihm. Bei Biomare kann man also nur Bio-Hirse und Co. verkaufen, wenn die politische Grundhaltung stimmt: „Er genieße und nutze das Privileg als Unternehmer, sich seine Mitarbeiter aussuchen zu können“, zitiert ihn die Leipziger Internetzeitung.

Der Hirse-Lieferant aus dem Spreewald bekommt eine gepfefferte Aufkündigung der gemeinsamen Liefervereinbarungen, er wird ausgelistet. Und er antwortet dem Bio-Marxisten aus Leipzig recht umfangreich, wie der von Reupert auf dessen Biomare-Internetseite veröffentlichte elf Seiten lange Email-Verkehr belegt. Reupert will sich nicht lumpen lassen und nutzt die von ihm provozierte Gelegenheit, einmal sein fragwürdiges Weltbild aufzublättern. Die Emails fliegen hin und her, eine Einigung kommt natürlich nicht zustande, der Spreewälder AdfD-ler bleibt auf seiner Hirse sitzen, schlimmer noch: Weitere Abnehmer sollen sich dem Leipziger Bio-Markt angeschlossen haben. Auf wessen Aufforderung hin?

Der Hirselieferant erklärt dem Bioladenbesitzer, den er zunächst fälschlicherweise für einen Wessi hält, seinen politischen Hintergrund:

„Auch Ihnen sollte klar sein, dass die Bürger der DDR nicht umsonst die Revolution 89 herbeigeführt hatten. Sie hatten die Schnauze voll von linksextremistischer Bevormundung, Unterdrückung ihrer persönlichen Entwicklung, Meinungs- und Gedankenkontrolle, Persönlichkeitszersetzung und sonstiger linksextremistischer diktatorischer Unterdrückungen. Wir wollten die Freiheit in jedweder Form! Darum wurde ein linksdiktatorisches Regime gestürzt.“ Anschließend erklärt er sich über Seiten zu den verschiedensten Anwürfen aus Leipzig und endet damit, „zu konstatieren, dass die AfD absolut berechtigt hochskandalöse und hochproblematische Themen anspricht, welche in unserer Gesellschaft virulent sind. Das diese Partei derart bekämpft wird, liegt ausschließlich in der Blindheit bzw. Ignoranz der Linken vor der Realität begründet. Ursächlich angetrieben von dem Wunsch sich selber als Deutsche abzuschaffen.“

„Im übrigen“, will er weiter wissen: „Was ein Engagement eines Menschen in einer Partei mit dem Produkt zu tun hat, das in seinem Unternehmen hergestellt wird, hätte ich gerne noch mal näher erklärt bekommen.“

Biomare-Chef Malte Reupert wird davon erst richtig angestachelt und mutmaßt aus den Zeilen seines Gegenüber, dieser sei „zutiefst gekränkt.“ Nur sei er der falsche Adressat dafür: „Es ist selbstverständlich meine demokratische Freiheit, sich zu Ihrer politischen Aktivität zu verhalten. Und es ist doch logisch, dass sich ihre Haltung auch auf Ihr Handeln als Unternehmer und damit Ihre Produkte niederschlägt.“

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Die Hirse schmeckt also ungenießbarer, von einem AfD-Kreisvorstand als von einem eingefleischten Marxisten gemahlen? Die politische Haltung verändert die Geschmacksrichtung von Hirse? Hieß es bisher nicht immer, du bist, was du ist? Kann es am Ende also sein, das Hirse grundsätzlich ein echt gefährliches Zeugs ist, welches aus Gutmenschen Nazis machen kann, wenn man nur genug davon verzehrt?

Zum Ende diese Email-Verkehrs outet Malte Reupert noch seinen therapeutischen Ansatz dem AfD-Hirsemüller gegenüber: „Ich habe Ihnen in meiner letzten Antwort Ihr Verhalten gespiegelt und dieses in den gesellschaftlichen Zusammenhang gestellt. Es fällt mir sehr schwer, ernsthaft zu glauben, dass Sie Ihre ungezügelte Hochnäsigkeit und Aggressivität in Ihren eigenen Schreiben nicht sehen können.“

Und Malte Reupert lässt den Hirsehändler auch wissen, wann er dessen Produkte in der Bio-Branche eventuell doch wieder verkaufen würde (zwischenzeitlich hat er sich mit anderen Bio-Händlern besprochen, wie er selbst einräumt) und wie dessen Ablassleistung aussehen müsste:

„Wenn Ihnen so viel liegt an der Listung in unserer Branche, dann müssen Sie gemeinsame Werte und Kern-Ziele teilen. Lassen Sie eine CO2-Bilanz für Ihr Unternehmen erstellen und setzen Sie sich ein verbindliches Ziel, bis wann Sie Ihr Unternehmen auf Klimaneutralität umgestellt haben. Beschäftigen und bilden Sie Flüchtlinge aus, unsere Wirtschaft und unser Rentensystem ist dringend auf deren Leistung angewiesen. Zeigen Sie der Branche ein menschliches und faires Gesicht und verhalten Sie sich erwachsen und respektvoll. Dann kann ich Sie auch wieder ernst nehmen.“

Nun gut, jetzt könnte man sagen, hier haben einem marxistisch erzogenem Leipziger Bio-Unternehmer seine Tofu-Produkte irgendwie den Verstand zerschrotet. Man kann diesem Fall aber auch mehr Bedeutung geben, indem man ihn als eine Art Missing Link für zukünftige historische Betrachtungen nimmt und den Historikern von morgen folgende Frage an diesem Beispiel beantwortet: „Wie konntet ihr das geschehen lassen?“

So betrachtet muss dieser antidemokratische, dieser denunziatorische, dieser diffamierende wie diskreditierende Akt des Leipziger Bio-Marxisten in eine Reihe gestellt werden mit beispielsweise der Ausladung von AfD-Politikern vom evangelischen Kirchentag und der gleichzeitigen Stigmatisierung als „Gottlose“ der Entschuldigung der ZEIT für einen Artikel einer Autorin, die es gewagt hatte, die so genannte Seenotrettung kritisch zu beschreiben – und der Entlassung des Chefs der Filmförderung Hessen, weil der mit einem AfD-Politiker Mittag gegessen hatte. Nur drei Beispiele von vielen, die Spuren hinterlassen. Die in Summe in eine Richtung weisen, die sich von der Demokratie, wie wir sie kannten, entfernt. Hinüber zu einer Art Öko-Demokratie, wie sie uns TE-Autor Klaus-Rüdiger Mai gerade dankenswerterweise so klug als Dystopie dechiffriert hat.

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