Tichys Einblick
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Heiko Teggatz: Wir müssen den Zulauf von Antisemiten stoppen

Radikale Anti-Israel- und Pro-Hamas-Demonstrationen, steigende Jugendkriminalität, chaotische Lagen in migrantisch geprägten Vierteln: Polizei in Deutschland ist gefordert. Doch die Bundespolizei kann kaum noch unterstützend eingreifen. Sie ist an den Grenzen gebunden. Der Vizechef der Deutschen Polizeigewerkschaft Heiko Teggatz sagt, woran es hakt.

IMAGO / A. Friedrichs

Heiko Teggatz ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und Chef der Bundespolizeigewerkschaft. Seit Jahren tritt er für feste Grenzkontrollen ein. Jetzt gibt es sie endlich. Die Bundespolizei ist dadurch voll ausgelastet und fällt als Bereitschaftspolizei für die Länder weitgehend aus. Das passiert ausgerechnet in einer Lage, in der die innere Sicherheit aus vielen Richtungen unter Beschuss steht. In dieser Lage wird die Überforderung der Polizei in Deutschland zum Thema, und Teggatz fordert natürlich Neueinstellungen von der Bundesinnenministerin. Daneben mahnt er, dass man die innere Sicherheit auf Dauer nicht aufrechterhalten kann, wenn Grenzen nicht existieren.

Tichys Einblick: Landes- und Bundespolizisten haben in letzter Zeit einiges zu tun. Da sind massive Demonstrationen mit dschihadistischer und antisemitischer Stoßrichtung, teils mit Ausschreitungen garniert. Es gibt tödliche Schießereien an Schulen, eine Geiselnahme, die am Flughafen Hamburg endet. Man muss sich ja vorstellen, dass bei jedem dieser Ereignisse entweder zur Sicherheit von vornherein oder dann im Notfalleinsatz auch Polizei, manchmal in Hundertschaften, nötig wird. Kurze Frage zu Beginn: Schaffen Sie das noch?

Heiko Teggatz: Das ist eine berechtigte Frage. Wir haben im Moment das Phänomen, dass wir wirklich geballte Lagen aufeinander einprasseln haben. Wir haben latente Lagen wie die Migrationslage, wo die Bundespolizei komplett gebunden ist mit ihren Kräften, so dass sie die Länder nicht mehr unterstützen kann, also bei solchen Großlagen wie beispielsweise in Essen oder Berlin. Und wir haben die kurzfristig sich ergebenden Lagen, und da ist es natürlich immer wichtig, möglichst schnell möglichst viel Polizei mobilisieren und auf die Straße bringen zu können, um dieser Lagen Herr zu werden.

Ich kann das jetzt aus Sicht der Bundespolizei beurteilen. Wir sind in unserem gesetzlichen Auftrag, also vornehmlich dem Auftrag Grenzschutz, mit allen Kräften gebunden und können folglich nicht mehr unterstützen. Die Länder sind aber untereinander im Austausch und doch noch relativ gut ausgestattet. Das kann aber kein Dauerzustand werden. Die Politik muss also sowohl im Bund wie in den Ländern hier ganz dringend nachbessern, um junge Kolleginnen und Kollegen zu rekrutieren und die Polizeien in Bund und Ländern in den nächsten Jahren deutlich verstärken. Denn ich gehe nicht davon aus, dass sich die Lage in der nächsten Zeit beruhigen wird.

Man hat es ja auch bei der Klimakleber-Sekte gesehen: Die Sicherheit deutscher Flughäfen scheint keineswegs voll ausgereizt. Kann man das besser machen?

Wenn man personell nicht in der Lage ist, solche Flughafengelände zu sichern, und dafür ist eigentlich einzig und allein der Flughafenbetreiber zuständig, dann muss Geld in die Hand genommen werden und in Technik investiert werden. Wenn unsere deutschen Flughäfen beispielsweise alle so gut gesichert wären wie der Frankfurter oder der Münchener Flughafen, mit Sensor- und Kameratechnik und stabilen Zäunen, dann bräuchten wir uns darüber keine Gedanken zu machen. Aber das ist leider die Ausnahme. Schauen Sie nach Berlin, Hamburg, Düsseldorf. Dort sind ja die Klima-Chaoten mit einfachen Werkzeugen aus dem Baumarkt in diesen Hochsicherheitstrakt eingedrungen und haben sich dann dort auf den Rollfeldern festgeklebt.

Das passierte im Dezember 2022 aber auch auf dem Münchner Flughafen …

Es wäre sicher nicht passiert bei einem Doppelzaun, wovon der erste, äußere Zaun mit Technik gesichert ist, wodurch dann Kameras geschaltet werden und ein Alarm in der Flughafensicherheitswache ausgelöst wird, wo meine Kollegen dann sitzen und gucken können: Photographiert da nur einer die Flugzeuge? Geht da jemand spazieren? Oder macht sich einer am Zaun zu schaffen? Das würde Zeit bringen, dann die Streifen loszuschicken und die Situation unter Kontrolle zu bringen. Aber, wie gesagt, die Investition muss der Flughafenbetreiber vornehmen, und da liegt der Hase im Pfeffer: Wir geben sozusagen die Terrorismusbekämpfung, denn nichts anderes ist es ja in der Luftsicherheit, immer mehr in private Hände und ziehen uns staatlicherseits zurück. Das ist ein Spiel, was diese Regierung und auch die Vorgängerregierungen schon seit Jahrzehnten so spielen. Das fällt uns jetzt langsam alles auf die Füße.

