Tichys Einblick
Zur Zukunft von UKW

„Radio wird nie wieder so weit verbreitet sein wie über UKW“

Uplink-Geschäftsführer Michael Radomski kritisiert im TE-Interview die Versuche der Politik, aus dem Hinterzimmer in den Radiomarkt einzugreifen. Der Markt solle entscheiden, welche Technik sich durchsetzt.

Michael Radomski, Geschäftsführer der Uplink Network GmbH

Bild: © Uplink

Die ARD-Anstalten wollen Geld sparen. Teile von SPD und Grünen wollen ihnen helfen und die Ultrakurzwelle UKW abschalten. Dabei ist UKW die bevorzugte Technik der Hörer, sagt Michael Radomski im Gespräch mit Tichys Einblick. Radomski ist Geschäftsführer der Uplink Network GmbH, einem UKW-Anbieter. Er wirft der Politik vor zu täuschen.

Tichys Einblick: SPD, Grüne und FDP haben bei den Verhandlungen über eine Ampelkoalition auch über die Möglichkeit gesprochen, die Ultrakurzwelle UKW abzuschalten. Nach der Berichterstattung bei Tichys Einblick gab es dazu Kritik aus den eigenen Reihen der Ampelparteien. Nun scheint die Abschaltung erstmal vom Tisch. Wie sehen Sie die Zukunft der UKW, Herr Radomski?

Michael Radomski: Es wird sie noch einige Jahre geben. Ich glaube bis Mitte der 30er Jahre. Vielleicht ein wenig kürzer, vielleicht ein wenig länger. Das ist ohnehin ein laufender Prozess – zumindest wenn der Prozess nicht reguliert wird.

Aber ist die Regulierung nicht die Aufgabe der Politik?

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Wir brauchen eine Medienpolitik und eine Infrastruktur im Markt, die sich an den Interessen der Bürger ausrichtet. Das ist das, was die Menschen von der Politik verlangen. Und ich habe nicht das Gefühl, dass es eine Mehrheit gibt, die UKW abschalten will. Deren Interesse ist es, Radio zu hören. Und das mit einem möglichst niedrigschwelligen Zugang. Und angesichts von 110 Millionen Geräten, die es bei den Hörern gibt, ist der niedrigschwelligste Zugang immer noch UKW.

Die Ultrakurzwelle hat aber auch ihre Nachteile. DAB plus könnte den Hörern mehr Programme anbieten. Spricht das nicht für einen Umstieg auf DAB plus?

Der Markt soll entscheiden. Wenn mehr Programme da wären, und wenn das der Wunsch der Hörer wäre, dann würde der Markt doch erst recht zugunsten von DAB plus entscheiden. Wir bieten Infrastruktur an. Für Inhalte bin ich kein Experte. Aber mir scheint es weder so, dass neue Programme da wären, noch dass sie die Menschen dazu bringen, deshalb auf DAB plus umzusteigen.

Warum drängen dann aber ausgerechnet die Sender der ARD auf einen Ausstieg aus UKW?

Aus den Reihen der privaten Anbieter gibt es herbe Kritik an der ARD. Sie tut Dinge, die für den Wettbewerb im dualen System nicht gut sind. Das Interesse sowohl privater als auch öffentlich-rechtlicher Anbieter sollte doch darin bestehen, dass so viele Menschen wie möglich Radio hören – und Radio hören können. Und das leistet immer noch UKW am besten.

Wieso drängt die ARD dann aber auf einen Ausstieg aus der UKW?

Die ARD muss mehrere Aufgaben gleichzeitig schultern. Offenbar ist die Bewegtbildverbreitung der verschiedenen Sender der ARD extrem teuer. Einen Verbreitungsweg im Bereich Radio einzusparen, käme daher manchen recht. In der ARD. Die Hörer sehen das aber anders.

Geld zu sparen muss doch aber auch ein Interesse der privaten Sender sein?

Ich glaube, es gibt bei den privaten Anbietern zwei Gruppen. Eigentlich sogar drei. Die einen sind starke UKW-Player. Sie haben über UKW eine große Reichweite, machen entsprechend gute Geschäfte und sind daher UKW verhaftet. Sie wollen das Produkt anbieten, so lange es funktioniert. Das ist aus meiner Sicht auch opportun: eine Ware solange anzubieten, solange sie gewünscht wird.

Und die anderen?

Aus für UKW-Radio?
Ampel will Radiogeräte zwangsverschrotten
Sie haben keine starken Frequenzen auf UKW. Diese Anbieter sind daher natürlich wahnsinnig interessiert an DAB plus. Sie sind die Herausforderer. Ihnen käme eine UKW-Abschaltung natürlich recht. Dann würden die Mitbewerber durch staatliche Regulierung Marktanteile verlieren und sie entsprechend gewinnen. Sie hätten einen Vorteil davon, wenn der Staat in den Markt eingreift. Dann gibt es noch eine dritte Gruppe, die dazwischen steht. Sie leben von UKW, investieren aber auch in DAB plus. Sie hätten schon ein Interesse an einer Abschaltung, um Geld zu sparen. Dann aber auch wieder nicht. Denn ihr Geld verdienen sie bisher mit UKW.

Die öffentlich-rechtlichen Sender geben bereits einige UKW-Frequenzen auf. Läuft ihnen diese Kundschaft nicht langsam aber sicher weg?