Man hat sich ja ein bisschen gewundert, dass da ein Mann mit seinem Audi bis aufs Hamburger Rollfeld fahren konnte. Wie kann das sein?

Ja, nun ist der Hamburger Flughafen sogar meine Stammdienststelle, und deshalb war ich auch so fassungslos. Da ist einer mit einem privaten PKW durch eine Plastikschranke gefahren, hat in die Luft geschossen und hat sich dann mit zwei Brandsätzen, die er auf dem Rollfeld auch gezündet hat, vor eine vollgetankte Maschine der Turkish Airlines gestellt – in einem Bereich, wo ich nicht mal eine Zigarette rauchen oder ein Streichholz anzünden darf. Also ein Skandal sondergleichen. Nicht einmal der Bremer Flughafen hat so lasche Sicherheitsvorkehrungen. Und die Lösung wäre auch hier einfach: Man könnte den Flughafen mit einem Doppeltor, also zwei vernünftigen Metalltoren, zumindest für solche Fälle sichern.

Kommen wir zurück zur Sicherheit im öffentlichen Raum. Die neue Nahost-Krise stellt hier eine ernsthafte Belastung für die Landespolizeien dar, etwa in Berlin, aber auch andernorts. Wenn die von ihnen beschriebene Doppel- und Dreifachlage so weiter geht, kann man dann den Schutz des jüdischen Lebens in Deutschland überhaupt noch garantieren?

Genau diese Frage wird schon jetzt in der Innenministerkonferenz diskutiert, wenn ich richtig informiert bin. Und das, was die Bundespolizei regelmäßig macht, also die jeweiligen Länder personell unterstützen, das machen jetzt auch schon die Länder untereinander. Also Sie werden demnächst am Wochenende in Nordrhein-Westfalen vielleicht Kollegen aus Baden-Württemberg oder Sachsen-Anhalt sehen, die dort unterstützen. Aber irgendwann ist eben der Punkt erreicht, wo es dann nicht mehr ausreicht vom Personal her, und da muss die Politik jetzt ganz schnell handeln und nicht weiter abtauchen und so tun, als wäre die innere Sicherheit zweitrangig.

Die Berliner Polizei setzt inzwischen 650 Mitarbeiter für den Schutz jüdischer Einrichtungen (Synagogen, Schulen, Kndergärten) ein. Nur sind damit noch nicht die koscheren Restaurants, die kleinen Läden und Wohnhäuser geschützt. Das ginge ja auch gar nicht…

Momentan werden die jüdischen Einrichtungen in Deutschland vornehmlich durch tarifbeschäftigte Kollegen geschützt. Hier sollten wir dringend im Rahmen der Haushaltsdebatte, auch im Bund, jetzt möglichst zügig auch Tarifbeschäftigte rekrutieren, die dann auch im Bund solche Schutzaufgaben übernehmen und unterstützen können. Für die Bundespolizei würde das auch bedeuten, dass so handwerkliche Dinge wie die Abnahme von Fingerabdrücken, das Erstellen von Lichtbildern oder auch Dateneingaben ins System künftig von Tarifbeschäftigten übernommen werden könnten. Das würde Vollzugsbeamte in der Bundespolizei freisetzen, die dann für genau solche Aufgaben, nämlich den Kampf gegen Verfassungsfeinde und Antisemiten auf deutschen Straßen aufnehmen zu können.

Aber die Zukunft kann nicht sein, dass wir überall Poller aufstellen und zwei Beamte daneben. Das kann es ja nicht sein. Müsste man vielleicht mobile, wendige Schutzkonzepte für die Zukunft entwerfen?

Nein, die Politik müsste sich eher darauf konzentrieren, solche Antisemiten gar nicht erst ins Land zu lassen. Und die, die im Land sind und nicht ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft haben, die gehören auch erst auf freien Fuß gesetzt, wenn sie wieder ihr Heimatland betreten. Da muss die Politik jetzt eine ganz klare Kante fahren. Wir müssen erst mal damit anfangen, den Zulauf solcher Typen zu stoppen, bevor wir uns Gedanken machen, wie wir uns möglicherweise aufstellen, um jüdische Einrichtungen in Deutschland zu schützen. Denn demnächst sind es dann Parteizentralen oder Sportvereine oder, weiß der Kuckuck was. Das kann so nicht weiter gehen.


Im zweiten Teil des Gesprächs wird es um Grenzschutz, Zurückweisungen, neue Kontrollgründe und eine denkbare Reform des Schengen-Systems gehen.

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