Richtig ist: Wir sind ein Anbieter, und das heißt, wir haben auch ein eigenes Interesse. In unserem Fall an einer Zukunft der UKW. Doch vor Markt-Entscheidungen habe ich keine Angst. Wenn öffentlich-rechtliche Sender sagen, wir haben eine digitale Verbreitung und mit UKW und DAB plus zwei terrestrische Verbreitungen, davon können wir eine einsparen – dann ist das für uns okay. Für den Wettbewerb relevant ist doch die Frage, was mit starken Frequenzen passiert, wenn öffentlich-rechtliche Sender sie freigeben.

Wieso?

In der ARD gibt es zwei Interessen. Das eine ist Geld sparen. Aber sie wollen auch ihre Hörer nicht an die private Konkurrenz verlieren. Das droht ihnen aber, wenn sie aus UKW rausgehen. Deswegen werden sie kaum – was im Sinne eines fairen Wettbewerbs wäre – die beliebten Frequenzen weitergeben. Sie würden sie eher einfrieren wollen.

Welchen Vorteil hätte die ARD davon?

Über die Vergabe der Frequenzen entscheiden die Medienanstalten der Länder. Wir fürchten eine Abschaltung von UKW durch die Hintertür. Nämlich dann, wenn die Landesmedienanstalten beliebte Frequenzen nicht wieder an Interessierte vergeben. Das wäre zum einen nicht im Sinn der Hörer und zum anderen nicht so, wie Politik einen Rahmen für den Wettbewerb schaffen sollte.

Wieso nicht?

Radio ist ein wichtiges Medium. Es gibt eine hohe Emotionalität. Vor allem an ihre lokalen Sender sind die Hörer stark gebunden. Und dann ist Radio ein Teil der Grundversorgung. Auf der staatlichen Seite zum Katastrophenschutz steht zu lesen, was alles zur Grundversorgung im Notfall gehört: Wasser, Trockennahrung und ein batteriebetriebenes Radio. Über etwas, das so wichtig ist wie Wasser und Nahrung, sollte nicht in Hinterzimmern verhandelt werden.

Passiert denn das?

Reaktion auf Tichys Einblick
Medienpolitiker der SPD stoppen die geplante Abschaltung der Ultrakurzwelle UKW
Die Debatte über eine UKW-Abschaltung wird nicht öffentlich geführt. Sie findet noch nicht einmal unter Einbeziehung aller relevanten Marktteilnehmer statt. Das führt dann zu falschen Entwicklungen. Etwa dass Partikularinteressen im Mittelpunkt der Entscheidung stehen und nicht die Frage, wie Radio möglichst weit verbreitet werden kann. Das entspräche auch dem Verbreitungsauftrag der ARD. Der heißt eben nicht, Geld einzusparen ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob Radio niedrigschwellig zu empfangen ist. Darüber sollte öffentlich und möglichst breit diskutiert werden.

Der Bundestag hat offenbar ein Interesse daran, DAB plus durchzusetzen. Seit gut einem Jahr ist ein Kaufzwang in Kraft. Jedes neu gekaufte Auto muss mit einem Gerät ausgerüstet sein, das DAB plus empfangen kann. Schafft sich die Politik so selbst die Argumente für eine UKW-Abschaltung?

Ja. Was einem dabei auf den Keks geht, ist, wie versucht wird, mit falschen Zahlen eine Technologie durchzusetzen. Denn jedes dieser Geräte verfügt ja auch über eine UKW-Schnittstelle. So wird mit einer Zahl operiert, wie viele neue DAB-plus-taugliche Geräte es gibt, ohne darauf hinzuweisen, dass es genau so viele neue UKW-taugliche Geräte gibt. Das ist Augenwischerei. Obendrein geht Deutschland mal wieder einen merkwürdigen Sonderweg innerhalb der EU.

Wieso?

Die EU sieht eigentlich vor, dass jedes neu verkaufte Gerät über eine digitale Schnittstelle verfügen muss. Das gilt im Übrigen nicht nur für Geräte im Auto, sondern für alle neu gekauften. Dass diese Schnittstelle DAB plus sein muss, gilt nur für Deutschland. Genauso gut könnte es Bluetooth sein oder eine andere digitale Schnittstelle. Da fördert die deutsche Politik aber auf Teufel komm raus eine einzelne Technik, statt den Markt darüber entscheiden zu lassen.

Eine Technik, die ohnehin umstritten ist. Der Schweizer Medienunternehmer Roger Schawinski hält DAB plus schon jetzt für veraltet und sagt, die Zukunft sei 5G. Hat er recht?

Ich halte Roger Schawinski für einen schlauen Menschen. In die Glaskugel zu schauen, um zu sehen, wie es weitergeht, ist wahnsinnig schwer. Ich würde für mich nicht so weit gehen, heute schon zu sagen, welche Technik sich in Zukunft durchsetzen wird. Sicher: Vieles wird zu Streaming wechseln, es wird aber auch noch lange ein Bedürfnis nach UKW geben. Vielleicht auch ein Bedürfnis nach DAB plus. Aber darüber soll der Markt entscheiden – also die Menschen, die ihr Radio einschalten und das am liebsten niedrigschwellig.

Hat Radio denn im Internetzeitalter überhaupt eine Zukunft?

Radio ist nicht so stark von der Konkurrenz des Internets betroffen wie die Zeitung oder das Bewegtbild. Radio kann Dinge, die andere Medien nicht können, findet einen viel leichteren Zugang zu den Menschen. Aber eins ist auch sicher: Es wird nie wieder so eine einfache und weite terrestrische Verbreitung des Radios geben wie mit UKW. Das sollte die Politik nicht durch einen willkürlichen Eingriff kaputt machen.

Anzeige